Berlin Erst vor ein paar Tagen machte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) deutlich, was aus seiner Sicht für einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien entscheidend ist: „Es kommt darauf an, dass in den Genehmigungsbehörden vor Ort eine neue Dynamik entsteht“, sagte er am Donnerstag vergangener Woche. Die Beschleunigung des Ausbaus müsse „von unten getrieben werden“, die Behörden müssten Verfahrenserleichterungen auch tatsächlich umsetzen. Leider lasse sich die Verwaltungspraxis aber nicht mit einem Fingerschnippen verändern.
Tatsächlich ist von der gesetzlich beschlossenen Beschleunigung der Genehmigungsverfahren in der Praxis noch nichts zu spüren. Das belegt eine Umfrage unter Projektentwicklern, die die Unternehmensberatung McKinsey für das Handelsblatt durchgeführt hat.
Demnach bewerten die Unternehmen komplexe Verfahren als Haupthürde – noch vor Personalengpässen und knappen Bauteilen und Materialien. „Das regulatorische Umfeld bereitet den Projektentwicklern mit Abstand die größten Probleme. Sie wünschen sich dringend einfachere und schnellere Verfahren“, sagt Alexander Weiss, Leiter des globalen Energiesektors bei McKinsey.
Außerdem empfänden die Unternehmen es als erhebliche Belastung, dass die Bedingungen für Genehmigungen in laufenden Verfahren ständig geändert würden. „Sie wünschen sich insgesamt einen verlässlicheren Rahmen“, sagt Weiss.
Den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen gilt als entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende. Bis 2030 sollen 80 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Bislang liegt der Wert bei rund 50 Prozent.
Allerdings ist davon auszugehen, dass der Stromverbrauch durch mehr strombasierte Anwendungen deutlich wächst. So wird die Zahl der E-Autos voraussichtlich steigen. Außerdem sollen bis 2030 sechs Millionen elektrische Wärmepumpen im Einsatz sein. Im Moment ist es rund eine Million.
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Um das Ausbautempo zu erhöhen, hatte die Bundesregierung vor knapp einem Jahr das sogenannte „Osterpaket“ beschlossen. Es enthält eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Genehmigungsverfahren verkürzen sollen. So ist der Ausbau der Erneuerbaren nun per Gesetzesdefinition „im überragenden öffentlichen Interesse“, um in der Verwaltungspraxis Vorrang vor anderen Belangen zu bekommen.
Zusätzlich werden Genehmigungsverfahren gestrafft und bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt. Außerdem schrieb die Ampel das Zwei-Prozent-Ziel fest: Zwei Prozent der Landesfläche sollen spätestens 2032 für die Windenergie zur Verfügung stehen. Bislang ist es weniger als ein Prozent.
Ausbau der Photovoltaik geht zu langsam voran
Auch aus Brüssel kommt Unterstützung. Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres verständigte sich der EU-Energieministerrat auf eine Reihe von Maßnahmen, die den Ausbau der Erneuerbaren ebenfalls voranbringen sollen. Unter anderem einigten sie sich darauf, Standards für die naturschutzrechtliche Prüfung zu vereinfachen.
Laut der McKinsey-Umfrage ist der Erfolg der Maßnahmen noch begrenzt. „Die Projektentwickler sagen, dass mit Blick auf die Genehmigungsverfahren vom Osterpaket der Bundesregierung noch nichts zu spüren sei“, sagt Weiss.
Es habe beim Ausbau der Photovoltaik von 2021 auf 2022 zwar eine Steigerung von 5,7 Gigawatt (GW) auf 7,3 GW gegeben. Das sei aber bei Weitem nicht ausreichend. „Schließlich müssen ab 2026 pro Jahr 22 GW installiert werden. Von diesem Wert sind wir noch sehr weit entfernt“, sagt Weiss.
Ähnlich verhält es sich bei der Windkraft. „Aktuell befinden sich über acht GW Windanlagen an Land und 2,8 GW Windanlagen auf See in verschiedenen Stadien der Planung“, sagt Weiss. Um die Ziele des Osterpakets zu erreichen, werde jedoch ein Bruttozubau von knapp 13 GW an Windanlagen an Land und sieben GW an Windanlagen auf See bis 2025 in Deutschland benötigt.
Christoph Strasser, CEO des Projektentwicklers Maxsolar, teilt die Kritik an der Verfahrensdauer. „Langwierige Genehmigungsverfahren gehören leider zu unserem Alltag. Wir haben ein Photovoltaikprojekt in Arbeit, da hat es bis zur Genehmigung drei Jahre gedauert“, berichtet Strasser. Die Verbesserungen durch das Osterpaket entfalteten schrittweise ihre Wirkung. „Da sie erst mit Beginn des neuen Jahres 2023 in Kraft getreten sind, wird es aber noch eine Weile dauern, ehe sie komplett greifen“, so die Prognose Strassers.
Strasser nimmt die Behörden in Schutz. Denen könne man keinen Vorwurf machen. „Sie haben nur begrenzte Personalkapazitäten und sehen sich zugleich einer Welle von Anträgen ausgesetzt“, sagt der Projektentwickler. Aus Strassers Sicht wäre es „wünschenswert, automatisierte Genehmigungsverfahren einzuführen“. Eine Anregung, die unter Projektentwicklern viel Zuspruch findet.
Lieferketten bereiten keine Probleme mehr
In der McKinsey-Umfrage gehören standardisierte Verfahren zu den häufig genannten Wünschen. Weiss sieht die Niederlande als Vorbild für schnellere Genehmigungsverfahren. Dort gebe es eine zentrale IT-Plattform für die Genehmigung von Windkraftprojekten. „Unternehmen können den gesamten Prozess von der Einreichung der Unterlagen bis zur Beantwortung von Rückfragen darüber abwickeln“, sagt Weiss.
Der Umfrage lässt sich zugleich entnehmen, dass die Projektentwickler trotz der bürokratischen Hürden optimistisch gestimmt sind: 65 Prozent geben an, sie wollten ihre Entwicklungspipeline in Deutschland künftig weiter ausbauen.
Weitgehend gelöst scheint für die Projektierer das Lieferkettenproblem zu sein: „Überraschend ist aus unserer Sicht, dass die Verfügbarkeit von Bauteilen und Material für die Projektentwickler kein so großes Problem darstellt“, sagt Weiss. Auch die Finanzierung der Vorhaben sei aus Sicht der Befragten nicht schwierig.
Die 23 Projektentwickler, die sich an der Umfrage beteiligt haben, stehen nach Angaben von McKinsey für etwa zwei Drittel des deutschen Marktvolumens.
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