Mar 13, 2023
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Ukraine-Krieg: Türkei stoppt Transit sanktionierter Waren nach Russland

Written by Ozan Demircan

Istanbul In den Regierungszentralen der USA und Europas dürfte die Nachricht mit Erleichterung aufgenommen werden: Die Türkei untersagt offenbar den Transit sanktionierter Waren durch ihr Territorium nach Russland, wie mehrere russische Manager in der türkischen Metropole Istanbul sowie in Russland bestätigten.

Mit diesem Schritt erfüllt die Regierung in Ankara kurz vor den wichtigen Wahlen im Mai eine wichtige Forderung westlicher Staaten. Diese hatten immer wieder kritisiert, Ankara unterlaufe die Sanktionen des Westens gegen Russland. Die Regierung von Staatschef Erdogan schwenkt offenbar nun angesichts schwacher Umfragewerte auf den westlichen Kurs ein – und könnte so im Gegenzug Deals mit den USA und Europa einfädeln.

Nach Beginn des Ukrainekriegs hatten die USA und mehr als 30 andere Länder Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Türkei, Mitglied im westlichen Verteidigungsbündnis Nato, beteiligte sich allerdings nicht daran.

Stattdessen hatte sich das Land am Bosporus im vergangenen Jahr zu einem wichtigen Knotenpunkt für den Transport sanktionierter Waren nach Russland entwickelt, darunter milliardenschwere sogenannte „Parallelimporte“. Dabei geht es um die Einfuhr westlicher Marken nach Russland, für die keine Erlaubnis der Lizenzinhaber besteht.

Die Türkei ist das einzige Nato-Land, das relativ freundschaftliche Beziehungen zu Russland unterhält und seit der Kriminvasion 2014 auf Sanktionen gegen Moskau verzichtet hat. Staatschef Erdogan ging es dabei vor allem um nationale Interessen. Etwa, als er sich 2016 dem russischen Turkstream-Pipelineprojekt anschloss. Ziel war es, russisches Erdgas ohne Umweg über die Ukraine nach Europa zu liefern. Darüber hinaus kaufte die Türkei 2020 gegen den Widerstand der Nato und der Vereinigten Staaten S-400-Raketensysteme von Russland.

>> Lesen Sie hier: Warum manche Tanker nicht durch den Bosporus dürfen

Für Russland ist die Türkei inzwischen zu einem sicheren Hafen geworden, dem einzigen Land in Europa, das russische Geschäftsleute und Touristen willkommen heißt.

Erdogan (l.), Kremlchef Putin (im September 2022)

Der türkische Präsident traft sich nach Ausbruch des Krieges mehrfach mit Wladimir Putin.


(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Statistiken zeigen, dass sich der Handel zwischen der Türkei und Russland seit der Ukraineinvasion verdreifacht hat. Die wichtigsten gelieferten Waren sind demnach kleine Haushaltsgeräte, Elektronik, Lebensmittel, Kleidung und Ersatzteile. Der monatliche Warentransit durch die Türkei lag zwischenzeitlich bei 200 bis 400 Millionen US-Dollar.

Viele russische Firmen gingen noch einen Schritt weiter. So hatten zum Beispiel russische Airlines, deren Boeing-Flugzeuge unter die US-Sanktionen fielen, Tochtergesellschaften in der Türkei gegründet, um weiter Touristen an die türkische Riviera fliegen zu können. Regelmäßig kamen Gerüchte auf, die Türkei dulde auch den Transit von Technologiegütern, die für das russische Militär verwendet werden könnten. Trotz Kritik bestritt der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu diese Vorwürfe aber noch im Februar.

Warum der türkische Präsident auf den westlichen Kurs einschwenkt

Die Regierung in Washington hatte Ankara mehrfach gedroht, Strafmaßnahmen gegen türkische Unternehmen zu verhängen, sollten diese Sanktionen gegen Russland unterlaufen. Auch die EU hatte in einem ihrer Sanktionspakete gegen Russland sekundäre Sanktionen gegen Firmen angedroht, die die Vorgaben der EU umgehen. Handelsbeauftragte aus Brüssel und Washington waren dazu im Herbst und Winter eigens nach Ankara gereist, um die türkische Regierung zu warnen.

