Berlin, Potsdam Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert. Arbeitgeber und Gewerkschaften erzielten in der letzten von drei geplanten Verhandlungsrunden kein Ergebnis. „Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am frühen Donnerstagmorgen in Potsdam.
Verdi habe das Scheitern der Verhandlungen erklärt, sagte Werneke. Die Gewerkschaftsgremien hätten dies einstimmig beschlossen. Entsprechend äußerte sich auch der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, für seine Gewerkschaft.
Mit einem Durchbruch hätten neue Warnstreiks oder Streiks abgewendet werden können. Allerdings mündet auch das Scheitern nicht unbedingt in neue Ausstände. Nun werden unabhängige Schlichter nach einer Lösung suchen. „Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am frühen Donnerstagmorgen in Potsdam.
Die bereits vorher bestimmten unabhängigen Schlichter würden in so einem Fall innerhalb festgelegter Fristen einen Lösungsvorschlag machen. Während einer Schlichtung herrscht Friedenspflicht. Bis nach Ostern gäbe es dann keine neuen Warnstreiks. Die Arbeitgeber äußerten sich zunächst noch nicht.
Forderung von 10,5 Prozent mehr Gehalt
Die Gewerkschaften hatten 10,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten verlangt, mindestens aber 500 Euro im Monat, bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Forderung war bereits im Oktober vergangenen Jahres unter dem Eindruck der damals noch sehr hohen Inflationsraten beschlossen worden.
Die VKA hatte auf die angespannte Finanzlage vieler Kommunen hingewiesen, die zudem genauso unter den gestiegenen Energiepreisen und der allgemein hohen Inflation litten wie die Beschäftigten.
Die Bundesregierung hatte den Tarifparteien mit dem Angebot, dass Arbeitgeber noch bis Ende 2024 jedem Beschäftigten bis zu 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie zahlen können, ohne dass darauf Steuern und Sozialabgaben fällig werden, eine „goldene Brücke“ gebaut.
Die Hoffnung: Dafür sollten die Tarifparteien sich bei dauerhaft wirkenden Entgelterhöhungen, die eine Lohn-Preis-Spirale auslösen könnten, zurückhalten. Verdi-Chef Werneke betonte aber stets, dass Einmalzahlungen nicht nachhaltig seien. Die Preise blieben auch dann noch hoch, wenn die Ausgleichsprämien längst nicht mehr wirkten.
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Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Runde ein erstes Angebot vorgelegt. Es sah eine zweistufige Tariferhöhung von insgesamt fünf Prozent und eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2500 Euro vor, bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 27 Monaten.
Verdi, die auch für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) verhandelt, und der Beamtenbund hatten das Angebot als unzureichend zurückgewiesen und ihre schon zuvor gestarteten Warnstreikaktivitäten noch einmal intensiviert.
400.000 Beschäftige an Warnstreiks beteiligt
Nach Verdi-Angaben hatten sich bis zum Ende vergangener Woche rund 400.000 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt. Am Montag dieser Woche erhöhte Verdi dann den Druck nochmals und rief gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die in Tarifrunden mit der Deutschen Bahn und anderen Unternehmen steht, zu einem bundesweiten Verkehrsstreik auf. Der Flugverkehr, der Fern- und Regionalverkehr der Bahn und Teile des öffentlichen Nahverkehrs waren daraufhin weitgehend zum Erliegen gekommen.
Mit dem öffentlichen Dienst ist nun in der dritten beschäftigungsstarken Branche ein Abschluss im Angesicht hoher Inflationsraten gescheitert. Für die 580.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie hatten sich zuletzt die Tarifparteien im Oktober vergangenen Jahres auf eine zweistufige Tariferhöhung von insgesamt 6,5 Prozent geeinigt.
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Zusätzlich wurde eine Inflationsprämie in Höhe von 3000 Euro vereinbart, die in zwei Tranchen ausgezahlt wird. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 20 Monate. Im Rahmen einer „Brückenlösung“ hatten die Chemiebeschäftigten aber schon im Mai 2022 eine Einmalzahlung von 1400 Euro erhalten.
In der Metall- und Elektroindustrie mit ihren 3,9 Millionen Beschäftigten war im November 2022 eine Einigung erzielt worden. Vereinbart wurde eine zweistufige Prozenterhöhung um insgesamt 8,5 Prozent bei 24 Monaten Laufzeit des Tarifvertrags. Wie in der Chemie gibt es auch hier eine Inflationsprämie von 3000 Euro, die in zwei Stufen ausgezahlt wird. Sowohl die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) als auch die IG Metall hatten nach den Abschlüssen für sich in Anspruch genommen, die Preissteigerungen weitgehend ausgeglichen zu haben.
Der letzte Abschluss für Bund und Kommunen aus dem Jahr 2020 stand noch ganz unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Die Beschäftigten erhielten damals eine nach Entgeltgruppe gestaffelte Sonderzahlung von 300, 400 oder 600 Euro. Darüber hinaus wurden die Entgelte in zwei Stufen um insgesamt 3,2 Prozent angehoben.
Mit Agenturmaterial der dpa.
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