Berlin, Brüssel EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen macht sich für staatliche Kontrollen von Investitionen europäischer Unternehmen in China stark. Die Europäische Union müsse verhindern, dass Kapital und Expertise europäischer Unternehmen dazu beitragen, „die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu verbessern, die auch Systemkonkurrenten sind“, sagte von der Leyen am Donnerstag in einer Grundsatzrede zu den europäisch-chinesischen Beziehungen.
„Deshalb denken wir derzeit darüber nach, ob und wie Europa ein gezieltes Instrument für Auslandsinvestitionen entwickeln sollte“, sagte von der Leyen in Brüssel. Die Kontrollen sollten aber nur für „eine kleine Anzahl sensibler Technologien“ gelten, schränkte sie ein.
Die Kommissionschefin will kommende Woche gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in die Volksrepublik reisen und Gespräche mit Staats- und Parteichef Xi Jinping führen. Die „sich ändernde Politik Chinas“, mahnte von der Leyen in ihrer Rede, könne es erforderlich machen, „dass wir für einige kritische Sektoren neue Verteidigungsinstrumente entwickeln müssen“.
Die Debatte um das sogenannte Outbound-Investment-Screening wurde bisher vor allem in den USA geführt. Wie das Handelsblatt berichtete, hatten Beamte der Kommission und Vertreter der Bundesregierung sich in den vergangenen Wochen zwar offen dafür gezeigt, solche Kontrollverfahren auch für Europa zu entwickeln. So klar wie von der Leyen hat sich aber bisher noch kein europäischer Spitzenpolitiker hinter das Konzept gestellt.
Beim Outbound-Investment-Screening würden in einem ersten Schritt europäische Unternehmen dazu verpflichtet, bestimmte Auslandsinvestitionen ihrer jeweiligen Regierung zu melden. Im äußersten Fall könnte es in einem zweiten Schritt ein Verbot einer bestimmten Investition geben.
Im deutschen Recht gibt es eine Kontrolle bislang nur für ausländische Direktinvestitionen in Deutschland. So wurde im November etwa die Übernahme einer Dortmunder Fabrik des Halbleiterunternehmens Elmos durch einen chinesischen Investor vom Bundeswirtschaftsministerium gestoppt. Beim Outbound-Investment-Screening geht es dagegen um Investitionen europäischer Unternehmen in China.
Unterschiedliche Sichtweisen in Berlin und Brüssel
Die Bundesregierung mahnt seit einiger Zeit stärker, dass die deutschen Unternehmen sich angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen unabhängiger vom Standort China aufstellen sollen. Dennoch ist das Interesse der deutschen Wirtschaft an der Volksrepublik ungebrochen, wie eine neue Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Demnach haben deutsche Firmen im vergangenen Jahr so viel in China investiert wie nie zuvor. 11,5 Milliarden Euro flossen laut IW 2022 in die Volksrepublik.
Laut einer IW-Studie sind die Investitionen europäischer Unternehmen in China im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.
Würde die EU das Outbound-Investment-Screening einführen, könnten Kontrollbehörden manche dieser Investitionen verbieten. Das gilt insbesondere für Technologien, die in die Hände des chinesischen Militärs fallen könnten. EU-Kommissionschefin von der Leyen hob in ihrer Rede Quantencomputer, Robotertechnik und Künstliche Intelligenz hervor.
Aus Sicht der Kommission kann die Kontrolle von kritischen Investitionen nötig sein, um Lücken in den bestehenden Exportbeschränkungen zu schließen. So dürfen schon heute Dual-Use-Güter, also Produkte, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können, nur mit Genehmigung exportiert werden. Wenn ein Unternehmen allerdings eine Fabrik im Ausland aufbaut, kann es diese Regeln unter Umständen umgehen.
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Auch innerhalb der Bundesregierung wird ein entsprechendes Instrument diskutiert, allerdings überwog bislang die Skepsis. Kritiker im zuständigen Bundeswirtschaftsministerium verweisen auf die vorhandenen Möglichkeiten der Exportkontrolle. Dadurch verhindere man schon größtenteils den Abfluss von Know-how.
Ein enger Vertrauter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt, man wolle sich erst einmal anschauen, was die Amerikaner machen und welche Auswirkungen das hat: „Man muss da sehr präzise vorgehen, sonst baut man ein riesiges Monster auf.“ Doch die Person sagt auch, nicht per se gegen ein solches Instrument zu sein. Das gelte für viele im Ministerium – und die Zustimmung wachse.
Noch gibt es keine Daten über die Investitionen
Bisher gibt es auch in der EU lediglich eine nach innen gerichtete Investitionskontrolle. Dabei werden Übernahmen von oder Beteiligungen an europäischen Firmen durch ausländische Unternehmen durchleuchtet. Die EU macht dabei Vorschläge, die Entscheidung über Genehmigung oder Untersagung liegt aber bei den Mitgliedstaaten.
Die EU-Kommission hatte der Bundesregierung geraten, die chinesische Staatsreederei Cosco nicht an einem Container-Terminal zu beteiligen. Kanzler Scholz setzte sich darüber hinweg und genehmigte den Verkauf.
So hatte die Kommission der Bundesregierung davon abgeraten, dem Verkauf von Anteilen an einem Hamburger-Hafen-Terminal an die chinesische Staatsreederei Cosco zuzustimmen. Nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) genehmigte Berlin den Einstieg im vergangenen Herbst jedoch.
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Ähnlich könnte es künftig beim Outbound-Investment-Screening laufen. Von der Leyen kündigte an, dass die Kommission erste Ideen dazu als Teil ihrer „wirtschaftlichen Sicherheitsstrategie“ noch in diesem Jahr vorlegen wolle.
Allerdings fehlen bisher verlässliche Daten darüber, in welchen kritischen Bereichen sich europäische Firmen überhaupt in China engagieren. Diese Wissenslücke muss erst geschlossen werden, bevor ein wirksames Kontrollverfahren aufgebaut werden kann.
Grundsätzlich plädiert von der Leyen dafür, ökonomische Abhängigkeiten von China abzubauen, ohne den Handel mit der Volksrepublik gänzlich infrage zu stellen. „Risikominderung“ nennt sie diesen Ansatz in Abgrenzung zu einer vollständigen Entkopplungsstrategie. „Wir wollen die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Verbindungen nicht kappen“, betonte von der Leyen. Der Großteil des Handels bleibe „für beide Seiten vorteilhaft und risikolos“.
Es gebe aber Bereiche, „in denen Handel und Investitionen Risiken für unsere wirtschaftliche oder nationale Sicherheit darstellen“, insbesondere im Hightech-Sektor, wo Chinas Staatsführung die Verschmelzung von Militär und Wirtschaft („civil-military fusion“) vorantreibt.
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