Berlin Wenn der Familienrat neu gewählt wird, weiß David Klett, was danach folgt: zwei Wochen Papierkrieg. Das Vorstandsmitglied der Klett Gruppe, eines Bildungsunternehmens in vierter Generation, fühlt sich gegängelt. „Immer, wenn persönlich haftende Gesellschafter der Klett Gruppe neu bestimmt werden, müssen wir das unmittelbar an das Transparenzregister melden“, erklärt der 45-Jährige.
Bei rund 50 Kapitalgesellschaften, die unter der Familien-Kommanditgesellschaft in Deutschland hängen, ändere sich quasi ständig etwas. „Das bedeutet eine unendliche Klickerei in einem schlecht gemachten Portal“, so Klett. „Unsere Justiziarin und ihr Team sind dann sehr lange mit nichts anderem beschäftigt.“
Hintergrund ist die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Sie sieht vor, dass die EU-Staaten Transparenzregister führen, die Auskunft darüber geben, wem eine Firma tatsächlich gehört. Das soll Staatsanwaltschaften oder Steuerfahndern helfen, Firmengeflechte und wirtschaftliche Interessen von Einzelpersonen schnell zu durchschauen.
Ermittler und Antikorruptionsorganisationen loben die Datensammlung als wichtige Quelle, um Kriminellen auf die Spur zu kommen. Die Wirtschaft beklagt jedoch die bürokratische Umsetzung – insbesondere in Deutschland.
Eine neue Studie, die die Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben hat, zeigt: Schon jetzt ist die bürokratische Last durch die Umsetzung des Transparenzregisters in Deutschland besonders groß. Und droht zu einem noch größeren Problem zu werden.
Denn ab 31. März fällt die letzte Übergangsfrist für Aktiengesellschaften (AG), Europäische Gesellschaften (SE) und Kommanditgesellschaft (KG) auf Aktien. Danach kann das Bundesverwaltungsamt Bußgelder verhängen, wenn Firmen Meldungen falsch oder gar nicht ausführen. Außerdem steigen noch einmal die Meldepflichten.
„Wir sind die Leidtragenden“
Die Klett Gruppe mit Stammsitz in Stuttgart betreibt in 18 Ländern Europas dutzende Bildungsunternehmen. Vorstandsmitglied David Klett sagt: „An sich ist Transparenz ein ehrenwertes und richtiges Ziel.“ Aber in Sachen Bürokratie seien Firmen wie seine die Leidtragenden.
Konkret müssen Unternehmen ihre „wirtschaftlich Berechtigten“ an das Transparenzregister melden. Gemeint sind Eigentümer, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile halten, mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrollieren oder auf vergleichbare Weise Kontrolle ausüben. Gibt es keine entsprechenden natürlichen Personen, gelten die Mitglieder der Führungsebene als wirtschaftliche Eigentümer.
Seit etwa einem Jahr müssen alle Gesellschaften ihre Besitzer extra melden. Das Centre for European Policy Network (CEP) und die Prognos AG haben im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen gemessen, wie stark Firmen in vier EU-Ländern durch die Vorgaben des Transparenzregisters administrativ belastet werden.
Von der Verwaltung allein gelassen
Vor allem die Art der Datenübermittlung führt zu ganz unterschiedlich hohen Belastungen. Wichtig ist demnach ein einmaliger automatischer Registrierungsvorgang (Once-Only-Prinzip).
In der Studie heißt es: „Während die meisten Geschäftsbetriebe in Österreich dafür überhaupt keine Zeit aufwenden mussten, benötigten Firmen in Deutschland bis zu 45 Minuten für die Erstregistrierung, verglichen mit 20 Minuten in Frankreich und 32 Minuten für die etwa 20 Prozent österreichischen Unternehmen, die nicht an der automatischen Registrierung teilnehmen.“
So erfolgt in Österreich ein automatischer Datenaustausch zwischen „Firmenbuch“, dem dortigen Handelsregister und dem Transparenzregister. In Deutschland gibt es laut Analyse hingegen „eine deutlich höhere Belastung“.
