Tel Aviv Maayan Cohen hat alles richtig gemacht. Als am Donnerstag die ersten Nachrichten zu den Problemen der Silicon Valley Bank (SVB) um die Welt gingen, wusste sie, dass sie keine Zeit verlieren durfte. An den Warnsignalen gab es nichts zu deuten. Die Chefin von Hello Heart, einem Start-up für Apps zur Überwachung des Blutdrucks, holte ihre Finanzabteilung in den USA aus dem Bett. Sie sollten sofort alle Konten bei der SVB auflösen, wies sie sie an. So gelang es Hello Heart, die bei der SVB deponierten Gelder im letzten Moment zu retten.
Maayan Cohen ist keine Ausnahme. Auch anderen Start-ups sei es gelungen, ihre Konten gerade noch in Sicherheit zu bringen, sagt Matan Hodorov, Wirtschaftsjournalist beim israelischen Fernsehkanal Channel 13. Wer rechtzeitig alarmiert war, verschob Kapital zu anderen US-Banken. Laut Leumitech, einer auf Hightech-Finanzierung spezialisierten Tochterfirma der Bank Leumi, konnten ihre Kunden rund eine Milliarde Dollar abziehen.
Das Risiko war groß: Viele israelische Start-ups hatten am Donnerstag noch 90 oder gar 100 Prozent ihrer Gelder bei der SVB.
Für diejenigen Start-ups, die zu spät reagiert hatten, versprach Israels Regierung Hilfe. Er sei entschlossen, israelischen Hightech-Unternehmen und ihren Mitarbeitern beizustehen, versprach Premier Benjamin Netanjahu übers Wochenende.
Obwohl die SVB-Krise wegen der Einlagengarantie der US-Regierung letztlich glimpflich verlaufen könnte, habe sie negative Auswirkungen auf Israels Hightech-Szene, befürchtet Hodorov gegenüber dem Handelsblatt: „Insgesamt hat sich das Risikoprofil der Tech-Branche erhöht.“ Das sei eine schlechte Nachricht für die Start-up-Nation und die Tech-Branche. Sie generiert mehr als die Hälfte der israelischen Exporte.
Netanjahus Politik trieb viele Start-ups erst ins Ausland
Erst in den vergangenen Wochen hatten zahlreiche Unternehmer ihre Gelder auf SVB-Konten überwiesen, um sie vor den Reformplänen der Regierung Netanjahu in Sicherheit zu bringen. Sie will die Macht des Obersten Gerichts beschneiden und dem Parlament mehr Rechte verleihen. Die Kapitalflucht sei zwar von der Regierung scharf kritisiert worden, sagt Hodorov. Aber die SVB-Pleite werde die Unternehmen nicht zum Umdenken bewegen. Er sagt: „Auch jetzt denken viele nicht daran, ihre Gelder zurückzuholen.“
Inzwischen hat die israelische Filiale der Silicon Valley Bank geschlossen, ihre rund 40 Mitarbeiter haben ihren Job verloren. Zu den größten Risiken für die Tech-Branche gehöre nun der Zugang zu Kreditlimiten, zitiert die Wirtschaftszeitung Calcalist einen Risikokapitalgeber. Die SVB war bekannt dafür, auch defizitären Jungunternehmen Kredite zu geben, während sie anderswo nur schwer an Geld kamen. Nun droht eine Kreditklemme, weil israelische Banken vorsichtig agieren dürften.
Unternehmer fürchten einen Einbruch der Hightech-Investitionen, da Risikokapitalfonds ebenfalls Konten bei der SVB hatten, die nun wohl eingefroren sind. Israelische Start-ups würden sich in den kommenden Wochen mit einer geringeren Bewertung, einem verstärkten Wettbewerb um Finanzmittel und logistischen Herausforderungen konfrontiert sehen, sagen Ökonomen in Tel Aviv.
Netanjahu benutzt die Bankpleite in den USA als willkommenen Anlass, um auf die Qualität der israelischen Wirtschaft hinzuweisen. Die Ökonomie sei „stark und stabil“ sagte er. Die Lehre aus dem SVB-Debakel müsse sein, meint ein Befürworter der Justizreform, dass Unternehmer trotz der politischen Krise und geopolitischer Risiken in Israel besser aufgehoben sind als im Ausland.
Dem widersprechen allerdings sehr viele Unternehmer. Ausländische Investoren, die die wichtigsten Kapitalgeber der Tech-Branche sind, sehen die politische Entwicklung Israels mit zunehmender Sorge. Sie fürchten vor allem die Konsequenzen der anvisierten Schwächung des Justizsystems. Grundrechte würden dadurch gefährdet, mahnen sie.
Die Unternehmer engagieren sich deshalb immer stärker politisch. Die Protestwelle, die seit rund zwei Monaten übers Land zieht, wird von ihnen zu einem großen Teil finanziert. Zudem erlauben viele ihren Angestellten, sich in ihrer Arbeitszeit den Kundgebungen anzuschließen.
Mehr: Gastkommentar von Yuval Noah Harari – Israels Justizreform ist ein antidemokratischer Staatsstreich
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