Mar 17, 2023
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Berlin: Posse zwischen Lindner und Scholz um Erweiterungsbau für Kanzleramt

Written by Martin Greive

Berlin Christian Lindner (FDP) sitzt in der TV-Sendung „Maischberger“. Es geht um das liebe Geld, der Bundesfinanzminister ringt derzeit mit seinen Kollegen um den neuen Bundeshaushalt.

Umso überraschter war man im Kanzleramt über Lindners Aussagen am Mittwochabend bei Sandra Maischberger. „Ich glaube, dass in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten ein mindestens 800 Millionen teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich ist“, sagte Lindner.

Der Finanzminister bezog sich damit auf den geplanten Ausbau der Regierungszentrale und fügte mit Blick auf Scholz süffisant hinzu: „Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe.“

Im Kanzleramt war man tatsächlich missvergnügt, dass Lindner ausgerechnet Scholz indirekt der Verschwendung von Steuergeldern bezichtigt. Denn nicht nur, dass Lindner den Anbau des Kanzleramts bislang mitgetragen hatte. Der Finanzminister plant gerade selbst einen großzügigen Ausbau seines Bundesfinanzministeriums.

Wenige Stunden vor Lindners Auftritt bei Maischberger sitzt Lindners Staatssekretär Florian Toncar (FDP) am Mittwochnachmittag im Haushaltsausschuss des Bundestags. Und stellt in der Sitzung gleich zwei große Bauvorhaben des Bundesfinanzministeriums vor.

Lindner plant 500 Millionen Euro teuren Neubau

So soll direkt gegenüber dem Bundesfinanzministerium für rund 500 Millionen Euro ein Neubau mit 910 Büroarbeitsplätzen entstehen. Ein „modernes Verwaltungsgebäude“, das die derzeit auf sechs Standorte verteilten Beschäftigten des Bundesfinanzministeriums zentral unterbringt, wie das Bundesfinanzministerium das Vorhaben bewirbt.

Schon länger kritisieren Steuerzahlerbund und Bundesrechnungshof die kostspieligen Neubauvorhaben. In der Öffentlichkeit wurden die Baupläne aber nie groß diskutiert.

Bis zu den Aussagen Lindners. Nun sei die Debatte in Fahrt gekommen und nehme leider „Züge einer Posse“ an, sagt ein Regierungsmitglied. Ein anderer Beamter spricht von „blankem Populismus“, den Lindner betreibe.

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Alle Ministerien stockten zuletzt kräftig Personal auf. In diesem Jahr werden die Bundesministerien nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes erstmals mehr als 30.000 Beamte beschäftigen. Und die müssen alle untergebracht werden.

Das gilt insbesondere für das Bundeskanzleramt. Als Gerhard Schröder 2001 den Neubau bezog, beschäftigte das Kanzleramt 410 Mitarbeiter. Ausgelegt war die „Waschmaschine“, wie die Berliner den Bau nennen, auf maximal etwa 500 Beschäftigte – wenn alle zusammenrückten.

Am Ende der Amtszeit von Angela Merkel saßen im Kanzleramt aber schon bald doppelt so viele Beamte wie zu Schröders Zeiten, nämlich 830.

Scholz stockt weiter Personal auf

Das Kanzleramt ist einer Regierungssprecherin zufolge „in den letzten 20 Jahren seit dem Berlin-Umzug aufgabenbedingt auf die jetzige notwendige Größe angewachsen“.

So wurden etwa im Bundeskanzleramt die Abteilungen, die sich mit Europapolitik oder Digitalisierung beschäftigen, ausgebaut. Gemessen an anderen Ministerien ist das Haus von Scholz in einigen Bereichen tatsächlich noch immer überraschend klein.

So beschäftigen sich etwa nur rund 15 Mitarbeiter mit Verteidigungsfragen. Selbst im direkten Umfeld des Kanzlers sind die Referate keinesfalls üppig bestückt. Scholz fand bei Amtsantritt nicht einmal ein richtiges Redenschreiber-Referat vor.

Scholz stockt das Personal deshalb weiter auf. Allerdings sind schon jetzt viele Mitarbeiter des Kanzleramts aus Platzmangel in anderen Gebäuden untergebracht, die sich über die gesamte Hauptstadt verteilen.