Auch der Zeitdruck ist unterschiedlich stark: In Frankreich und Italien sind Änderungen innerhalb von 30 Tagen zu übermitteln, in Österreich innerhalb von vier Wochen. In Deutschland müssen Aktualisierungen „unverzüglich“ erfolgen, in Österreich existiert eine jährliche Überprüfungspflicht.
Die Forscher empfehlen ein einheitliches europäisches Transparenzregister, räumen aber ein, dass es sich um eine „langfristige Aufgabe“ handelt. Darum plädieren sie dafür, in den Ländern zumindest einen automatischen Datenaustausch einzurichten, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
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Der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, Rainer Kirchdörfer, berichtet, dass die Familienunternehmen das Transparenzregister „höchst ungern“ mit ihren persönlichen Daten befüllen. Dahinter stünden ihre „legitimen Bedürfnisse“ nach Sicherheit und Datenschutz. Kirchdörfer meint: „Dass es ihnen dann auch noch erhebliche und dauerhafte Bürokratielasten beschert, ist besonders ärgerlich.“
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisiert ebenfalls, dass der Wirtschaft immer neue Informationspflichten auferlegt würden, anstatt dass der Staat bereits vorhandene Daten mehrfach nutzt.
Korruptionsbekämpfer wie Transparency Deutschland sehen die Republik hingegen als „Geldwäscheparadies“ und beklagen nach wie vor eine fehlende Offenlegung von tatsächlichen Eigentümerstrukturen.
„Dies kann das Tor auch für mögliche illegale Vermögenstransfers wie Geldwäsche eröffnen“, sagte Transparency-Finanzexperte Stephan Klaus Ohme. Besitzverhältnisse würden nur oberflächlich erfasst und Daten oft nicht verifiziert. Die Nichtregierungsorganisation fordert darum, dass die Behörden die gemeldeten Eigentümer-Daten unabhängig überprüfen.
Mit Blick auf die Personendaten urteilte der Europäische Gerichtshof Ende November 2022, dass der elektronisch leicht zugängliche Datenabruf für jeden in den nationalen Transparenzregistern europarechtswidrig sei. Die EU muss nun ihre Geldwäsche-Richtlinie überarbeiten und die Privatsphäre von Firmeneigentümern besser schützen.
Ärgerliche Unstimmigkeitsmeldungen
Unternehmer Klett leidet noch unter einem anderen Umstand: Regelmäßig bekommt er Post vom Bundesanzeiger, der in Deutschland für das Betreiben des Transparenzregisters zuständig ist. Dann ist wieder eine „Unstimmigkeitsmeldung“ eingegangen. Klett berichtet: „Wir erhalten dann sehr lange Anweisungen, wie eine Berichtigung von Einträgen vorzunehmen ist.“
Hinter diesen bürokratischen Lasten steht, dass nach dem Geldwäschegesetz zum Beispiel Finanz- und Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Immobilienmakler oder Kunstvermittler die Angaben ihrer jeweiligen Geschäftspartner zu überprüfen haben. Meinen sie dabei Unstimmigkeiten zu erkennen, müssen sie diese – von April an zwingend – an das Transparenzregister melden. Die Folge: Immer wieder müssen Einträge überprüft, geändert und wieder geändert werden, bis keine „Unstimmigkeit“ mehr besteht.
„Außerdem werden wir jeweils aufgefordert, Kopien gültiger Ausweisdokumente der wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister zu senden“, sagt Klett. Das empfindet er nicht nur als Zeitkiller, sondern auch als Sicherheitsrisiko.
Hier meldet der Bundesanzeiger: „Nach erfolgten Aktualisierungen und Neueinstellungen ist es leider nicht mehr möglich, Dokumente auf der Plattform des Transparenzregisters hochzuladen.“ Darum müssen Ausweise oder Pässe eingescannt und in einer E-Mail übermittelt werden – oder als Papierkopie auf dem Postweg.
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