Seoul Sie spaziert Hand in Hand mit ihrem Vater vor einer startbereiten Rakete entlang, begleitet ihn zu einer Artillerie-Schießübung oder klatscht beim gemeinsamen Besuch einer Militärparade lächelnd in die Hände. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach mit seiner Tochter in der Öffentlichkeit gezeigt – überwiegend in militärischer Umgebung.
Dabei ist das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren laut Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes vermutlich erst zehn oder elf Jahre alt. Es soll demnach auf den Namen Ju Ae hören und eines von möglicherweise drei Kindern Kims und seiner Frau Ri Sol Ju sein.
Der unerwartete, von den Staatsmedien dokumentierte Auftritt des Mädchens erstaunt die Beobachter im Ausland. Im weithin verschlossenen Nordkorea zeigen sich Machthaber gewöhnlich nicht öffentlich mit ihren Kindern. „Dass Kim Jong Un mit seiner Tochter auftritt, ist etwas Neues“, sagt der langjährige Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, Bernhard Seliger.
Nordkorea: Wird die „geliebte Tochter“ des „obersten Führers“ seine Nachfolgerin?
Ihre Auftritte schürten im Ausland neue Spekulationen um die Pläne Kims. Will er seine Tochter zu seiner Nachfolgerin aufbauen in dem Land, das auch als kommunistische Erbdiktatur beschrieben wird, wie manche Experten in Südkorea mutmaßen? Oder ist sie letztlich nur Teil einer Propagandaoffensive?
Nordkorea selbst gab bisher keine anderen Informationen über das Kind preis, als dass es die „geliebte“ Tochter Kim Jong Uns sei. Auch am Freitag nicht, als die offizielle Zeitung „Rodong Sinmun“ Bilder von ihr zeigte, wie sie ihren Vater abermals zum Test einer Interkontinentalrakete begleitete.
Die Staatsmedien hatten im November erstmals Fotos der Tochter veröffentlicht. Dass Kim damals den Test einer Interkontinentalrakete zu einem Familienausflug nutzte, werteten Beobachter auch als Propagandakniff. Kim wolle die Botschaft vermitteln, dass der Aufbau einer Atomstreitmacht trotz teils großer Not im eigenen Land der richtige Weg zum Schutz künftiger Generationen sei. Der Ostasien-Experte John Delury schrieb auf Twitter, die Botschaft hinter den Bildern sei: „Er ist ein guter Vater, der seine Familie schützt, wie er auch die Nation schützt.“
Für die Führung des Landes gelten Atomwaffen, und Interkontinentalraketen als Träger, als Überlebensgarantie und wirksame Abschreckung gegen die USA. Für seine Kernwaffenentwicklung, die von den USA und ihren Verbündeten als ernste Bedrohung wahrgenommen wird, nimmt Pjöngjang auch heftige internationale Sanktionen in Kauf. Erst am vergangenen Donnerstag und am Sonntagmorgen hatte Nordkorea erneut jeweils eine Interkontinentalrakete testweise abgefeuert.
Südkoreas Geheimdienst berichtete zuletzt vor Abgeordneten in Seoul, Ju Ae besuche keine öffentliche Schule, werde privat unterrichtet und ihre Hobbys seien Reiten, Skifahren und Schwimmen. Das einzige, was bestätigt werden könne, sei, dass Kim Jong Un eine Tochter habe, die Ju Ae heiße und die eine jüngere Schwester habe, sagte dazu ein Regierungsbeamter in Seoul.
Selbst, ob es noch ein „erstgeborenes Kind“ gebe und ob dieses ein Junge oder ein Mädchen sei, könne nicht eindeutig gesagt werden.
Patriarchale Ausrichtung Nordkoreas spricht gegen eine Nachfolgerin
Für die meisten Beobachter steht jedoch außer Zweifel, dass auch Kim Jong Un die dynastische Erbfolge fortsetzen will. Es sei aber zu früh, die Tochter als potenzielle Nachfolgerin zu sehen, sagte jüngst Südkoreas Vereinigungsminister Kwon Youn Se in einem lokalen Radiointerview. „Zunächst, Kim Jong Un ist erst etwa 40 Jahre alt.“ Auch sei Nordkorea extrem patriarchal eingestellt, was eher gegen eine Nachfolgerin spreche. Es sei aber auch klar, „dass sie (Nordkorea) einen Machttransfer in vierter Generation planen“, sagte Kwon in Anspielung auf die Machtübergabe an Kim Jong Un – einem Enkel des „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung – vor zwölf Jahren.
Nordkorea-Experte Bernhard Seliger vermutet, für die Auftritte der Tochter gebe es mehrere Gründe. So sei es möglich, dass sich Kim in ihrer Begleitung schlicht menschlicher zeigen wolle. Am wahrscheinlichsten sei es aber, dass Kim die Tochter auf eine bestimmte Rolle vorbereite, ohne sie unbedingt als Nachfolgerin vorzusehen. So könne sie in die Rolle einer „möglichen Stütze des künftigen Erben“ schlüpfen, so Seliger.
Er verweist darauf, dass Ju Ae auch schon auf Briefmarken verewigt wurde, die sie zusammen mit ihrem Vater zeigen. „Briefmarken sind für Nordkorea ein sehr wichtiges Propagandamittel.“ Die Abbildung einer bestimmten Person könne schon die Bestätigung einer offiziellen Rolle sein. Aber auch die Nachfolge-These will Seliger nicht von der Hand weisen. Wichtig sei für Pjöngjang, dass die „Blutlinie der Herrscherfamilie“ fortgesetzt werde. Das müsse nicht unbedingt ein Mann sein.
Beobachter vermuten, dass die Diskussion um die Tochter auch bei den gewöhnlichen Nordkoreanern angekommen ist. „Aber wie sie ankommt, ist eben die Frage“, sagt Seliger. Am Ende bleibe vieles im Dunkeln. „Wir müssen feststellen, dass wir letztlich zu wenig über die Hintergründe wissen.“
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