Berlin Eigentlich wollte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf dem Bildungsgipfel am Dienstag für mehr Teamgeist sorgen: Um die „tiefe Krise“ des Systems zu meistern, müssten Bund, Länder und Kommunen endlich „an einem Strang ziehen“, warb die Liberale vorab in der „Bild“-Zeitung. Der Bund könne nicht immer nur mehr Geld geben. Um endlich die strukturellen Probleme anzugehen, müssten alle Beteiligten im Bildungsbereich kooperieren, „statt mit dem Finger auf andere zu zeigen“.
Das scheitert jedoch schon an den Unions-Kultusministern, die lediglich ihre Staatssekretäre zum Gipfel schicken. Hessens Kultusminister Alexander Lorz, begründet das so: Stark-Watzinger hätte „einen solchen Gipfel professionell vorbereiten müssen; weder der Termin noch Format und Inhalte waren mit uns abgesprochen“, sagte der CDU-Politiker „Table.Media“.
Eine von der Bundesministerin angeregte Gemeinschaftsaufgabe Bildung sei zwar denkbar, erklärte Lorz. „Dann reden wir aber von einem großen Programm – weit mehr als Herrn Lindners Bildungsmilliarde.“
Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte auf dem FDP-Parteitag eine solche Investition in Aussicht gestellt – dafür aber anderswo Einsparungen gefordert. Mit dem Geld will Parteifreundin Stark-Watzinger vor allem ihr „Startchancen-Programm“ für 4000 Schulen in Brennpunkten finanzieren. Die Länder sollen den gleichen Betrag investieren.
Lorz verwies auf jährliche Gesamtausgaben der Länder von zuletzt 117 Milliarden im Jahr – die FDP-Bildungsmilliarde sei da weniger als ein Prozent. „Dafür brauche ich keine Bund-Länder-Kommission“, sagte der Hesse. SPD-Chefin Saskia Esken hatte zuvor ihre Forderung nach einem 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen für die Bildung bekräftigt und gefordert, das Startchancen-Programm müsse statt 2024 schon dieses Jahr beginnen.
Bildungsverbände fordern Gipfel mit Kanzler Scholz
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) forderten in einer gemeinsamen Stellungnahme anlässlich des Gipfels „deutlich höhere Investitionen im Bildungsbereich“. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hingegen warnt davor, „einfach mehr Geld auszugeben“. Das zeige der Digitalpakt Schule, bei dem es nicht an Geld, sondern an intelligenter Steuerung fehle, sagte DIHK-Vize Achim Dercks dem Handelsblatt.
Selbst wenn die Union mitmachen würde, wäre der Bildungsgipfel viel zu machtlos, kritisiert ein breites Bündnis von 54 Bildungsverbänden und Stiftungen. Angesichts der Größe der Probleme sei es vielmehr „höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer einen echten nationalen Bildungsgipfel einberufen“, um einen Reformprozess anzuschieben, fordert das Bündnis, zu dem nahezu alle wichtigen Bildungsorganisationen gehören.
Unisono fordern Wirtschaft, Gewerkschaften, Stiftungen und Verbände, Bund und Länder müssten endlich inhaltlich zusammenarbeiten, wie es die Bundesministerin predigt, auch wenn das im Gegensatz zur Bildungshoheit der Länder im Föderalismus steht.
Nötig sei „eine gemeinsame Strategie entlang der gesamten Bildungskette unter Einbindung der Sozialpartner – über Legislaturen hinweg“, mahnen BDA und DGB.
DIHK will bundesweite Bildungsstandards
DIHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Dercks sagte, Unternehmen setzten darauf, dass junge Menschen mit ausreichenden Qualifikationen die allgemeinbildenden Schulen verlassen. „Angesichts des Fachkräftemangels gilt das gemeinsame Ziel ,Keiner darf verloren gehen‘ heute mehr denn je.“
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Daher dürften die Politiker „nicht nur tagen, sondern müssten echte Veränderungen auf den Weg bringen“. Für die Betriebe sei es zentral, dass Schulminister Bildungsstandards bundesweit verbindlich vereinbaren und umsetzen. „Nur so können Unternehmen die Abschlüsse und Leistungen ihrer künftigen Azubis realistisch einschätzen“, sagte Dercks.
Der Stifterverband, die Organisation der Wirtschaft für die Wissenschaft, präsentierte zum Gipfel Empfehlungen, um die Lehrerausbildung zu verbessern und mehr Nachwuchs und Seiteneinsteiger anzulocken. Seiteneinsteiger haben weder Lehramt studiert noch ein Referendariat abgeschlossen, die Bedingungen und Möglichkeiten variieren je nach Bundesland.
Hintergrund ist der dramatische Lehrermangel, der nach einem Gutachten für die Kultusministerkonferenz das System bis zu 20 Jahre belasten wird. Dafür müssten etwa Seiteneinsteiger nicht nur bei Bedarf, sondern regelmäßig integriert werden, und zwar nach bundeseinheitlichen Regeln. Zudem müsse die digitale Bildung endlich zentraler Teil des Lehramtsstudiums werden.
Mehr: Vier-Tage-Woche oder Mehrarbeit? Wie die Politik den gigantischen Lehrermangel bekämpfen will
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