Mar 30, 2023
659 Views
Comments Off on Staatsbesuch: König Charles III. verscheucht die bösen Brexit-Geister
0 0

Staatsbesuch: König Charles III. verscheucht die bösen Brexit-Geister

Written by Torsten Riecke


König Charles III. und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Charles liefert den pragmatischen Überbau für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU.


(Foto: Reuters)

London „Warum lieben die Deutschen die königliche Familie so sehr?“ fragte die konservative Londoner Tageszeitung „The Telegraph“ anlässlich des Staatsbesuchs von König Charles III. Der 74-jährige Monarch versuchte darauf am Donnerstag vor dem Deutschen Bundestag eine Antwort zu geben. Mehr noch: Charles ging mehr als 1000 Jahre in die gemeinsame Geschichte der beiden Länder zurück, um die von Bewunderung, Freundschaft und Rivalität geprägte Beziehung in Erinnerung zu rufen.

Dass Briten und Deutsche angesichts der neuen Bedrohungen in Europa enger zusammenrücken, musste der König nicht lange erklären. „Die Geißel des Krieges ist zurückgekehrt und unsere Sicherheit ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte“, sagte Charles mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Zuvor hatte der König darüber auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz gesprochen, der auf die Teilnahme am Staatsbankett am Vorabend verzichtet hatte, offenbar, damit seine Koalitionspartner im königlichen Glanz strahlen konnten.

Angesichts des großen geschichtlichen Bogens, den der König zurück bis zur Hanse im Mittelalter schlug, verloren selbst die politischen Spannungen seit dem Brexit ihre verletzende Wirkung. Viele Deutsche empfinden den EU-Austritt der Briten ohnehin eher als Schmerz einer zurückgewiesenen Liebe.

Der Pomp und die Warmherzigkeit, mit der Charles in Berlin empfangen wurde, sprechen Bände. Dass die Partei „Die Linke“ im Vorfeld den Auftritt des Königs im Bundestag als Verstoß gegen demokratische Traditionen kritisiert hatte, hinderte die große Mehrheit der Abgeordneten nicht, dem Monarchen kräftig Beifall zu spenden.

Besuch von großer politischer Symbolkraft

Unpolitisch war Charles Auftritt nicht. Im Gegenteil. Die Tatsache, dass der König seine erste Auslandsreise noch vor seiner offiziellen Krönung am 6. Mai nach Deutschland macht, ist ein Zeichen von großer politischer Symbolkraft.

„Ich war zutiefst berührt“ – König Charles III. spricht im Bundestag

„Großbritannien mag die Europäische Union verlassen haben, es verlässt aber nicht das mächtigste Land Europas“, konstatierte der britische Historiker Anthony Seldon zum Deutschland-Besuch gegenüber der BBC. Queen Elizabeth II. hatte sich nach ihrer Krönung 1953 noch für eine Tour durch die Commonwealth-Länder entschieden.

Gerade nach dem EU-Austritt seines Königreichs setzt der König mit seiner Europa-Tour ein anderes, versöhnliches Zeichen – auch wenn der Abstecher nach Paris wegen der dort brennenden Streik-Barrikaden kurzfristig abgesagt wurde.

Charles erwähnte den Brexit zwar mit keinem Wort, erinnerte stattdessen an die vielen Gemeinsamkeiten und blickte nach vorn auf die gemeinsamen Zukunftsaufgaben im Klimaschutz, in Wissenschaft und Forschung. „Unsere beiden Länder haben eine Führungsrolle in der Welt“, sagte der Brite.

Das politische Drehbuch für seinen Auftritt in Berlin wurde nicht im Buckingham Palace, sondern in 10 Downing Street geschrieben. Der Staatsbesuch des Königs ist für Premierminister Rishi Sunak ein wichtiger Baustein, bei der Wiederannäherung Großbritanniens an seine europäischen Nachbarn.

Das kürzlich von London und Brüssel vereinbarte „Windsor Framework“ zur Rolle Nordirlands im EU-Binnenmarkt hat den Weg freigemacht, nicht für eine Rückkehr der Briten in die Gemeinschaft, aber für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, wo immer das möglich ist. Charles liefert mit seinem Besuch den symbolischen Überbau für diesen Pragmatismus.

König Charles III. (rechts), Königsgemahlin Camilla (Mitte), und Franziska Giffey (SPD) (links), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, besuchen einen Berliner Markt

Drei Tage nimmt sich der Monarch Zeit für seinen Deutschland-Besuch und zeigt damit wie wichtig die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind.


(Foto: dpa)

Eine Mehrheit der Briten hält nach jüngsten Meinungsumfragen den Brexit inzwischen für einen Fehler und vertraut heute der EU mehr als der eigenen Regierung oder dem Parlament in Westminster. Einen politischen Willen für eine Rückkehr gibt es jedoch weder bei den regierenden Tories noch bei der oppositionellen Labour-Partei.

Charles, der nach eigenen Angaben Deutschland bereits mehr als 40 Mal besucht hat, war bei seiner Rede durchaus bewusst, dass er auf dem Erbe aufbauen konnte, das ihm seine im vergangenen Herbst verstorbene Mutter hinterlassen hast. „Die Queen“, wie Elizabeth II. von den Deutschen mit einer Mischung aus Liebe und Respekt genannt wurde, hat nach dem Zweiten Weltkrieg viel zur Versöhnung der ehemaligen Kriegsgegner beigetragen. „Die Freundschaft zu Deutschland hat meiner Mutter viel bedeutet“, sagte Charles, der auch an die jahrhundertealten familiären Bindungen der Windsors nach Deutschland erinnerte.

Hamburg spielt eine besondere Rolle in der deutsch-britischen Geschichte

Nach seinem Auftritt im Berliner Reichstag besuchte das britische Staatsoberhaupt ein deutsch-britisches Pionierbrückenbataillon in Finowfurt bei Eberswalde. „Deutschland ist das einzige Land, mit dem wir so etwas machen“, so der Monarch. Danach wollte sich der umweltbewusste Monarch noch im Ökodorf Brodowin nordöstlich von Berlin über die Fortschritte bei der ökologischen Landwirtschaft informieren.

Mit dem ICE geht es dann für das Königspaar am Freitag ins anglophile Hamburg, wo Charles III. erst an die Flucht jüdischer Kinder nach Großbritannien während der Nazizeit erinnern und dann in der Kirche St. Nikolai der Bombenopfer von 1943 gedenken will.

Mehr: King Charles – In königlicher Mission für Europa



<< Den vollständigen Artikel: Staatsbesuch: König Charles III. verscheucht die bösen Brexit-Geister >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.