Mar 17, 2023
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Bundestag: Abschied vom XXL-Parlament: Bundestag entscheidet über umstrittene Wahlrechtsreform

Written by pinmin

Berlin Nach einem langen und erbitterten Streit entscheidet der Bundestag an diesem Freitag über die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition. Das Vorhaben wird von Union und Linkspartei strikt abgelehnt. Mit der Reform soll der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag ab der nächsten Wahl dauerhaft auf 630 Mandate verkleinert werden.

Ursprünglich wollte die Ampel das Parlament sogar wieder auf die im Bundeswahlgesetz genannte Sollgröße von 598 Abgeordneten reduzieren. Nachdem die Union den ersten Vorschlag von SPD, Grünen und FDP abgelehnt hatte, warteten die Ampel-Fraktionen mit der neuen Variante auf, die vor allem bei der CSU für noch mehr Zorn sorgt.

Erreicht werden soll die Verkleinerung des Parlaments, indem auf Überhang- und Ausgleichsmandate ganz verzichtet wird. Zudem soll laut dem Ampel-Entwurf eine strikte Fünf-Prozent-Klausel gelten. Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Nach Paragraf 1 des Bundeswahlgesetzes besteht der Bundestag aus 598 Abgeordneten. Allerdings steht dort auch die Formulierung „vorbehaltlich der sich aus diesem Gesetz ergebenden Abweichungen“. Für diese Abweichungen sorgen Überhang- und Ausgleichsmandate, die dazu geführt haben, dass der Bundestag mit heute 736 Abgeordneten so groß ist wie nie zuvor. In der 19. Wahlperiode von 2017 bis 2021 waren es noch 709, in der 18. Wahlperiode 631, in der 17. Wahlperiode 622 und in der 16. Wahlperiode 614 Abgeordnete.

Die Ursache

Bei der Bundestagswahl hat jede Wählerin und jeder Wähler zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt man in jedem der 299 Wahlkreise einen Abgeordneten direkt. Maßgeblich für die Sitze einer Partei im Parlament ist aber ihr Zweitstimmenergebnis.

>> Lesen Sie hier: FDP signalisiert im Streit um Wahlrecht neue Kompromiss-Bereitschaft

Nur: Gewinnt sie mehr Direktmandate, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen, darf sie diese sogenannten Überhangmandate behalten. Um die nach dem Zweitstimmenergebnis ermittelten Kräfteverhältnisse wieder herzustellen, bekommen die anderen Parteien dafür seit der Wahl 2013 Ausgleichsmandate.

Die Reform

Das neue Wahlrecht deckelt gewissermaßen die Zahl der Sitze im Bundestag bei 630. Gewählt wird nach wie vor mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr.

Entscheidend für die Stärke einer Partei im Parlament wird allein ihr Zweitstimmenergebnis sein. Auch die Grundmandatsklausel fällt weg. Nach ihr zogen Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter fünf Prozent lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen.

Bundestag

CDU, CSU und Linke halten das neue Wahlrecht für verfassungswidrig.


(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Jede Partei, die in den Bundestag will, muss künftig bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen bekommen. Mit einer kleinen Ausnahme: Parteien nationaler Minderheiten bleiben davon befreit.

Die Kritik

Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen – auch dann, wenn sie mehr Direktmandate holt. Dann gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Dies wird vor allem von CDU und CSU kritisiert. Dass die Grundmandatsklausel wegfällt, erzürnt neben der CSU auch die Linke.

Friedrich Merz

CDU-Chef Friedrich Merz sagte der „Welt“: „Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Koalition bereit ist, ihre Pläne für eine Wahlrechtsreform noch einmal zu überdenken.“


(Foto: IMAGO/Future Image)

CDU-Chef Friedrich Merz sagte der „Welt“: „Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Koalition bereit ist, ihre Pläne für eine Wahlrechtsreform noch einmal zu überdenken.“ Er werde die Debatte am Freitag im Bundestag verfolgen und gegebenenfalls vorschlagen, ob man über die Wahlrechtsreform „nicht in der kommenden Woche noch mal in Ruhe reden will“, sagte Merz, der auch Unionsfraktionschef ist.

Linken-Chef Martin Schirdewan sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Der Bundestag muss kleiner werden. Aber der Vorschlag der Ampel enthält fatale Fehler. Mit der geplanten Reform sollen politische Mitbewerber der Ampel aus dem Parlament gekegelt werden, indem die Grundmandatsklausel gestrichen werden soll.“

>> Lesen Sie hier: Streit über Verkleinerung des Bundestags – Union und Linke gegen Ampel-Plan

Hätte die CSU bei der Bundestagswahl 2021 nicht bundesweit 5,2 Prozent geholt, sondern 4,9 wie die Linke, wäre keiner ihrer 45 erfolgreichen Direktkandidaten in den Bundestag gekommen. Die Linke wäre natürlich auch draußen.

Die Folgen

Bei der Bundestagswahl 2021 holte die SPD 206 Mandate, die CDU 152, die CSU 45, die Grünen 118, die FDP 92, die AfD 83 und die Linke 39 Mandate. Der SSW als Partei der dänischen Minderheit gewann einen Sitz. Der Wahlrechtsforscher Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung hat ausgerechnet, welche Folgen es gehabt hätte, wenn das neue Recht schon damals angewandt worden wäre.

>> Lesen Sie hier: Deutschland unternimmt noch zu wenig gegen Korruption

Dann sähe die Sitzverteilung so aus: SPD 188, CDU 138, CSU 38, Grüne 107, FDP 83, AfD 75, SSW 1. Das zeigt, dass die Argumentation der Ampel-Koalition stimmt, alle Parteien müssten gleichermaßen zur Verkleinerung des Bundestags beitragen. Wobei die Kritik der Linken nachvollziehbar ist, dass sie besonders getroffen würde.

Das Bundesverfassungsgericht

CDU, CSU und Linke halten das neue Wahlrecht für verfassungswidrig. Sie wollen es daher von Karlsruhe überprüfen lassen. Wie jede Bürgerin und jeder Bürger können Abgeordnete beim höchsten deutschen Gericht eine Verfassungsbeschwerde einreichen und erklären, dass sie in ihren Grundrechten verletzt worden seien.

Die Unionsfraktion könnte auch eine abstrakte Normenkontrolle anstrengen, bei der das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit der neuen gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz prüfen würde. Für einen entsprechenden Antrag wäre ein Viertel der Mitglieder des Bundestags nötig.

Mehr: 630 Sitze fix und keine Übergangsmandate mehr – Die wichtigsten Antworten zur Wahlrechtsreform



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