Mar 21, 2023
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Rentenreform in Frankreich: Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron wendet sich an die Nation

Written by Gregor Waschinski

Paris Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versucht nach dem knapp gescheiterten Misstrauensvotum gegen seine Regierung, wieder in die Offensive zu kommen. Während Macron bei der Verteidigung seiner umstrittenen Rentenreform bislang meist Premierministerin Élisabeth Borne vorschickte, will er sich am Mittwoch in einer Fernsehansprache selbst an die Franzosen wenden.

Die Ausschreitungen der vergangenen Tage dürften ihn dazu bewegt haben. Die Stimmung im Land ist aufgeheizt, Proteste schlugen mancherorts in Gewalt um.

Umfragen zufolge lehnt eine deutliche Mehrheit der Franzosen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre ab, die im Kern von Macrons Reform steht. Auch das Vorgehen des Präsidenten, das Gesetz mit einer Sondervollmacht ohne Abstimmung im Parlament durchzusetzen, stößt in der Bevölkerung auf großen Widerstand. Macron beriet am Dienstag mit Vertrauten über einen Ausweg aus der politischen Krise.

Französische Medien berichteten unter Berufung auf Teilnehmer, dass der Präsident keine Auflösung und Neuwahl der Nationalversammlung anstrebe. Auch eine Regierungsumbildung sei nicht geplant. Macron habe stattdessen um Vorschläge gebeten, um eine Agenda für die nächste Zeit zu erarbeiten.

Im Élysée-Palast ist man offenbar fest entschlossen, trotz der Streiks und Proteste an der Rentenreform festzuhalten. Dem Nachrichtensender BFMTV zufolge versuchte Macron, den knappen Ausgang des Misstrauensvotums vom Montagabend herunterzuspielen.

Emmanuel Macron

Frankreichs Präsident hält offenbar entschlossen an seinen Rentenplänen fest.



(Foto: dpa)

„Eine gewonnene Abstimmung kann nicht wie eine Niederlage dargestellt werden“, soll der Präsident laut Teilnehmern mit Blick auf den Vorsprung von nur neun Stimmen gesagt haben.

Macrons Mehrheitspläne sind in Gefahr

Macrons Mitte-Bündnis verfügt seit der Schlappe bei den Parlamentswahlen im vergangenen Sommer nicht mehr über eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung, der wichtigeren der beiden Parlamentskammern. Bei der Rentenreform hatte die Regierung eigentlich auf die Unterstützung der konservativ-bürgerlichen Republikaner gebaut, doch auch in ihren Reihen regte sich Widerstand.

Élisabeth Borne

Macrons Ministerpräsidentin kam bisher die Aufgabe zu, die Reformpläne im Parlament zu verteidigen.


(Foto: IMAGO/IP3press)

Da die Mehrheit für das Gesetz in der Nationalversammlung wackelte, entschied sich Macron, das umstrittene Gesetz ohne Votum der Abgeordneten durchzuboxen. Seine Premierministerin Borne berief sich dazu am vergangenen Donnerstag auf eine Sondervollmacht.

Der Verfassungsartikel 49.3 ermöglicht der französischen Regierung unter bestimmten Voraussetzungen, Gesetze ohne parlamentarische Zustimmung zu erlassen. Macrons Gegner stachelte das Vorgehen dagegen nur noch weiter an. Im Parlament wurden zwei Misstrauensanträge gestellt, der eine vom rechtsnationalen Rassemblement National (RN) und der andere von der kleinen Zentrumsfraktion Liot.

Neun Stimmen Vorsprung

Die Abstimmung über die Liot-Initiative war das entscheidende Votum am Montagabend: Das linke Oppositionsbündnis Nupes, das mit dem RN nicht gemeinsame Sache machen wollte, unterstützte diesen Antrag von Anfang an. Am Ende votierten auch der RN sowie ein Teil der Abgeordneten der Republikaner dafür, insgesamt 278 Stimmen kamen zusammen. Für einen Erfolg wären aber 287 Stimmen nötig gewesen, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung.

Die Linkspopulisten von „La France insoumise“ („Das unbeugsame Frankreich“), die im Parlament ein Bündnis mit Sozialisten und Grünen anführen, forderten Premierministerin Borne angesichts des knappen Ergebnisses zum Rücktritt auf. „Die Regierung hat in den Augen der Franzosen keine Legitimität mehr“, sagte Fraktionschefin Mathilde Panot.

Mathilde Panot (links)

Die linkspopulistischen „Unbeugsamen“ forderten nach dem gescheiterten Misstrauensvotum den Rücktritt von Macrons Regierung.


(Foto: IMAGO/IP3press)

Vom RN hieß es, dass die hauchdünne Ablehnung des Misstrauensvotums das soziale Klima im Land nicht befrieden und die politische Krise nicht lösen werde. „Die Franzosen sind mit großer Mehrheit gegen die Reform und werden sich bei der nächsten Wahl daran erinnern“, erklärte Fraktionschefin Marine Le Pen.

>> Lesen Sie hier auch: Marine Le Pen profitiert vom Streit um die Rentenreform

Das Linksbündnis und der RN wollen nun den Verfassungsrat anrufen, eine Art französisches Verfassungsgericht, das die Rechtmäßigkeit des Gesetzes prüfen soll. Auch die Regierung will schnell Klarheit: Borne erklärte, sie werde sich selbst an die französischen Verfassungshüter wenden, damit diese sich „so schnell wie möglich“ mit der Rentenreform befassen könnten.

Seit Macrons Entschluss, das Gesetz per Sondervollmacht durchzusetzen, haben sich die Proteste verschärft. Das Innenministerium zählte seit vergangenem Donnerstag landesweit mehr als 1200 nicht angemeldete Demonstrationen. In mehreren Städten brannten Mülltonnen und Barrikaden, die Polizei setzte Tränengas ein.

Hunderte Menschen wurden festgenommen. Laut Innenministerium erlitten mehr als 90 Polizisten Verletzungen. „La France insoumise“ kritisierte dagegen das Vorgehen des Staates: Es habe Polizeigewalt gegeben, Festnahmen seien unverhältnismäßig gewesen.

Gewerkschaften setzen Streiks fort

Die Gewerkschaften haben für Donnerstag zu einem landesweiten Protesttag aufgerufen, die Streiks sollen fortgesetzt werden. Die Regierung will die anhaltenden Streiks dagegen mit Dienstverpflichtungen brechen, etwa bei der Müllabfuhr in Paris und in blockierten Raffinieren.

Raffineriearbeiter blockieren die Zufahrt zu einem Öllager

Landesweit sind viele Franzosen im Streik.


(Foto: AP)

Die Rentenreform gilt als das wichtigste innenpolitische Vorhaben in Macrons zweiter Amtszeit. Die Franzosen sollen ab dem Jahr 2030 grundsätzlich erst mit 64 Jahren in den Ruhestand gehen. Dafür soll das Renteneintrittsalter von gegenwärtig 62 Jahren ab September 2023 schrittweise angehoben werden.

Großzügige Frühverrentungsregelungen für bestimmte Berufsgruppen will die Regierung abschaffen. Besonders langjährige Erwerbsbiografien sollen allerdings berücksichtigt werden: Wer mindestens 43 Beitragsjahre aufweist, kann unter bestimmten Umständen auch schon früher ohne Abschläge in Rente gehen.

Mehr: Macrons Regierung übersteht Misstrauensvotum – doch die Proteste gegen die Rentenreform halten an



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