Mar 27, 2023
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Tarifkonflikt: Deutschland steht still – das ist die Bilanz des Warnstreiks

Written by Frank Specht

Berlin Die von den Gewerkschaften ausgerufenen Warnstreiks haben am Montag den Flug- und Bahnverkehr in Deutschland weitgehend zum Erliegen gebracht, das ganz große Chaos blieb aber aus. Verdi und Beamtenbund drohten mit weiteren Arbeitskämpfen, sollten die wieder aufgenommenen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst bis Mittwoch nicht zu einem Ergebnis führen. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zeigte sich weiter kampfbereit, will aber zumindest über die Osterfeiertage nicht streiken.

Verdi und EVG hatten in mehreren aktuell geführten Tarifrunden, darunter im öffentlichen Dienst und bei der Deutschen Bahn, Beschäftigte aus dem Verkehrssektor gemeinsam zu einem 24-stündigen Arbeitskampf aufgerufen. Der Flugverkehr in Deutschland kam daraufhin weitgehend zum Erliegen. Die Flughäfen in München, Frankfurt und Hamburg hatten schon vorsorglich sämtliche Flüge abgesagt.

Sämtliche großen Airports mit Ausnahme des Berliner waren vom Ausstand betroffen. Auch in der Hauptstadt fielen aber viele innerdeutsche Verbindungen aus. Der Flughafenverband ADV ging von rund 380.000 Geschäfts- und Privatreisenden aus, die ihren Flug streikbedingt nicht antreten konnten.

Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel erklärte, die Aktion habe mit Warnstreiks nichts mehr zu tun. Vielmehr handele es sich um den Versuch, „per Generalstreik französische Verhältnisse in Deutschland einziehen zu lassen“. Allein am größten Flughafen Frankfurt wären am Montag 1170 Starts und Landungen mit insgesamt rund 160.000 Passagieren geplant gewesen. Für das Sicherheitspersonal an den Flughäfen läuft aktuell eine eigene Tarifrunde.

Der Schienenverkehr war ebenfalls massiv betroffen. Die Deutsche Bahn strich sämtliche Fernzüge, im Regional- und S-Bahn-Verkehr kam es vielerorts zu Totalausfällen. Laut EVG beteiligten sich mehr als 30.000 Beschäftigte an dem Ausstand. In mehreren Bundesländern gab es auch Behinderungen im Nahverkehr.

Leerer Stuttgarter Hauptbahnhof

Die Deutsche Bahn kritisierte den Streik als „unverhältnismäßig“.


(Foto: dpa)

„An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind“, kritisierte ein Sprecher der Deutschen Bahn. „Nicht jeder kann vom Homeoffice aus arbeiten.“ Nachteile hätten auch Unternehmen, die Güter per Schiene empfingen oder versendeten: „Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne.“

Geringe wirtschaftliche Auswirkungen

Auch auf den Autobahnen war Chaos erwartet worden, nachdem Verdi Beschäftigte der Autobahn GmbH zum Streik aufgerufen hatte, die für die Sicherheit in den Tunneln verantwortlich sind. Eine Sperrung des Elbtunnels wurde verhindert, weil das Landesarbeitsgericht Hamburg Verdi zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung verpflichtet hatte, die einen normalen Betrieb des Tunnels ermöglichte.

Laut ADAC kam es in den Morgenstunden zwar zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen, größere Staus gab es aber nur vereinzelt. „Wer kann, ist im Homeoffice geblieben“, sagte eine Sprecherin des Automobilclubs.

>> Lesen Sie hier: Dürfen Beschäftigte zu Hause bleiben?

Obwohl auch die Binnenschifffahrt und Seehäfen betroffen waren, halten sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des großen Streiks nach Einschätzung von Ökonomen in Grenzen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hatte die Schäden in einer Überschlagsrechnung für das Handelsblatt auf maximal 181 Millionen Euro beziffert. Das entspricht etwa 0,006 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.

Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe erklärte, der Ausstand „streut ein bisschen Sand ins Getriebe, sorgt aber nicht für substanzielle Verluste“. Im Vergleich beispielsweise zu Belgien oder Frankreich ist die Streikintensität in Deutschland eher gering.

In den Tarifverhandlungen für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen kamen Arbeitgeber und Gewerkschaften am Montag zur dritten Gesprächsrunde zusammen, die bis Mittwoch terminiert ist. Verdi und Beamtenbund fordern 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro im Monat, bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.

Schlichtungsverfahren wäre der nächste Schritt

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatten den Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld in zwei Stufen und 2500 Euro Inflationsausgleichsprämie angeboten, allerdings bei einer sehr langen Laufzeit von 27 Monaten. VKA-Verhandlungsführerin Karin Welge forderte die Gewerkschaften zum Auftakt der dritten Runde auf, über das vorliegende Angebot ernsthaft zu verhandeln.

Faeser erklärte, viele Beschäftigte auch im öffentlichen Dienst litten unter der hohen Inflation. „Deswegen ist es auch unsere Aufgabe, gemeinsam einen guten Abschluss zu finden.“

Sollten die Verhandlungen in dieser Woche für gescheitert erklärt werden, kann eine der beiden Seiten ein Schlichtungsverfahren einleiten, um mithilfe von neutralen Vermittlern eine Lösung zu finden. Während der Schlichtung darf nicht gestreikt werden.

>> Lesen Sie hier: Kommentar: Das Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt hat sich gedreht – zugunsten der Arbeitnehmer

Sollte auch das Vermittlungsverfahren nicht zu einem Erfolg führen, „dann wird es mal wieder sehr dunkel in Deutschland“, warnte Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach. „Dann werden wir in einen flächendeckenden, unbefristeten Arbeitskampf einsteigen müssen.“ Dazu ist eine Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern erforderlich.

Verdi-Chef Frank Werneke zeigte sich skeptisch über die Aussichten einer Schlichtung: Bei ausreichendem Lösungswillen könne auch innerhalb der regulären Verhandlungen eine Einigung erzielt werden, sagte er am Montag. „Ich kann mir im Moment gar nicht vorstellen, was in einer Schlichtung anders miteinander geredet werden sollte.“

Verdi-Chef Frank Werneke

Werneke ist skeptisch über den Erfolg eines möglichen Schlichtungsverfahren.


(Foto: dpa)

Einer der Hauptstreitpunkte ist der von den Gewerkschaften geforderte Mindestbetrag von 500 Euro. Hier deutete VKA-Präsidentin Welge Bereitschaft an, auf die Gewerkschaften zuzugehen. In den Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn fordert die EVG zwölf Prozent mehr Geld, mindestens aber 650 Euro im Monat.

Die Bahn hat, genau wie die öffentlichen Arbeitgeber, eine zweistufige Tariferhöhung um insgesamt fünf Prozent und 2500 Euro Inflationsausgleichsprämie bei einer Laufzeit von 27 Monaten angeboten. Die Gewerkschaft weigert sich bisher, auf dieser Basis weiterzuverhandeln, und erwartet ein verbessertes Angebot bis zur nächsten Gesprächsrunde Ende April.

Der Konzern forderte die EVG auf, umgehend an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die EVG gibt sich weiter kampfbereit, schließt aber weitere Streiks vor oder während der Ostertage aus. Man wolle nicht die Reisenden bestreiken, sondern die Arbeitgeber, sagte Tarifvorstand Kristian Loroch.

Mehr: Diese Grafiken zeigen, wie es um die Streikkultur in Deutschland bestellt ist



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