Mar 27, 2023
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Europäische Luftverteidigung: Im Kriegsfall „Flugkörper untereinander austauschen“ – Der European Sky Shield nimmt Gestalt an

Written by Larissa Holzki

Düsseldorf, Berlin Den jüngsten Nachweis, wie wichtig der Aufbau einer europäischen Luftverteidigung ist, hat Russlands Präsident Wladimir Putin am Wochenende erbracht. Seine Ankündigung, taktische Atomwaffen nach Belarus zu verlegen, zeigt einmal mehr die Notwendigkeit, einen Schutzschirm gegen Trägersysteme wie die russischen Iskander-Raketen aufzubauen.

Ziel ist, möglichst koordiniert Abwehrsysteme kurzer, mittlerer und großer Reichweite anzuschaffen, um von Drohnen über Marschflugkörper bis hin zu ballistischen Raketen alle Bedrohungen aus der Luft abwehren zu können.

Mit Blick auf die russischen Fähigkeiten sei es „dringend geboten, diese Lücken rasch zu schließen“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums in Berlin. Es habe bereits diverse Gespräche auf Staatssekretärs- und Expertenebene gegeben und es liefen auch schon konkrete Verhandlungen.

„Wenn mehrere europäische Nationen gemeinsam beschaffen, entstehen Skaleneffekte“, sagt ein Rüstungsmanager, der namentlich nicht genannt werden will. Durch die höhere Produktionsrate sinke der Preis. Außerdem könnten die Staaten bei Logistik und Support zusammenarbeiten: „Ein wichtiger Vorteil wäre, dass die Nationen untereinander Flugkörper austauschen können, wenn tatsächlich der Kriegsfall eintritt und ein Gebiet besonders beschossen wird.“

Das israelische System Arrow 3 soll gegen ballistische Raketen schützen

Beim Schutz gegen ballistische Raketen läuft alles darauf hinaus, dass Deutschland sich für das israelisch-amerikanische System Arrow 3 entscheiden wird. Es kann Raketen und andere Flugkörper auf einer Distanz von bis zu 2400 Kilometern bekämpfen. Beim Staatsbesuch des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu in Berlin hatte Scholz jüngst das Interesse an dem System bekräftigt.

Im Wirtschaftsplan für das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen Bundeswehr sind bis zu drei Milliarden Euro für Arrow 3 veranschlagt. Erste Vorlagen für die Haushälter des Bundestags, die Ausgaben ab 25 Millionen Euro zustimmen müssen, sollen im September fertig sein.

Eine Alternative wäre das US-amerikanische System THAAD, das allerdings teurer sein soll als Arrow 3. Diese Systeme sind bisher die einzigen, die Schutz gegen ballistische Raketen bieten.

Als gesetzt gilt, dass das bewährte System Patriot eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Flugkörpern mittlerer Reichweite spielen wird. Laut Bundeswehr, die das System einsetzt, kann es bis zu fünf Ziele in bis zu 68 Kilometer Entfernung gleichzeitig bekämpfen.

Vorlagen für neue Patriot-Flugkörper und die Modernisierung des Systems sollen dem Haushaltsausschuss im November und Dezember zugeleitet werden. Insgesamt will sich der Bund den Fähigkeitserhalt der Patriot-Luftverteidigung rund 1,2 Milliarden Euro kosten lassen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Bundeskanzler Olaf Scholz

Scholz bekräftigte Deutschlands Interesse an dem israelischen Flugabwehrsystem Arrow 3.


(Foto: dpa)

Außerdem gibt es fortgeschrittene Gespräche mit den Herstellern Raytheon und MBDA über den Aufbau einer eigenen Fertigungslinie in Deutschland. Ein Vertragsabschluss sei im Laufe dieses oder Anfang nächsten Jahres denkbar, hieß es aus Industriekreisen.

