Paris Sogar an den normalerweise herausgeputzten Pariser Touristenorten ist der Dreck sichtbar: Auf Trottoirs in Sichtweite des Eiffelturms stapeln sich schwarze Säcke mit Unrat, die Mülltonnen quillen über. Etwa 7000 Tonnen Abfall warten in der französischen Hauptstadt darauf, von der Straßenreinigung abgeholt zu werden. Doch niemand kommt.
Die Pariser Müllabfuhr beteiligt sich an den Streiks gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron – und erhält dabei Rückendeckung von Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Die Sozialistin, die 2022 selbst französische Präsidentin werden wollte, bei der Wahl aber krachend scheiterte, will nicht als Streikbrecherin dastehen.
Die Bürgermeisterin regiert seit 2014 mit dem Versprechen, die Hauptstadt grüner zu machen, mit weniger Autos und mehr Parks. In diesen Tagen wirkt Paris in einigen Gegenden aber eher wie eine Mülldeponie. Die wenigen Mitarbeiter, die nicht im Streik sind, kommen mit der Reinigung kaum nach – und konzentrieren sich so gut es geht auf Viertel im Stadtzentrum.
Seit nunmehr zehn Tagen streiken die Mitarbeiter der Müllabfuhr, und der Ärger über Hidalgo wächst. Frankreichs Verkehrsminister Clément Beaune, der auch einen Wahlkreis in Paris vertritt, warf der Bürgermeisterin Untätigkeit vor. „Das Problem ist nicht, dass die Müllabfuhr streikt, sondern dass sich Anne Hidalgo im Streik befindet“, sagte er dem Sender France 2.
Für Beaune entwickeln sich die Müllberge und die damit verbundene Rattenplage zu einer Frage der „öffentlichen Gesundheit“. Der Vertraute von Macron, dem Ambitionen auf das Amt des Pariser Bürgermeisters bei den nächsten Kommunalwahlen 2026 nachgesagt werden, kritisierte: „Die Hauptstadt ist ein einziger großer Freiluft-Mülleimer geworden.“
Am Dienstag erklärten Gewerkschaftsvertreter der Müllabfuhr, den Streik mindestens bis zum 20. März fortzusetzen. Die einzige der vier Müllverbrennungsanlagen im Pariser Umland, die derzeit noch läuft, ist vollkommen überlastet.
Frankreichs Innenministerium schaltet sich ein
Der französische Innenminister Gérald Darmanin meldete sich am Dienstagabend einem Bericht des Nachrichtensenders BFM zufolge persönlich bei Hidalgo. In einem Telefonat habe Darmanin die Bürgermeisterin aufgefordert, die städtischen Reinigungskräfte zum Dienst zu verpflichten. Außerdem habe der Minister die Polizeipräfektur der Hauptstadt angewiesen, sich im Rathaus für eine Dienstverpflichtung der Müllabfuhr starkzumachen.
Rechtlich können städtische Angestellte trotz Streik zur Arbeit verpflichtet werden, die Entscheidung darüber liegt aber bei der Bürgermeisterin. Hidalgo könnte auch ein privates Unternehmen mit der Säuberung der Straßen beauftragen.
Sollte sich Hidalgo den Bitten des Innenministeriums widersetzen, wäre es denkbar, dass der Staat über die Polizeipräfektur die Müllabfuhr in den Einsatz zwingt – zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
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Hidalgo ist bemüht, fest an der Seite der Proteste gegen Macrons Rentengesetz zu stehen. „Diese soziale Bewegung hat meine totale und vollständige Unterstützung“, sagte die Sozialistin und schob die Verantwortung dem Mitte-Bündnis von Macron zu. „Ich sage der Regierung: Diskutiert erst einmal untereinander und versucht zu verstehen, was diese Leute versuchen, Ihnen mitzuteilen. Und wir sprechen dann danach.“
Die Haltung im Pariser Rathaus ist: Auch die Hauptstadt sei „Opfer dieser Situation“, die durch Macrons Reform ausgelöst worden sei. „Wir tun unser Bestes, um mit dieser von der Regierung geschaffenen Lage umzugehen“, sagte Hidalgos Stellvertreter Emmanuel Grégoire.
Rentenreform gefährdet Sonderregelung für Mitarbeiter der Müllabfuhr
Außerdem wird in Hidalgos Umfeld darauf verwiesen, dass die Mitarbeiter der Müllabfuhr besonders unter der Reform leiden würden. Sie leisteten eine körperlich anstrengende Arbeit und hätten dadurch eine geringere Lebenserwartung. Daher sei es ungerecht, sie später in den Ruhestand zu schicken.
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Hintergrund der Streiks und Proteste, die Frankreich seit Wochen immer wieder lahmlegen, ist Macrons Plan für die Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Daneben will der Präsident auch Sonderregeln für bestimmte Berufsgruppen ändern – darunter die Angestellten der Müllabfuhr.
Sie können bisher mit 57 Jahren in Rente gehen. Sollte die Reform umgesetzt werden, würde sich ihre Altersgrenze auf 59 Jahre erhöhen. Macrons Gesetz wird gerade vom Parlament behandelt, noch in dieser Woche könnten Nationalversammlung und Senat es verabschieden. Eine knappe Mehrheit für die Reform gilt als wahrscheinlich, ist aber noch nicht gesichert.
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