Mar 21, 2023
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Arbeitskräfte: Wie deutsche Bürokratie die Einwanderung von Fachkräften erschwert

Written by Dietmar Neuerer

Berlin Deutschland war in der engeren Wahl. Aber am Ende entschieden sich die jungen Leute aus Bangladesch und Indien, die Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Ottawa traf, dann doch für ein Leben in Kanada. Denn dort sei es einfacher gewesen, ein Arbeitsvisum zu beantragen.

Gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist Heil über den Atlantik gereist, um sich anzuschauen, was Kanada als traditionelles Einwanderungsland besser macht als Deutschland. Sie wollen wissen, was die Bundesregierung, die noch in diesem Monat ihr Migrationsgesetz beschließen will, dort noch lernen kann.

Es gehe nicht nur darum, Gesetze zu ändern und aufgeschlossen für Einwanderung zu sein, zitiert die Deutsche Presse-Agentur den Minister. Vielmehr müssten auch praktische Probleme in der Verwaltung gelöst werden.

Es ließe sich einwenden: Dafür hätten Heil und Faeser aber nicht Tausende von Kilometern fliegen müssen, sondern sich quasi vor der eigenen Haustür informieren können, und zwar beim Landesamt für Einwanderung (LEA) in Berlin.

Die größte Ausländerbehörde der Republik ist für rund zwölf Prozent aller aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen im Bundesgebiet zuständig. Ihr Direktor Engelhard Mazanke weiß, wie die Einwanderung von Fachkräften erleichtert werden könnte, ohne auch nur einen Paragrafen zu ändern.

Mehr zur geplanten Einwanderungsreform:

Die Kultur des Misstrauens in der Einwanderungspolitik müsse enden, erklärt der Verwaltungschef im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Um die 0,1 Prozent der einwandernden Fachkräfte auszumachen, die vielleicht keinen echten Arbeitsvertrag in der Tasche oder eine Straftat begangen haben, überziehen wir 99,9 Prozent der Interessenten mit einem aufwendigen Verfahren, das dazu führt, dass diese Leute teilweise monate- oder jahrelang nichts von uns hören.“ Und dann wanderten sie eben nach Kanada, Großbritannien oder in andere Länder aus, wo es schneller gehe.

Wenn aber beispielsweise Bayer oder Siemens sich für einen ausländischen Bewerber entschieden hätten, dann könne man dem Unternehmen auch vertrauen, sagt Mazanke. „Dann müssen Ausländerbehörde und Arbeitsagentur nicht prüfen, ob alles in Ordnung ist oder das Gehalt angemessen.“

Was in Kanada besser läuft

Was Kanada besser macht, kann der LEA-Chef anschaulich beschreiben. Vereinfacht läuft das Verfahren dort so: Im Punkteverfahren erhalten Einwanderungsinteressenten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, danach gibt es die Option, zwei Jahre zu verlängern. Nach den fünf Jahren kommt dann im Regelfall die Einbürgerung.

In Deutschland läuft das Verfahren ungleich komplizierter. Ein Ausländer, der in Deutschland arbeiten möchte, stellt den Visumsantrag bei der Botschaft, nachdem er oft schon monatelang auf einen Termin gewartet hat. Die Auslandsvertretung schaltet je nach Fallkonstellation die Ausländerbehörde oder die Bundesagentur für Arbeit (BA) oder beide ein. Stimmen sie zu, erteilt die Botschaft ein Visum.

Im Regelfall aber nur für sechs Wochen, kritisiert Mazanke. Damit schöpfe Deutschland den europarechtlichen Rahmen bei Weitem nicht aus. Denn das Visum könnte auch direkt für bis zu ein Jahr erteilt werden.

Grünen-Digitalpolitikerin Misbah Khan

„Das Einwanderungssystem in Deutschland war noch nie so gestaltet, dass es auch wirklich attraktiv ist.“


(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Nach Ablauf der sechs Wochen muss der Einwanderungswillige dann noch einmal bei der Ausländerbehörde vorsprechen, die formal noch mal dasselbe prüft. Dann wird eine elektronische Aufenthaltskarte bei der Bundesdruckerei bestellt, was vier bis sechs Wochen dauern kann. Und danach muss der Eingewanderte erneut vorsprechen, um die Onlinefunktion der Karte freischalten zu lassen.