Bundeskanzler Scholz hat zudem mehrfach betont, dass Diehl Defence mit dem Luftverteidigungssystem Iris-T SLM zum Zuge kommen dürfte, das auch in der Ukraine eingesetzt wird. „Wir bekommen jetzt aus der Ukraine die Rückmeldung, wie gut das System ist“, sagte Diehl-Defence-Chef Helmut Rauch dem Handelsblatt: „Wenn das System wie vorgesehen eingesetzt wird, dann ist jeder Schuss ein Treffer.“

Jede Feuereinheit soll in der Lage sein, eine mittlere Kleinstadt zu schützen und Ziele in bis zu 40 Kilometer Entfernung und 20 Kilometer Höhe zu treffen. Zu jeder Einheit gehören dabei ein Radar, ein Führungssystem und mindestens drei Startgeräte mit je acht Raketen, die im Sekundentakt abgeschossen werden können.

Das in der Ukraine erfolgreich eingesetzte Abwehrsystem Iris-T SLM soll die Bundeswehr erhalten

„Wir sehen Iris-T SLM als das bestmögliche Luftverteidigungssystem für die ESSI-Initiative und als wesentlichen Ankerpunkt“, sagt Rauch. Laut Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kostet Iris-T SLM etwa 140 Millionen Euro pro System plus 400.000 Euro pro dazugehörigem Lenkflugkörper. Das Unternehmen will sich zu Preisen nicht äußern.

Nach einer internen Übersicht des Verteidigungsministeriums sollen dem Haushalts- und dem Verteidigungsausschuss noch im ersten Halbjahr die Vorlage für die Beschaffung von acht Iris-T-Feuereinheiten zugeleitet werden. In Industriekreisen geht man davon aus, dass sechs Systeme bestellt werden.

>> Lesen Sie hier: Rheinmetall baut neue Skynex-Flugabwehr für die Ukraine

Die Lenkflugkörper Iris-T können in verschiedenen Waffensystemen eingesetzt werden, in Deutschland gehören sie zur Bewaffnung des Eurofighter. Schweden und Norwegen haben bodengestützte Systeme angeschafft.

Unklar ist noch, ob auch Abwehrsysteme gegen Bedrohungsszenarien im Nah- und Nächstbereich gemeinsam beschafft werden sollen. Rheinmetall-Chef Armin Papperger ist diesbezüglich zuversichtlich und hat auch ein passendes Angebot: „Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass der Skyranger Teil des European Sky Shields wird“, sagte er dem Handelsblatt.

Dabei handelt es sich um einen modernen Flugabwehrpanzer mit 30-Millimeter-Revolverkanone. Nach der Ausmusterung der Gepard-Panzer, die in der Ukraine erfolgreich eingesetzt werden, verfügt die Bundeswehr nicht mehr über entsprechende Systeme. Mit integrierten Flugkörpern für kurze Entfernungen hat der Skyranger eine Reichweite von bis zu sieben Kilometern, sagt Papperger.

Stiftung Wissenschaft und Politik vermisst Führungsrolle Deutschlands

Eine Entscheidung erwartet er allerdings nicht allzu schnell: „Die Konzeption wird vermutlich bis Ende des Jahres dauern.“ Der Wirtschaftsplan des Sondervermögens erhält für die Heeresflugabwehr Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von knapp 1,3 Milliarden Euro.

Nicht äußern wollte sich das Bundesverteidigungsministerium zu der Frage, wie genau die Gespräche unter den europäischen Partnern ablaufen und wo sie koordiniert werden. Der Initiative gehören neben Deutschland Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Schweden und Dänemark an.

Forscher der Stiftung Wissenschaft und Politik hatten im Januar in einer Analyse Deutschlands schwache Führungsrolle bei dem Projekt bemängelt. Dass wichtige Partner wie Frankreich, Italien oder Polen nicht gewillt seien, Deutschland zu folgen, zeige, dass der deutsche Vorstoß die europäischen Sicherheitsinteressen nicht genug berücksichtige.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert, eine europäische Konferenz über die Luftverteidigung abzuhalten. Aus der Bundesregierung heißt es dazu nur, dass die Sky-Shield-Initiative weiteren interessierten Nationen offenstehe.

Mehr: Wehrbeauftragte beklagt: „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig“



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