Berlin Eigentlich ist es das wichtigste Versprechen der Ampelregierung, zumindest wenn es nach der Priorisierung im Koalitionsvertrag geht: Das erste Kapitel der Vereinbarung lautet „Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovation“. Doch bisher ist von der Digitalisierung des Staates noch wenig zu spüren. Das Thema steht auf der Berliner Tagesordnung hinten an, im Koalitionsausschuss fand es keine Erwähnung.
Doch genau darin lauert eine Gefahr. Deutschland verliere bei der Digitalisierung seiner Verwaltung im internationalen Vergleich weiter an Boden, fürchtet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Und es kommt in einer neuen Studie zu dem Schluss: „Die Digitalisierung der Verwaltung kommt in Deutschland nicht voran.“
Momentan befindet sich das Land im Vergleich mit den anderen EU-Staaten im unteren Mittelfeld auf Rang 18 von 27 und somit hinter dem EU-weiten Durchschnitt. Im Jahr zuvor, 2021, lag Deutschland immerhin noch vor Belgien und Tschechien. Doch in beiden Ländern wurde seitdem offenbar mehr für die digitale Verwaltung getan als hierzulande.
Osteuropa holt auf
Deutschland droht dadurch nach Einschätzung des IW weiter nach unten durchgereicht zu werden. „Wenn Länder wie Bulgarien, Rumänien und Griechenland, die momentan im Ranking noch hinter uns liegen, die technischen Lösungen implementieren, könnten sie uns demnächst überholen“, warnt Klaus-Heiner Röhl, Studienautor und Senior Economist für Mittelstandspolitik und Regionalpolitik beim IW.
Momentan fehle in diesen Ländern zwar noch die Technik, es gebe dort aber nicht so große Bedenken wie in Deutschland.
Die Studie bezeichnet das Onlinezugangsgesetz (OZG), das die Digitalisierung eigentlich voranbringen sollte, als „Fehlschlag“. Von dem Ziel, bis Ende des Jahres 2022 575 Verwaltungsleistungen online zur Verfügung zu stellen, wurden nur 18 Prozent umgesetzt.
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Überwiegend sei versucht worden, historisch gewachsene analoge Behördenvorgänge mit Onlinemasken zu versehen, statt die „Digitalisierung für eine grundlegende Neukonzeption der Verwaltungsvorgänge in der digitalen Welt zu nutzen“.
Die Digitalpolitikerin und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Nadine Schön (CDU), fordert deshalb dringend, den digitalen Datenaustausch zu fördern. Bisher sei die Ampelkoalition bei der Verwaltungsdigitalisierung nicht vorangekommen, es brauche einen Treiber für das Thema. Schön kritisiert: „Bundesinnenministerin Faeser als zuständige Ministerin ist das nicht.“ Die Innen- und Digitalpolitikerin Misbah Khan (Grüne) hingegen kritisiert die bisherige unionsgeführte Regierung: „Was in mehr als zehn Jahren schiefgelaufen ist, lässt sich nicht von heute auf morgen reparieren.“
Vertragsverletzungsverfahren droht
Dass Deutschland auch im europaweiten Vergleich immer mehr hinterherhinkt, könnte bald ernst zu nehmende Konsequenzen haben. Denn zum Jahresende 2023 tritt die sogenannte EU-Single-Digital-Gateway-Verordnung in Kraft, die 75 staatliche Leistungen vorschreibt, die auch für Bürger anderer EU-Staaten online verfügbar sein müssen. Schafft es Deutschland nicht, diese Bedingung zu erfüllen, droht ein Vertragsverletzungsverfahren.
Wie weit die Behörden bei der Umsetzung der geforderten Leistungen schon sind, lässt sich von außen schwer nachvollziehen. Die grüne Digitalpolitikerin Misbah Khan fordert deshalb mehr Transparenz, eine bessere Priorisierung und ein ambitionierteres Vorgehen.
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