Mar 17, 2023
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Verteidigungsbündnis: Türkei unterstützt Nato-Beitritt Finnlands – Schweden muss warten

Written by Ozan Demircan

Istanbul, Stockholm Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat grünes Licht für den Nato-Beitritt Finnlands gegeben. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem finnischen Amtskollegen Sauli Niinistö erklärte Erdogan in Ankara, dass Finnland die notwendigen Schritte unternommen habe, um die Sicherheitsinteressen der Türkei zu gewährleisten.

Deshalb werde sein Land den Ratifizierungsprozess einleiten. Das türkische Parlament will am 27. März darüber abstimmen, erklärte Erdogan.

Die Diskussionen mit Schweden über einen Nato-Beitritt des Landes würden weitergeführt. Gleichwohl erneuerte Erdogan seine Kritik an Schweden im Umgang mit Mitgliedern der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in Schweden im Exil leben.

Schweden und Finnland hatten sich 2022 nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine um eine Aufnahme in die Nato beworben. Damit es dazu kommt, müssten alle 30 Mitgliedstaaten des Bündnisses zustimmen. Bis auf die Türkei und Ungarn haben alle Nato-Mitglieder grünes Licht für den Beitritt der beiden nordeuropäischen Länder gegeben.

Während Ungarn den Anträgen nach noch unbestätigten Meldungen Ende des Monats zuzustimmen will, hat die Türkei Bedingungen gestellt, darunter die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen und die Auslieferung türkischer Staatsbürger, die in der Türkei als Terroristen gesucht werden. Finnland und Schweden haben ein Abkommen mit der Türkei unterzeichnet, um die Einwände Ankaras auszuräumen.

Die beiden Staatsoberhäupter beim Abschreiten der militärischen Ehrenformation

Das türkische Parlament soll Ende März darüber abstimmen, ob das Land den finnischen Nato-Beitritt akzeptiert.


(Foto: AP)

Während die Türkei schon vor einigen Wochen signalisiert hatte, dass sie einem finnischen Beitritt zum nordatlantischen Bündnis zustimmen werde, äußerte sich Erdogan immer wieder kritisch zu einem schwedischen Nato-Beitritt. Grund dafür waren Koran-Verbrennungen eines rechtsextremen Politikers sowie das Aufhängen einer Erdogan-ähnelnden Puppe vor dem Stockholmer Rathaus.

Erdogan kritisiert Schweden immer wieder scharf

Außerdem beschuldigte Erdogan Schweden, dass das Land „Terroristen“ beherberge. Er meinte damit Mitglieder der in der EU verbotenen PKK und forderte die Auslieferung von rund 130 Mitgliedern dieser Gruppe. Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson gab daraufhin fast schon resigniert zu, dass die Türkei „Dinge haben will, die wir nicht geben können oder wollen“.

Aber er sagte auch: „Wir sind davon überzeugt, dass die Türkei die Ratifizierung beschließen wird, wir wissen nur nicht wann“. Jetzt sieht es nach Meinung der meisten Beobachter so aus, dass Schweden noch einige Monate auf die Zustimmung aus Ankara warten muss. Möglicherweise wird es nicht einmal bis zum Nato-Gipfel im Juli in Vilnius klappen.

Bis zuletzt hatten die Regierungen in Helsinki und Stockholm immer wieder den Wunsch nach einem gemeinsamen Beitritt betont. „Hand in Hand“ wolle man dem Bündnis beitreten, betonten Finnlands Regierungschefin Sanna Marin und ihr schwedischer Amtskollege Kristersson.

Sanna Marin und Ulf Kristersson

Schweden und Finnland hatten lange betont, gemeinsam der Nato beitreten zu wollen.


(Foto: AP)

Als sich immer mehr abzeichnete, dass ein gemeinsamer Beitritt nicht möglich sein wird, bereitete Kristersson seine Landleute auf einen späteren schwedischen Beitritt vor. „Die Chancen für einen früheren finnischen Beitritt sind gestiegen, aber wir sind auf diese Situation vorbereitet“, sagte er diese Woche.

