Mar 21, 2023
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Altersversorgung: Warum Rentner trotz hoher Inflation von der Orientierung am Lohnniveau profitieren

Written by Frank Specht


Berlin Die angekündigte Rentenanhebung bleibt weiter hinter der erwarteten Inflation zurück, wie das Arbeitsministerium einräumt. Zwar steigen die Renten zum 1. Juli in Westdeutschland um 4,39 Prozent und im Osten um 5,86 Prozent. Sollte sich im laufenden Jahr aber die Inflationsprognose von 6,0 Prozent aus dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung bewahrheiten, dann drohen das dritte Jahr in Folge Kaufkraftverluste.

Denn schon in den zurückliegenden zwei Jahren waren die Preise schneller gestiegen als die Altersbezüge. 2022 fiel die Rentenanpassung mit 5,35 Prozent in Westdeutschland und 6,12 Prozent im Osten zwar so kräftig aus wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Die Preissteigerung lag aber mit 7,9 Prozent im Jahresdurchschnitt deutlich höher.

2021 kletterten die Preise mit 3,1 Prozent zwar noch relativ moderat. Allerdings mussten die West-Rentner in dem Jahr wegen des coronabedingt geringen Lohnwachstums eine Nullrunde hinnehmen. Im Osten wurden die Renten damals nur um 0,72 Prozent angehoben.

Wäre es also nicht besser, die Rente an die Entwicklung der Verbraucherpreise zu koppeln statt – wie in Deutschland – an die Löhne? Tatsächlich gehen viele Industrieländer diesen Weg, wie OECD-Sozialexpertin Monika Queisser am Dienstag bei einer Veranstaltung ihrer Organisation erläuterte.

Österreich beispielsweise schwenkte im Jahr 2004 auf die Preisindexierung um, weil die Orientierung an den Löhnen für die Rentenkasse schlicht zu teuer geworden war. Auch die von der damaligen deutschen Bundesregierung im Jahr 2018 eingesetzte Rentenkommission diskutierte lange über einen Systemwechsel, entschied sich letztlich aber dagegen.

Rentner profitieren von Lohn- und Produktivitätssteigerungen

Denn die Orientierung an den Löhnen führt auf lange Sicht zu deutlich höheren Rentensteigerungen als die Preisanpassung. Das liegt daran, dass in die Entwicklung der Arbeitseinkommen neben der Inflation auch der Produktivitätsfortschritt einfließt, von dem die Ruheständler so mitprofitieren.

Das Arbeitsministerium stellt denn auch klar, dass die augenblicklichen Kaufkraftverluste für die Ruheständler „nur eine Momentaufnahme“ darstellen. Blickt man auf die einzelnen Jahrzehnte seit dem Jahr 1960 zurück, dann gab es nur zwischen 2000 und 2010 eine Periode, in der die Preissteigerung die Rentenerhöhung auffraß.

Von 2010 bis 2022 seien die Standardrenten im Westen um mehr als 32 Prozent und im Osten um mehr als 47 Prozent gestiegen, rechnet die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), Gundula Roßbach, vor. „Der Anstieg lag damit deutlich über der Entwicklung der Inflation in diesem Zeitraum.“ Die Verbraucherpreise legten um rund ein Viertel zu.

Aus Sicht der Ruheständler hat sich die 1957 in Deutschland eingeführte Ausrichtung der Rente an der Lohnentwicklung also ausgezahlt. Bis 2025 gilt zudem, dass die Renten hierzulande bei Bedarf sogar stärker angehoben werden als die Löhne, wenn andernfalls das Rentenniveau unter 48 Prozent abzusinken droht.

Denn diese „Haltelinie“ hatte die Große Koalition bis 2025 ins Gesetz geschrieben – und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will sie mit seinem erwarteten zweiten Rentenpaket entfristen.

Andere Länder haben mehrmals im Jahr die Rente angehoben

Um die aktuell hohen Inflationsraten auszugleichen, sind die Industrieländer unterschiedliche Wege gegangen. Staaten mit Orientierung an den Verbraucherpreisen wie Österreich, Frankreich, Belgien oder die USA haben teils unterjährig Rentenanpassungen vorgenommen.

Andere Länder haben Einmalzahlungen geleistet, wie beispielsweise die 300 Euro Energiepreispauschale in Deutschland. Kanada hat Menschen über 75 einen Zuschlag zur Grundrente gewährt, die sonst an die Preise angepasst wird.

>> Lesen Sie hier: Rentenversicherungschefin erwartet steigende Renten und stabile Beiträge

Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer im Februar publizierten Studie herausgefunden hat, treffen die aktuell hohen Inflationsraten Rentnerhaushalte in vergleichbarem Maße wie die Gesamtbevölkerung. Blickt man auf das abgelaufene Jahr, dann waren anfangs Rentnerhaushalte mit niedrigerem Einkommen stärker belastet als die mit höheren Einkommen. Gegen Ende des Jahres kehrte sich das Bild allerdings um.

Der Anstieg lag damit deutlich über der Entwicklung der Inflation in diesem Zeitraum. Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund

Während bei den Einkommensschwächeren vor allem die Preissteigerungen von Nahrungsmitteln und Energie zu Buche schlugen, machte sich bei Ruheständlern mit mehr Geld die Inflation anteilig stärker in den Bereichen Verkehr und Freizeit sowie Unterhaltung und Kultur bemerkbar.

Auch die Art der Heizung spielt eine Rolle. Rentner mit Ölheizung trifft die Inflation härter als Ruheständler mit Fernwärmeanschluss.

Expertin spricht sich für differenziertere Rentenanpassungen aus

OECD-Expertin Queisser machte sich dafür stark, dass zumindest die bedürftigsten Rentner vollständig gegen die zeitweise hohe Inflation geschützt werden sollten. Dabei könne man durchaus auch reicheren Ruheständlern einen Beitrag abverlangen – etwa durch geringere Rentenanpassungen ab einer bestimmten Einkommensgrenze.

DRV-Experte Reinhold Thiede, der den Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung bei der Rentenversicherung leitet, warnte aber davor, im Angesicht hoher Preissteigerungen in Deutschland einfach pauschal niedrige Renten aufzuwerten. Denn für viele Ruheständler mache die gesetzliche Rente nur einen Teil der Alterseinkünfte aus.

Eine pauschale Aufwertung würde beispielsweise dazu führen, dass ein Pensionär, der vor seiner Verbeamtung nur ein paar Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat und eine entsprechend geringe gesetzliche Rente bekommt, Unterstützung erhielte, obwohl er ja seine Beamtenpension hat.

Mehr: Euro-Inflation schwächt sich ab – Kernrate aber auf Rekordhöhe



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