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Das wollte bereits Merkel ändern. 2016 ließ sie einen Anbau planen, 2019 wurden die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Eingangsbereich des Bundeskanzleramts steht ein Modell des spektakulären Erweiterungsbaus, das Besuchern stolz vorgeführt wird.  

Erweiterungsbau Kanzleramt

Abrissarbeiten zur Vorbereitung des Vorhabens haben bereits begonnen.


(Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler)

So wird eine neue Kanzlerwohnung mit großzügiger Loggia in dem Neubau entstehen, eine Kanzler-Kita, neun fünfgeschossige Wintergärten, ein neues IT-Zentrum sowie ein architektonisch eindrucksvoller Hubschrauber-Landeplatz. Nachteil: Die Wege sind weit, der Fußweg von einem Gebäude ins andere beträgt etwa 15 Minuten, weil zunächst über eine Brücke die Spree überquert werden muss.

Wie es bei öffentlichen Bauprojekten häufig der Fall ist, wurde der Bau deutlich teurer als ursprünglich geplant. Statt 460 Millionen rechnet die Bundesregierung inzwischen mit Kosten in Höhe von 777 Millionen Euro, unter anderem wegen stark steigender Baupreise. Weitere Kostensteigerungen nicht ausgeschlossen.

FDP will mit gutem Beispiel vorangehen

Da nun im Haushalt gespart werden muss, findet die FDP, die Politik solle mit gutem Beispiel vorangehen. So sagt FDP-Chefhaushälter Otto Fricke: „Der Vorschlag von Christian Lindner verbildlicht das aktuell notwendige Mindset. Es muss alles auf den Prüfstand, der Ausbau des Kanzleramts genauso wie der Ausbau des Finanzministeriums.“

Das sieht die SPD anders. „Wir gehen davon aus, dass die aktuellen Bauplanungen der Bundesregierung Bestand haben“, sagt deren Chefhaushälter Dennis Rohde.

Der Bundesfinanzminister habe die zuständigen Parlamentarier bis heute nicht über Anpassungen informiert. „Im Gegenteil, erst gestern hat er Bauvorhaben im Wert von 1,5 Milliarden Euro in seinem Geschäftsbereich im Haushaltsausschuss beraten lassen.“

Bereits im vergangenen Sommer hatte Scholz in einem ZDF-Interview ein vermeintliches Machtwort zum Kanzleramts-Anbau gesprochen. „Eine lange vorbereitete Planung, die schon sehr weit fortgeschritten ist, muss auch zu Ende geführt werden“, hatte Scholz erklärt. An dieser Haltung hat sich laut Kanzleramt nichts verändert.

So sind die Vorarbeiten für den Erweiterungsbau längst in vollem Gange, Baubeginn soll noch dieses Jahr sein. Die Planung hat schon jetzt viele Millionen verschlungen. Würde das Projekt nun gestoppt, wäre das Geld weg. „Und dann würde uns das wieder vorgeworfen“, klagt ein Regierungsmitglied.

Außerdem sehe es komisch aus, ein Projekt der Vorgängerregierung über den Haufen zu werfen, so etwas mache man politisch eigentlich nicht. Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies am Freitag auf die „klare Beschlusslage“.

Das Argument Lindners, der Anbau sei wegen verstärkter Arbeit aus dem Homeoffice nicht notwendig, weist man im Kanzleramt ebenfalls zurück. So hatte Lindner bei Maischberger erklärt, in seinem Haus würden trotz Pandemie-Ende weiterhin 65 Prozent seiner Mitarbeiter von zu Hause oder von unterwegs arbeiten.

Zwar arbeiteten auch Mitarbeiter des Bundeskanzleramts im Homeoffice. Wegen der „speziellen Arbeitsabläufe in einer Regierungszentrale und aufgrund von Geheimhaltungsvorschriften“ sei aber „auch ein Arbeiten in Präsenz erforderlich“, sagt eine Regierungssprecherin. Deshalb könne „nicht im großen Umfang auf Büroräume verzichtet werden“.

Im Kanzleramt wundert sich so mancher über die Aussagen des Finanzministers. Denn selbst wenn die Neubaupläne tatsächlich gestoppt würden, brächte das dem Bundeshaushalt kaum Entlastung. Oder wie es ein Beamter formuliert: „Es gibt im Bundeshaushalt wahrlich größere Baustellen als das Kanzleramt.“

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