Der US-Präsident übt harte Kritik am israelischen Regierungschef Netanjahu.
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Tel Aviv Keine Einladung ins Weiße Haus, eine Rüge von US-Präsident Joe Biden, Einbestellung des israelischen Botschafters ins Washingtoner Außenministerium: Die Beziehungen zwischen den USA und Israel sind auf einem Tiefpunkt – und die Krise wird öffentlich ausgetragen.
Vor laufenden Kameras forderte Biden den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu auf, die geplante Justizreform nicht nur aufzuschieben, sondern davon abzurücken. „Und“, fügte Biden auf die Frage eines Journalisten hinzu, „Netanjahu wird in nächster Zeit nicht ins Weiße Haus eingeladen.“
Netanjahu konterte mit einem Tweet. Er wies Bidens Kritik an der umstrittenen Justizreform brüsk zurück. Israel als souveräner Staat treffe seine eigenen Entscheidungen, so Netanjahu. Seine Regierung lasse sich nicht durch Druck aus dem Ausland beeinflussen, „auch nicht von den besten Freunden“.
Inzwischen wird Netanjahu auch von ehemaligen Gefolgsleuten scharf kritisiert. Indem er eine „schlimme Krise“ mit den USA heraufbeschworen habe, gefährde er nicht nur die Sicherheit Israels, sondern auch US-Interessen im Nahen Osten, sagt Uzi Arad, ehemaliger Sicherheitsberater von Netanjahu. In Meinungsumfragen verlieren Netanjahu und seine radikale Koalition an Boden.
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Netanjahu hatte die Justizreform am Montag verschoben, nachdem sich die seit Monaten andauernden öffentlichen Proteste gegen das Vorhaben nach der Absetzung des Verteidigungsministers Joaw Galant wegen Kritik an der Reform verschärft hatten.
Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr
Netanjahu hatte die Justizreform durchs Parlament peitschen wollen. So soll ein Gesetz den Gerichten erschweren, einen Regierungschef abzusetzen. Das käme den Interessen Netanjahus entgegen, der wegen Korruption vor Gericht steht.
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Ferner soll es dem Parlament künftig möglich sein, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des höchsten Gerichts aufzuheben. Auch die Richterwahl soll neu organisiert werden. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung in Gefahr.
Anfangs hatten US-Regierungsbeamte versucht, die angekündigten Pläne zur Entmachtung und Politisierung des Obersten Gerichtshofs als rein innenpolitische Angelegenheit darzustellen. Doch aufgrund der massiven Demonstrationen gegen die Justizreform wurde der Regierung Biden zunehmend bewusst, dass es sich nicht nur um eine interne Angelegenheit handelt.
Washington realisierte zudem, dass die rechtsextreme Regierung gegenüber den Palästinensern eine Politik verfolgen will, die dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung und damit den amerikanischen Vorstellungen zur Beilegung des Palästinakonflikts zuwiderliefe.
Israel ist auf Unterstützung der USA angewiesen
Auf Unverständnis stieß in Washington schließlich die angekündigte Entlassung von Verteidigungsminister Galant, nachdem dieser sich gegen die umstrittenen Pläne zur Überarbeitung des Justizsystems ausgesprochen hatte. Galant hatte Netanjahu darüber informiert, dass die Justizreform nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Armee auf Ablehnung stoße.
Zahlreiche Soldaten und Offiziere würden den Dienst verweigern, was eine „greifbare Bedrohung“ für die Sicherheit des Staates darstelle. Dass Galant noch kein Entlassungsschreiben erhalten hat und deshalb noch im Amt ist, werten Beobachter als weiteres Zeichen für einen gefährlichen Zickzackkurs des Premiers.
Gute Beziehungen zu den USA sind für Israels Überleben von entscheidender Bedeutung. Washington überweist jährlich 3,3 Milliarden Dollar und zusätzlich 500 Millionen Dollar für die Raketenabwehr. Auch politisch ist ein gutes Verhältnis zu Washington wichtig. So konnte sich das Land stets darauf verlassen, dass die USA im UN-Sicherheitsrat Partei für Israel ergreifen. Ob das so bleibt, wird man bald sehen.
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