Mar 24, 2023
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Indien: Parlament wirft Oppositionsführer und Modi-Kritiker Gandhi raus

Written by Mathias Peer


Rahul Gandhi

Bei der kommenden Parlamentswahl antreten kann der promiente Politiker jetzt nur, wenn er im Berufungsverfahren Erfolg hat.

(Foto: AP)

Bangkok Kritik an Indiens Regierungschef Narendra Modi befördert den wichtigsten Oppositionspolitiker des Landes ins politische Aus: Rahul Gandhi, einer der Anführer der oppositionellen Kongresspartei, ist am Freitag als Abgeordneter disqualifiziert worden, wie die Volksvertretung mitteilte.

Der Rauswurf aus dem Unterhaus erfolgte einen Tag, nachdem ein Gericht in Modis Heimatstaat Gujarat den Politiker in einem Verleumdungsprozess zu einer Haftstrafe verurteilt hatte.

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, der Parlamentsausschluss gilt aber ab sofort. Ein Jahr vor der nächsten Parlamentswahl sieht die Opposition in dem Vorgang den Versuch, einen der schärfsten Kritiker der Regierung mundtot zu machen. Bei der Wahl antreten kann Gandhi nur, wenn er im Berufungsverfahren Erfolg hat. Seine Partei wirft Modi angesichts der Entwicklung eine zunehmend autoritäre Politik vor – und sieht die politischen Freiheiten in dem Land, das sich gerne als die weltgrößte Demokratie rühmt, im Niedergang.

Gandhi gehört zu der bekanntesten Politikerdynastie des Landes: Der 52-Jährige ist Urenkel von Indiens erstem Premierminister Jawaharlal Nehru, Enkel von Indiens bisher einziger Regierungschefin Indira Gandhi und Sohn von Indiens sechstem Premier Rajiv Gandhi.

Rahul Gandhi selbst führte die Kongresspartei bis 2019, als er wegen der Wahlniederlage seiner Partei zurücktrat. Für die Wahl im kommenden Jahr wurde er aber erneut als möglicher Herausforderer Modis gehandelt.

Opposition sieht Verfahren als politisch motiviert

Der aktuelle Streit dreht sich um Äußerungen von ihm aus dem Jahr 2019. Bei einer Wahlkampfveranstaltung hatte der prominente Politiker öffentlich gefragt: „Warum haben alle Diebe Modi als ihren Nachnamen?“ Er spielte damit auf die – nicht mit dem Regierungschef verwandten – indischen Geschäftsmänner Nirav Modi und Lalit Modi an, denen Finanzvergehen vorgeworfen wird. Beide flohen vor der Justiz ins Ausland.

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Ein ranghoher Parteifreund von Premier Modi sah in der Rede eine Rufschädigung, die alle Menschen mit dem Namen Modi verunglimpfe – und klagte. Ein Gericht in der westindischen Metropole Surat gab ihm recht und verurteilte Gandhi zu zwei Jahren Gefängnis. Er wurde für 30 Tage gegen Hinterlegung einer Kaution freigelassen und hat die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Mehrere indische Rechtsexperten werteten das Urteil als kritisch, da Menschen mit dem Nachnamen Modi aus ihrer Sicht keine zusammengehörige Gruppe darstellten, die als Ganzes verleumdet werden könne.

Gandhi betonte, es sei ihm nicht darum gegangen, jemanden zu diffamieren, sondern Korruption anzuprangern. Das über ein Jahr pausierte Verfahren gegen Gandhi kam im Februar wieder in Gang – kurz nachdem der Kongresspolitiker den Regierungschef wegen seiner Verbindungen zu dem mit Betrugsvorwürfen konfrontierten Milliardär Gautam Adani heftig kritisiert hatte.

Seine Parteifreunde werten das Vorgehen gegen Gandhi, der das bekannteste Gesicht der Partei ist, als eindeutig politisch motiviert. Die zweijährige Haftstrafe entspricht genau der Schwelle, die die Disqualifikation eines Abgeordneten ermöglicht. „Wenn es so weitergeht, werden Autokratie und Diktatur in diesem Land bald Einzug halten“, sagte Mallikarjun Kharge, Präsident der Kongresspartei. Anhänger und Verbündete Gandhis demonstrierten am Freitag mit Plakaten mit der Aufschrift „Demokratie in Gefahr“ in der Nähe des Parlaments.

Opposition, Medien und Nichtregierungsorganisationen sehen regierungskritische Stimmen in Indien zunehmend unter Druck. Im Februar kam es zu einer Razzia von Steuerfahndern in den Indien-Büros des britischen Senders BBC, kurz nachdem dieser eine viel beachtete Modi-kritische Dokumentation ausgestrahlt hatte.

Konten von Amnesty International eingefroren

Die Verbreitung des Films in Indien wurde von Modis Informationsministerium verboten. In der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt Indien nur auf Platz 150 von 180 untersuchten Ländern.

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Auch Teile der Zivilgesellschaft fühlen sich in Modis Indien nicht mehr sicher: Ende 2020 sah sich Amnesty International gezwungen, die Tätigkeiten in dem Land einzustellen. Nach Kritik an der Modi-Regierung waren zuvor die indischen Bankkonten der Menschenrechtsorganisation eingefroren worden.

Neben Rahul Gandhi kamen zuletzt auch andere politische Gegner Modis ins Visier der Justiz. Im Februar wurde ein Anführer der Aam-Aadmi-Partei, die in der Hauptstadt Delhi regiert, festgenommen. Auch in diesem Fall sprach die Partei von einem politisch motivierten Verfahren, das sich gegen Modi-Kritiker richte. Modis Regierungspartei BJP wies die Vorwürfe zurück.

Im Fall Gandhi halten Modis Verbündete die harten Konsequenzen für die kritisierten Aussagen ebenfalls für gerechtfertigt. „Es ist eine Sache, die Politik der Regierung infrage zu stellen, das wäre eine gesunde Debatte“, sagte der Parteivorsitzende Jagat Prakash Nadda. Gandhi habe aber stattdessen einen Teil der Inder beleidigt, die zufällig denselben Nachnamen wie Premierminister Modi haben. Die Kongresspartei habe damit gezeigt, sich nicht an die Regeln des Diskurses zu halten.

Wegen Modis nach wie vor großer Popularität gilt dessen Wiederwahl als sehr wahrscheinlich. Gandhi will ihm aber auch außerhalb des Parlamentes weiterhin Paroli bieten, wie ein Parteisprecher betonte: „Rahul Gandhi wird nicht aufhören, schwierige Fragen zu stellen und die aktive Rolle dieser Regierung in der Vetternwirtschaft aufzudecken.“

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