Dass Finnland mit dem Nato-Beitritt nicht länger auf Schweden warten will, liegt hauptsächlich an der geopolitischen Situation. Das Land hat eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland und fühlt sich nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine bedroht. Die Nato hat immer wieder die Bedeutung eines Beitritts von Finnland und Schweden zum Bündnis betont.

Besonders Finnland würde die Nato mit 23.000 Berufssoldaten und 280.000 Wehrpflichtigen deutlich verstärken. Außerdem verfügt das Land über 870.000 Reservisten. Schweden hat bedeutend weniger aktive Streitkräfte, kann dafür aber mit Gotland aufwarten, der größten Ostseeinsel, die enorme strategische Bedeutung für die Kontrolle der Ostsee und die eventuelle Verteidigung der baltischen Länder hat.

Dass Erdogan gerade jetzt dem finnischen Beitritt zustimmen will, hat auch mit dem Wahlkampf in seinem Land zu tun. In der Vergangenheit wählte der Staatschef eine anti-westliche Rhetorik, um nationalistische Wähler hinter sich zu versammeln. Nach einer verheerenden Erdbebenserie im Südosten des Landes mit mehr als 48.000 Toten steht Erdogan außerdem wegen des anfangs schwachen Krisenmanagements in der Kritik.

Die Türkei richtet sich nach Westen aus

Doch gerade jetzt vollzieht Erdogan mit seiner Zustimmung einen außenpolitischen Schwenk – und zwar in Richtung Westen und Nato.

Finnische Soldaten

Die finnische Armee verfügt über mehr als 800.000 Reservisten.


(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Das gilt nicht nur für den finnischen Beitritt zum Bündnis. Seit Ausbruch des Krieges hatte die Türkei neben anderen Ländern wie Armenien hunderte Millionen US-Dollar damit verdient, sanktionierte Waren über ihr Staatsgebiet nach Russland weiterzuverkaufen. Seit einigen Tagen stoppen türkische Zollbehörden allerdings den unkontrollierten Transit westlicher Waren über die Türkei nach Russland. Zuvor hatten Beamte der EU und aus den USA monatelang Druck auf die Türkei ausgeübt.
>> Lesen Sie auch: Türkei stoppt Transit sanktionierter Waren nach Russland

Das plötzliche Einlenken auf den westlichen Kurs muss man auch im Lichte der Beziehungen der Türkei zu Russland betrachten. Die Türkei hatte vor allem zu Beginn des Krieges eine neutrale Haltung eingenommen. So durften auch 2022 Millionen Russinnen und Russen in der Türkei Urlaub machen, während ihre Einreise in die meisten europäischen Länder verboten war.

Außerdem importierte die Türkei viel Gas aus Russland – zu einem reduzierten Preis. Der bilaterale Handel zwischen der Türkei und Russland hatte sich im ersten Kriegsjahr verdreifacht.

Das lag jedoch – entgegen vieler Erklärungsversuche – weniger an einer anti-westlichen Haltung, sondern an anderen Erwägungen. Die Regierung in Ankara wollte die politischen und finanziellen Auswirkungen des Krieges auf die Türkei minimieren und Jobs im eigenen Land retten. Außerdem konnte die Türkei mit ihrer Vermittlerrolle beweisen, dass sie als Mittelmacht zur Konfliktlösung beitragen kann.

Ankara handelt opportunistisch

Doch je länger der Krieg andauerte, desto stärker verschwammen die Vorteile einer neutralen Haltung der Türkei. Außerdem kann niemand sagen, wie lange der Krieg noch andauern wird. Es ist damit für die Regierung Erdogan wieder opportun geworden, sich stärker dem Westen zuzuwenden.

Die Vorteile dieser Kooperation liegen auf der Hand. Europa und die USA sind zusammen genommen immer noch der mit Abstand größte Handelspartner der Türkei. Und trotz aller Streitigkeiten ist die Nato auch für die Türkei ein verlässlicher Sicherheitsgarant.

Mehr: Wie Europa die Sommeroffensive der Ukraine unterstützen will



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