„Das Einwanderungssystem in Deutschland war noch nie so gestaltet, dass es auch wirklich attraktiv ist“, sagt dazu die Innen- und Digitalpolitikerin der Grünen, Misbah Khan. „Das können wir uns nicht länger leisten, denn wir stehen in einer globalen Konkurrenz um Arbeitskräfte.“

>> Lesen Sie hier: Welche Reformen die Bundesregierung bei der Fachkräfte-Einwanderung konkret plant

Nach den von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunkten soll es künftig maximal drei Monate dauern, bis eine ausländische Fachkraft ein beantragtes Visum auch in den Händen hält. Dies sei jedoch illusorisch, wenn das Verfahren nicht verschlankt und stärker digitalisiert werde, sagt Khan.

Das sieht die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ähnlich: „Wesentliches Hemmnis für die gezielte Erwerbsmigration sind die komplizierten und langwierigen Verwaltungsverfahren“, schreibt die BDA. Der politische Wille, an dieser Stelle entscheidend voranzukommen, sei in den Gesetzentwürfen nicht ausreichend erkennbar.

Kaum politischer Wille, die Verwaltungsverfahren entschieden anzugehen

Zwar sind mit der geplanten Einwanderungsreform eine Reihe von Verbesserungen geplant. So sollen beispielsweise die Fälle, in denen Auslandsvertretungen vor Erteilung eines Beschäftigungsvisums die Ausländerbehörden beteiligen müssen, deutlich reduziert werden. Auch die Zustimmung der BA soll seltener erforderlich sein als im aktuellen Recht.

Dies führe aber wiederum zu einem zusätzlichen Aufwand für die Ausländerbehörden, „da diese zumindest ein reduziertes Prüfprogramm bestimmter beschäftigungsbezogener Merkmale vornehmen müssen“, schreibt der Deutsche Städte- und Gemeindebund in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzesvorhaben.

Auf der anderen Seite lassen die Entwürfe für das neue Einwanderungsgesetz und die zugehörige Verordnung auch noch vieles offen. Zwar wird künftig in vielen Fällen auf den Nachweis der Gleichwertigkeit eines Abschlusses verzichtet, wenn ein Bewerber ein im Ausland erworbenes Zertifikat und angemessene Berufserfahrung mitbringt.

>> Lesen Sie hier: Bundesregierung hofft auf 50.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland pro Jahr

Wer aber künftig die Echtheit der ausländischen Abschlüsse prüfen solle, sei unklar, sagt Mazanke. „Macht das die Bundesagentur, die Kammer oder die Ausländerbehörde? Das lässt der Gesetzentwurf offen.“ Der Städte- und Gemeindebund wird an dieser Stelle deutlich: „Die Prüfung nicht akademischer Berufsabschlüsse auf Basis des Heimatrechts durch die Ausländerbehörden ist unmöglich“, schreibt er in seiner Stellungnahme.

Dass die geplante Einwanderungsreform wirklich schnell wirkt, bezweifelt der LEA-Chef ohnehin. Denn die erhofften Fachkräfte mit ihren Familienangehörigen träfen momentan auf eine Verwaltung im Krisenmodus. Deutschland hat seit Beginn des Ukrainekriegs 1,2 Millionen Geflüchtete aufgenommen.

Allein in Berlin wurden in einem Jahr mehr als 50.000 Aufenthaltserlaubnisse für Ukrainer erteilt. „Fachkräfte warten deshalb bei uns teilweise sechs Monate auf einen freien Termin“, sagt Mazanke. „Das ist keine Willkommenskultur.“

Mehr: Die Einwanderungsillusion – warum uns mehr Zuwanderung nicht vor dem Arbeitskräftemangel bewahren wird



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