Mar 13, 2023
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HRI-Konjunkturausblick: Warum der Aufschwung in Deutschland in diesem Jahr nicht kommt

Written by pinmin


Düsseldorf Je schlechter die Lage, umso größer scheint die Hoffnung auf Besserung zu sein – so lässt sich die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland derzeit beschreiben. Doch dass diese Hoffnung wirklich berechtigt ist, muss bezweifelt werden.

Offensichtlich verfrüht war die Freude, als das Statistische Bundesamt Anfang Januar verkündete, die Wirtschaft sei im Schlussquartal 2022 nicht wie befürchtet geschrumpft, sondern habe voraussichtlich stagniert. In einem ersten Schritt revidierte das Amt diesen Wert auf -0,2 Prozent und in einem zweiten Schritt gar auf -0,4 Prozent herunter.

Ausgehend von diesem nun merklich niedrigeren Ausgangsniveau erwarten vom Finanzdatendienstleister Bloomberg befragte Volkswirte für das laufende erste Quartal im Mittel einen weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent. Zusammengenommen ergibt dies ein beachtliches Minus, das wohl erst in der ersten Jahreshälfte 2024 aufgeholt werden kann.

Anders, als manch Frühindikator signalisieren mag, ist echte Besserung keineswegs in Sicht. Die Inflation verharrt bislang nahe den Rekordwerten vom Herbst und wird ab März vor allem deshalb sinken, weil einerseits die jeweiligen Vergleichswerte aus dem Vorjahr steigen und andererseits die mit Steuermitteln finanzierten Preisbremsen die Energierechnungen vieler Verbraucher schönen.

Trotz hoher Lohnforderungen einiger Gewerkschaften stehen die Chancen für die Konsumenten schlecht, drei Jahre Reallohnverluste rasch ausgleichen zu können. Unter dem Strich dürften die meisten Verbraucher am Jahresende froh sein können, wenn die Lohnentwicklung wenigstens mit der Teuerung im laufenden Jahr schritthalten kann – noch zumal manch langlaufender Tarifvertrag noch aus Zeiten mit geringer Inflation stammt.

Beispielsweise bekommen Beschäftigte der Druckindustrie ab Mai 1,5 Prozent mehr Lohn, in der Textilindustrie gibt es ebenfalls 1,5 Prozent ab Oktober, Zeitungsredakteure erhalten zwei Prozent ab Juni, und im Versicherungsgewerbe gibt es zwei Prozent ab September – die Freude bei den Beschäftigten dürfte sich in Grenzen halten.

Hinzu kommt, dass die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Zinswende erst allmählich zum Tragen kommen. Üblicherweise geht man davon aus, dass es etwa drei bis sechs Quartale dauert, bis diese Bremswirkung eintritt.

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Der herbe Einbruch auf dem Bau ist also wohl nur ein Vorgeschmack: Die Zinsen für Dispo- und Konsumentenkredite ziehen kräftig an, und die Zinsbelastung des Staats schnellt in die Höhe, was den Spielraum für weitere Entlastungen begrenzt.

Überdies verteuern sich kreditfinanzierte Investitionen und der Zinsdienst für bestehende Schulden. So hatten die 150 börsennotierten Unternehmen in Dax, MDax und SDax im Herbst 2022 gut 530 Milliarden Euro Nettofinanzschulden aufgetürmt – jeder Prozentpunkt Zinserhöhung auf die Durchschnittsverzinsung kostet die Konzerne also gut fünf Milliarden Euro. Und auch die sehr hohen Gewinne vieler Dax-Konzerne in 2022 erschienen in etwas anderem Licht, wenn man sie um fast sieben Prozent Inflation bereinigen würde.

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Zwar blieb im zurückliegenden Winter die befürchtete Gasmangellage aus. Doch über den Berg ist deutsche Industrie keineswegs. Trotz der jüngsten Zuwächse waren die Industrieaufträge zum Jahresstart um 10,9 Prozent geringer als vor einem Jahr; sie lagen fast exakt auf dem Niveau von Februar 2020, also unmittelbar vor dem Corona-Ausbruch in Deutschland.

Gleiches gilt für die Industrieproduktion, die in diesem Januar zwar überraschend deutlich zulegte, deren Niveau jedoch noch immer spürbar unter dem des Jahresbeginns 2020 liegt.

>> Lesen Sie hier: Verbraucherstimmung auf höchstem Stand seit einem Jahr
Auch die Hoffnung, dass wie in vergangenen Rezessionen eine Erholung durch anziehende Auslandsnachfrage induziert wird, ist begrenzt. Den Vereinigten Staaten als größtem Kunden Deutschlands droht wegen der aggressiven Zinspolitik der Federal Reserve eine Rezession, die Wirtschaft der Niederlande und Frankreichs dürfte 2023 nur schwach wachsen. Und das zuletzt auf Rang vier der wichtigsten Zielländer deutscher Exporte gerutschte China stellt sich gerade auch mittelfristig auf schwächere Wachstumsraten ein.

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Nach nur drei Prozent Zuwachs im Vorjahr geht der Volkskongress von fünf Prozent plus im laufenden Jahr aus – gemessen an früheren chinesischen Verhältnissen wirkt dies fast wie Stagnation.

Auffallend schwach entwickelte sich zum Jahresstart der deutsche Einzelhandel. Real fielen die Umsätze gegenüber Dezember um 0,3 Prozent. Zwar wurde der Dezember-Wert kräftig nach oben revidiert, sodass für diesen Monat lediglich noch ein Minus von 1,7 Prozent zu Buche steht. Der Trend weist aber angesichts anziehender Preise weiter nach unten – keine guten Vorzeichen für die Entwicklung des privaten Konsums.

>> Lesen Sie hier: Bestätigt: Inflationsrate verharrt bei 8,7 Prozent – Nahrungsmittel besonders teuer

Des einen Leid ist nicht selten des anderen Freud – Berechnungen des Ifo-Instituts zeigen, dass zahlreiche Unternehmen im vierten Quartal 2022 ihre Verkaufspreise stärker erhöhten, als dies durch die Entwicklung der Einkaufspreise angelegt war.

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Vor allem im Handel, Gastgewerbe und Verkehrssektor sowie im Baugewerbe gelang es also, die Gewinnmargen zu erhöhen – so wie es Berater empfehlen. So hatte die Management-Legende Hermann Simon den Unternehmen im vergangenen Sommer geraten: „Erhöht die Preise schneller! Die Preiserhöhungen sollten nicht unter der Inflationsrate liegen, sondern eher leicht darüber. Das funktioniert in einer Inflation auch einfacher.“ Und so befeuert die Inflation derzeit sich selbst.

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Geschieht nicht ein Wunder, wird die deutsche Volkswirtschaft dieses Jahr wohl leicht schrumpfen – das wäre der sechste Rückgang auf Jahressicht seit der deutschen Einheit. Die von Bloomberg befragten Volkswirte sind in dieser Frage gespalten. Die Konsensschätzung liegt bei null Komma null.

Mehr: Warum es keine Lohn-Preis-Spirale geben wird.



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