Berlin Die Bundesregierung sollte nach Überzeugung des Ökonomen Tom Krebs ihre Eigentümerrolle bei den verstaatlichten Energiekonzernen Sefe und Uniper aktiv nutzen, um die Transformation der Energiewirtschaft voranzutreiben. Krebs weist den beiden Unternehmen dabei klare Aufgaben zu: Uniper solle sich auf die Produktion und Einfuhr von grünem Wasserstoff sowie den Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke fokussieren, Sefe solle eine zentrale Rolle bei der Einfuhr von grünem Wasserstoff sowie beim Transport und bei der Speicherung von Wasserstoff spielen.
Das steht in einem noch unveröffentlichten Gutachten, das der Professor für Makroökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim für die Heinrich-Böll-Stiftung geschrieben hat. Der Fokus auf diese beiden Kernbereiche sei „sowohl betriebswirtschaftlich als auch gesamtgesellschaftlich vernünftig“, heißt es darin.
Krebs wünscht sich für den Aufbau eines Wasserstoff-Fernleitungsnetzes eine zentrale Rolle der öffentlichen Hand. Ökonomische Gründe sprächen dafür, eine Bundesgesellschaft zum Aufbau eines Wasserstoffnetzes zu gründen. Diese öffentliche Netzgesellschaft solle in Form einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) eng mit den existierenden Gasnetz-Gesellschaften zusammenarbeiten, empfiehlt Krebs.
In diesem Zusammenhang kommt Sefe ins Spiel: Das Unternehmen, das früher Gazprom Germania hieß, ist Miteigentümer des Gas-Fernleitungsnetzbetreibers Gascade. Gascade plant, bestehende Erdgasnetze für den Wasserstofftransport umzuwidmen. Damit trägt Sefe den Kern einer staatlichen Wasserstoff-Netzgesellschaft also bereits in sich. Krebs sieht das als Chance, die der Bund nutzen sollte.
Der Bund hatte Sefe und Uniper im vergangenen Jahr verstaatlicht. Hintergrund waren die Schwierigkeiten der beiden Unternehmen, ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Uniper und Sefe gehören zu den größten europäischen Gasimporteuren. Beide Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren große Mengen an russischem Erdgas importiert.
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Nachdem Russland seinen Gasexport nach Europa im Zuge des Ukrainekriegs fast komplett eingestellt hatte, mussten Uniper und Sefe kurzfristig Gas zu hohen Preisen einkaufen, um ihre Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Kunden erfüllen zu können. Allein Uniper musste mitunter mehrere Hundert Millionen Euro draufzahlen – und zwar pro Tag.
Es ist empirisch nicht belegt, dass der Staat immer der schlechtere Unternehmer ist. Tom Krebs, Professor für Makroökonomie und Wirtschaftspolitik an der Uni Mannheim
Die EU-Kommission hatte den Einstieg des Bundes bei Sefe und Uniper an Bedingungen geknüpft. So muss der Bund seine Beteiligung bis Ende 2028 auf 25 Prozent reduziert haben.
Stockender Ausbau des Glasfasernetzes dient als abschreckendes Beispiel
Nach Auffassung von Krebs sprechen drei Gründe dafür, eine staatliche Wasserstoff-Netzgesellschaft zu etablieren: Der Aufbau eines solchen Netzes sei „mit hohen Investitionskosten und einer anfänglich niedrigen Netzauslastung verbunden“, was die existierenden Netzbetreiber von Investitionen abhalte. Die Verzögerungen im Aufbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes und beim Ausbau der Stromtrassen seien „nur zwei von vielen Beispielen, dass die vermeintlich einfache Lösung mittels bereits etablierter, privater Unternehmen“ schädlich sein könne.
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Ein weiteres Argument für eine Wasserstoff-Netzgesellschaft seien die Einnahmen, die dem Staat im Fall einer privaten Lösung entgehen würden. Außerdem könne in Hinblick auf den Betrieb des Netzes argumentiert werden, dass ein privater Monopolist einen ineffizient hohen Preis für die erbrachte Dienstleistung verlange. Außerdem, so schreibt Krebs, sei „empirisch nicht belegt, dass der Staat immer der schlechtere Unternehmer ist“.
Die schnelle und effiziente Entwicklung der Energiewirtschaft hin zu Erneuerbaren kann nur über den Markt gelingen. Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
Solche Überlegungen sind nicht unumstritten. „Die schnelle und effiziente Entwicklung der Energiewirtschaft hin zu Erneuerbaren kann nur über den Markt gelingen. Staatswirtschaftsfantasien führen zu hohen Kosten, langsamen Verfahren und weniger Innovation“, sagt Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Habeck möchte eine schnelle Entscheidung
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits Ende 2022 eine staatliche Wasserstoffnetzgesellschaft ins Gespräch gebracht. Die Idee war auch Bestandteil eines ersten Entwurfs einer Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie.
Zuletzt hatte es in Koalitionskreisen geheißen, die Idee einer staatlichen Wasserstoffnetzgesellschaft werde nicht Bestandteil der Neuauflage der Wasserstoffstrategie. Sicher ist das aber nicht.
Habeck selbst hatte sich zuletzt nicht festlegen wollen. Der Staat dürfe sich nicht aus der Verantwortung ziehen, er könne sich „organisatorisch einbringen“. Man müsse schnell eine Entscheidung darüber treffen, wer Träger des Aufbaus einer Wasserstoffinfrastruktur werden solle, hatte der Minister Anfang März gesagt.
Innerhalb der Ampelkoalition könnte das Thema noch für Ärger sorgen. Die Liberalen lehnen eine staatliche Wasserstoffinfrastruktur ab. „Wir brauchen keine staatliche Wasserstoffwirtschaft oder Wasserstoffinfrastruktur, die Privatwirtschaft kann und wird hier für leistungsfähige Lösungen sorgen“, sagt FDP-Energiepolitiker Kruse.
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