Berlin Ob beim autonomen Fahren, der Steuerung von Energienetzen oder der Koordination von Lieferketten: Die intelligente Nutzung von Daten wird in der Wirtschaft immer wichtiger. Zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wollen daher zusammen mit der Kommission eine digitale Infrastruktur für den Kontinent entwickeln lassen – Deutschland und Frankreich übernehmen dabei die Führungsrolle.
Rund zwei Jahre nach den ersten Planungen kann die Umsetzung beginnen: Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Projekt von SAP genehmigt, das die Grundlage für die neue Infrastruktur legen soll. Der Softwarehersteller könne jetzt noch „vor der finalen Beihilfeentscheidung der Europäischen Kommission mit seinem Vorhaben beginnen“, erklärte das Ministerium dem Handelsblatt – die steht noch aus.
„Schnelligkeit ist entscheidend für den Erfolg europäischer Industriepolitik“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem Handelsblatt. Das Projekt von SAP lege wichtige Grundlagen für die digitale Infrastruktur und viele dazugehörige Teilvorhaben, deshalb genehmige das Ministerium den Start. Für die Förderung von SAP und den weiteren geplanten Projekten nimmt die Bundesregierung insgesamt 750 Millionen Euro in die Hand.
Ziel des EU-Projekts ist, eine einheitliche Infrastruktur für den Datenaustausch in Echtzeit zu schaffen, unabhängig von einzelnen Anbietern und über Ländergrenzen hinweg. Das soll der Wirtschaft neue Geschäftsmodelle ermöglichen, beispielsweise in der Mobilitätsbranche und Energieindustrie oder im Gesundheitswesen.
Die Technologie dafür ist längst vorhanden. Unternehmen können Daten zentral in der Cloud verarbeiten oder in kleinen Rechenzentren vor Ort. Diesen Markt dominieren allerdings amerikanische Unternehmen wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft. In Berlin und Brüssel fürchtet man daher eine gefährliche Abhängigkeit – und will dagegenhalten.
Industriepolitik der besonderen Art
Dabei kommt ein besonderes Instrument der Industriepolitik zum Einsatz: Die EU deklariert die Entwicklung einer neuen Cloud-Infrastruktur als „Important Project of Common European Interest“, kurz IPCEI. Diese Einstufung als Projekt von einem gemeinsamen europäischen Interesse gibt Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die beteiligten Unternehmen entgegen den eigentlich geltenden EU-Regeln finanziell zu unterstützen.
Dank der Genehmigung aus Habecks Ministerium kann SAP auch ohne die finale Entscheidung der EU-Kommission mit der Arbeit beginnen.
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„Das IPCEI ist ein industriepolitischer Impuls, um die zunehmende Relevanz des Edge Computing zu adressieren“, sagt Lukas Klingholz, der beim Bitkom das Team Cloud und Künstliche Intelligenz leitet. Für viele Anwendungen sei eine dezentrale Datenverarbeitung vorteilhaft oder sogar unabdingbar, beispielsweise für die Datenanalyse in der Produktion oder das autonome Fahren.
Was für den Grünen-Politiker Habeck wichtig sein dürfte: Die IT-Branche verspricht, dass die dezentrale Datenverarbeitung für Energieeinsparungen sorgt – das Projekt soll damit zum „Green Deal“ der EU beitragen.
Die Förderung ist innerhalb der EU nicht unumstritten. Es gibt Interessenkonflikte zwischen Industrie und Wettbewerbspolitik, was sich an den langen Genehmigungsverfahren zeigt. Wirtschaftsminister Habeck macht deswegen Druck: Das IPCEI sei „ein zentrales Vorhaben für unser Ziel, die europäische digitale Souveränität auszubauen und zu sichern“. Die zügige beihilferechtliche Genehmigung“ habe daher „hohe Priorität“.
SAP entwickelt eine Blaupause
Dank der Genehmigung aus Habecks Ministerium kann SAP auch ohne die finale Entscheidung der EU-Kommission mit der Arbeit beginnen. Dem Softwarehersteller kommt in dem Konstrukt, an dem 150 Firmen und Forschungseinrichtungen aus zwölf EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind, eine besondere Rolle zu: Er soll eine Referenzarchitektur entwickeln, also eine Blaupause für die Infrastruktur.
Die Vision: Andere Cloud-Anbieter und IT-Dienstleister sollen diese Bausteine in ihren eigenen Rechenzentren verwenden und somit europaweit eine einheitliche Infrastruktur zur Verfügung stellen können. Bis zum produktiven Einsatz der Technologie dürfte es allerdings Jahre dauern. SAP erklärte auf Anfrage, dass das eigene Projekt erst einmal auf 4,5 Jahre ausgelegt sei.
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Das IPCEI ist mit einem anderen europäischen Großprojekt verzahnt: Es soll das Regelwerk nutzen, das das Konsortium Gaia-X entwickelt. Dabei dürfte helfen, das viele Unternehmen in beiden Projekten aktiv sind – teils sogar mit den gleichen Personen.
SAP ist auf die Steuerung von Geschäftsprozessen spezialisiert, im Supply Chain Management zählt der Konzern aus Walldorf zu den führenden Anbietern. Das Management um Vorstandssprecher Christian Klein investiert in diesem Bereich massiv, etwa mit der Plattform Catena-X, die der Automobilindustrie die Vernetzung erleichtern soll. Nun kommt ein weiteres Projekt hinzu.
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