>> Lesen Sie hier: Wie Erdogan den Nato-Streit im Wahlkampf nutzt

Offenbar mit Erfolg: Die Nachrichtenseite Middle East Eye berichtete jüngst, dass Havas, der größte Anbieter von Flughafen-Bodendiensten in der Türkei, russische Fluggesellschaften gewarnt hatte: Aufgrund der von Washington verhängten Sanktionen sei es möglich, künftig keine Dienste mehr für westlich hergestellte Flugzeuge anbieten zu können.

Russisches Flugzeug in Istanbul

Bisher durften russische Maschinen in der Türkei landen. Das könnte jetzt schwieriger werden.


(Foto: IMAGO/Xinhua)

Havas sagte, die türkische Luftfahrtindustrie habe eine entsprechende Warnung des US-Handelsministeriums erhalten. In dem Brief an die russischen Airlines schrieb Havas: „Wir führen einen Due-Dilligence-Prozess durch, um Risiken und Folgen für unser Geschäft und unsere Stakeholder zu identifizieren. Infolgedessen sind wir möglicherweise nicht in der Lage, einige oder alle Ihrer Flüge zu bedienen.“

Jetzt gehen die türkischen Behörden einen Schritt weiter. Mehrere Manager berichten, dass die türkischen Zollbehörden aufgrund einer Regierungsrichtlinie begonnen hätten, den Transit bestimmter Waren nach Russland und Weißrussland abzulehnen. Dieser Fall trete ein, wenn die Transitpapiere bestimmte Zollcodes von Artikeln enthalten, die auf einer Liste sanktionierter Waren der Europäischen Union stehen. Eine formelle Ankündigung der Regierung über eine Änderung der Transitpolitik liegt nicht vor, auch wollen offizielle Stellen in der türkischen Hauptstadt eine Komplettblockade nicht offiziell kommentieren.

Die russische Zeitung „Kommersant“ hatte zuvor berichtet, dass auch russische Logistikmanager über umfassendere Beschränkungen für den Transit von Waren aus der Türkei nach Russland und Weißrussland unterrichtet worden seien. „Die türkischen Zollbehörden haben damit begonnen, Versandanmeldungen für Waren abzulehnen, die auf der EU-Sanktionsliste stehen“, zitierte die Zeitung den Vertriebsleiter des russischen Logistikdienstleisters Novelco.

Demnach sei nur der Export von in der Türkei hergestellten Waren erlaubt. Georgy Vlastopulo, CEO von Optimalog Logistics, sagte der Zeitung, dass die türkischen Behörden seit dem 8. März die Lieferung jeglicher Produkte nach Russland verboten hätten – mit Ausnahme von Waren, die in der Türkei hergestellt wurden.

Der Import dieser Waren dürfte jetzt zwar nicht vollständig eingestellt werden. Doch die Preise für solche Güter werden steigen, da die Fracht nun mit Zahlung aller Steuern und Gebühren vom Zoll abgefertigt und als türkisch registriert werden muss, bevor sie nach Russland weitertransportiert werden kann.

Frachtschiffe am Bosporus

Die wichtige Handelsroute ist aktuell gesperrt.


(Foto: AP)

Der Schritt der türkischen Zollbehörden war erwartet worden, weil zuletzt vor allem aus Brüssel und Washington der Druck auf die Türkei zugenommen hatte. Dass die Administration in Ankara gerade jetzt einlenkt, überrascht viele politische Beobachter dennoch. Nach einer verheerenden Erdbebenkatastrophe im Februar ist die türkische Wirtschaft angeschlagen, allein im Erdbebenmonat Februar sackten die Exporte des Landes um zehn Prozent ab.

Der Handel mit Russland hätte die Folgen abfedern können. Doch Staatschef Erdogan scheint eine andere Rechnung aufgemacht zu haben: Er braucht politische Unterstützung aus dem Westen, will er das Rennen um die Präsidentschaft für sich entscheiden.

Die Türkei will von den USA neue Kampfjets und von Europa ein erweitertes Zollabkommen. Beides wären im Wahlkampf gute Nachrichten für Erdogan – aber ohne die Preisgabe des Handels mit Russland wohl nicht erreichbar.

Mehr: So teuer wird der Wiederaufbau nach dem Erdbeben



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