Autos, die mit klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffen – den sogenannten E-Fuels – betankt werden, sollten künftig geringer besteuert werden als die derzeit mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeuge, sagte der FDP-Vorsitzende der Nachrichtenagentur dpa. „Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden.“ Das Finanzministerium werde dazu ein Konzept vorlegen.
Lindners Vorstoß knüpft daran an, dass sich sein Kabinettskollege und Parteifreund, Verkehrsminister Volker Wissing, nach wochenlangem Ringen um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor gegen die EU-Kommission durchgesetzt hat. Der Kompromiss, der am Freitagabend gefunden wurde, sieht vor, dass auch nach 2035 Neuwagen mit einem solchen Antrieb in der EU zugelassen werden können, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden. „Damit eröffnen wir für die Bevölkerung wichtige Optionen in Richtung einer klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität“, sagte Wissing am Samstag in Berlin.
Die Einigung mit Brüssel stößt indes genauso auf ein geteiltes Echo wie die Absicht Lindners, E-Fuels steuerlich zu begünstigen. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sagte dem Handelsblatt: „Bevor die nächste Subvention eingeführt wird, wäre es wichtiger, endlich an den Wildwuchs ökologisch schädlicher Subventionen im Steuerrecht zu gehen.“ Das helfe dem Klimaschutz und wäre auch „im Sinne guter Ordnungspolitik“. Sonst werde der dritte Schritt vor dem ersten gemacht.
Die SPD zeigte sich zwar dafür offen, bei der Besteuerung von Kraftfahrzeugen einen noch stärkeren Anreiz für klimafreundliche Technologie und Nutzung zu geben. „Hier muss dann aber auch ein stimmiges Gesamtkonzept aus Ent- und Belastungen sowie Subventionsabbau vorgelegt werden zugunsten aller klimafreundlichen Fahrzeuge – nicht eine Lex E-Fuels“, sagte Fraktionsvize Achim Post.
Wirtschaftsweise Grimm kritisiert FDP wegen Verbrenner-Kompromiss
Der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, glaubt ohnehin nicht, dass E-Fuels für Pkw-Besitzer relevant werden. Daran änderten auch Steuervorteile nichts. Diese würden „mittelfristig allenfalls Lkws und Flugzeuge betreffen“.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, mahnte, Steuererleichterungen generell nur für vielversprechende Technologien in Betracht zu ziehen. „E-Fuels sind nachgewiesenermaßen höchst ineffizient, und eine Förderung und Besserstellung einer ineffizienten Technologie widerspricht jeglicher Logik der Marktwirtschaft und der Aufgabe des Staates“, sagte er.
Abgesehen davon lege Lindner stets großen Wert darauf, die Schuldenbremse einzuhalten. „Daher sind Steuersenkungen, wie bei der kalten Progression oder nun bei E-Fuels, ein Widerspruch zu dieser Forderung, und er bleibt die Antwort schuldig, wie er durch eine solche Steuersenkung verlorene Einnahmen kompensieren will.“
E-Fuels werden mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 aus der Luft hergestellt. Sie setzen damit anders als herkömmliche fossile Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel keine zusätzlichen klimaschädlichen Gase frei.
>> Lesen Sie hier: Wissing und seine FDP senden mit ihrer E-Fuels-Extrawurst ein fatales Signal – ein Kommentar
Ob mit E-Fuels betriebene Autos in der Praxis aber tatsächlich eine Chance haben, gilt noch als völlig offen. Ferdinand Dudenhöffer, Gründer und Direktor des Duisburger CAR – Center Automotive Research, nennt als Argument gegen solche Antriebe die hohen Kosten für die Herstellung der Kraftstoffe und die „gruselige Energiebilanz“ – bei der Produktion wird extrem viel Strom verbraucht.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die deshalb auch wenig Verständnis für das Vorgehen der FDP auf EU-Ebene hat. Verkehrsminister Wissing „hätte hier nicht opponieren sollen, das hat in Europa hauptsächlich Vertrauen verspielt“, sagte die Energieökonomin.
Zudem könne am Ende die Hoffnung der Konsumenten und Konzerne, dass der Verbrenner doch nicht tot sei, noch Blüten treiben. „Die Menschen könnten weiter Verbrenner kaufen in der Hoffnung auf günstige E-Fuels“, erklärte sie. „Das könnte es der Politik sehr schwer machen, konsequente Klimapolitik zu betreiben.“
Europaparlament und EU-Staaten hatten sich eigentlich schon im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Wissing bestand allerdings darauf, dass grundsätzlich alle Autos mit Verbrennungsmotoren einbezogen werden, die mit E-Fuels betrieben werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ die FDP um des Koalitionsfriedens willen gewähren. Er begrüßte am Samstag den Kompromiss. Damit sei eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt worden, sagte Scholz. Gleichzeitig stellte er die Relevanz der Ausnahmeregel infrage.
Nach der Einigung soll nun die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten am kommenden Dienstag stattfinden. Für die Umsetzung wurden laut Wissing konkrete Verfahrensschritte verbindlich fixiert. „Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist“, sagte er.
Mehr: Welche deutschen Industriezweige von E-Fuels profitieren würden.
<< Den vollständigen Artikel: Klimaschutz: Lindner plant Steuervorteil für Autos mit synthetischen Kraftstoffen – SPD warnt vor „Lex E-Fuels“ >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.