Nun hat das Weiße Haus eine Liste veröffentlicht, in der Dutzende Ankündigungen von Unternehmen in Sachen Elektromobilität gesammelt sind. Die Botschaft lautet offenbar: Seht her, diese großen Firmen machen mit. Doch längst nicht alle Konzerne mit Elektrifizierungsplänen stehen auf Bidens Liste.
Die größten privaten Investitionen fließen in den Austausch von Verbrenner-Fahrzeugflotten, wie die Aufstellung zeigt. So hat der Onlinehändler Amazon über 3000 Elektrotransporter auf die Straße gebracht und plant, 2030 ganze 100.000 elektrische Lieferwagen zu betreiben.
Waymo, der autonome Taxibetreiber aus dem Google-Konzern, will noch in diesem Jahr seine Verbrennerflotte ausmustern und auf vollelektrische Jaguar-Modelle umstellen. Und First Student, einer der größten Anbieter von Schulbussen, will insgesamt 30.000 Schulbusse durch E-Versionen ersetzen.
Der deutsche Konzern Siemens plant, Ladestationen an allen seinen US-Standorten und in den Häusern seiner Angestellten einzurichten. Zudem soll die US-Firmenflotte mit 10.000 Fahrzeugen vollelektrisch fahren.
Das Weiße Haus sprach in einer Mitteilung von einem „historischen Umbau“. Unter Bidens Präsidentschaft habe sich der Absatz von Elektrofahrzeugen verdreifacht. Auch sei die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladestationen seit seinem Amtsantritt um über 40 Prozent gestiegen.
Die Zahl der Ladestationen hat in den vergangenen Jahren laut US-Regierung stark zugenommen.
Insgesamt fahren über drei Millionen Elektroautos auf US-Straßen, hinzu kommen landesweit gut 132.000 öffentliche Ladestationen, zählt das Weiße Haus auf. Das klingt viel – angesichts von 282 Millionen in den USA zugelassenen Fahrzeugen zeigt sich jedoch das Ausmaß des geplanten Umbaus.
Autobauer und Transportunternehmen stehen nicht auf der Liste
Interessant ist, welche Unternehmen in der Auflistung fehlen. So ist keiner der großen amerikanischen Autobauer vertreten. Auch will sich kein klassisches Transportunternehmen mit prominenten Zielen zitieren lassen. Über die Gründe lässt sich nur mutmaßen. Es scheint jedoch denkbar, dass einige Unternehmen sich keine zu große Nähe zur Biden-Regierung nachsagen lassen wollen und deswegen nicht aufgelistet sind.
Manche Erwähnungen sind vor allem Absichtserklärungen oder Marketingbotschaften. So kündigt der Autovermieter Hertz an, 2023 knapp zwei Millionen E-Auto-Mieten vermitteln zu wollen, fünfmal mehr als 2022. Und Mercedes-Benz kündigt an, im April „Electric Dream Days“ veranstalten zu wollen, an denen die Händler über die Vorteile von E-Autos informieren sollen. Zu Jahresbeginn hatte der Autobauer bereits einen Ausbau des Schnellladenetzes angekündigt.
Für hilfreich hält das Weiße Haus auch neue Onlinetools, die Tech-Konzerne und Großbanken bereitstellen. So will Google ein neues Suchwerkzeug anbieten, mit dem Verbraucher nach verfügbaren Steuerrabatten für den Kauf von E-Fahrzeugen suchen können. Wells Fargo lässt eine Anwendung ausrechnen, in welchem Verhältnis Kosten und Nutzen einer Umstellung von Fahrzeugflotten stehen.
Den Bundesbehörden hat Biden die Umstellung auf E-Fahrzeuge vorgeschrieben: 2023 haben diese bereits 13.000 Elektrofahrzeuge angeschafft, viermal so viele wie 2022. Ab 2027 müssen alle neu angeschafften Bundes-Pkw emissionsfrei sein, ab 2035 auch alle -Lkw.
Anreize statt Verbote
Viele der Investments von privaten Unternehmen hängen mindestens indirekt mit der US-Politik zusammen. Die USA setzen unter Biden beim Umbau hin zur Elektromobilität vor allem auf finanzielle Anreize. Ein Verbot neuer Verbrenner, wie in der Europäischen Union nun beschlossen und von Staaten wie Norwegen bereits umgesetzt, steht nicht zur Debatte.
Diesen Kurs teilen längst nicht alle. Der Chef der Investmentboutique DAI Magister, Victor Basta, kritisiert das. Europa manage den Umbau zum nachhaltigen Wirtschaften besser als die USA, sagte er dem Handelsblatt. „Weil Europa das Gleiche tut wie China und auf eine Kombination aus Geld und Regulierung setzt“, meint er. Die USA hingegen verteilten nur Subventionen, so Basta.
Kunden von E-Auto-Herstellern profitieren von Steuerrabatten, wenn ihre Fahrzeuge in Nordamerika produziert werden.
Wichtigstes Instrument der US-Regierung ist der „Inflation Reduction Act“ (IRA). Das 2022 verabschiedete Subventionspaket ist gut 430 Milliarden Dollar schwer. Es sieht großzügige Steuerrabatte für die Käufer von in Nordamerika produzierten Elektroautos vor und unterstützt den Aufbau von Ladestationen.
In der Autobranche hat es einen Nordamerika-Boom ausgelöst. „Der IRA wirkt. Er hilft dabei, neue Ladestationen aufzubauen“, sagte etwa der Chef des größten US-Ladenetzbetreibers Charge Point, Pasquale Romano, dem Handelsblatt.
Auch der Vorstandschef der schwedisch-chinesischen E-Auto-Marke Polestar, Thomas Ingenlath, betont die Signalwirkung des IRA. Am Dienstag hat er in New York den neuen Polestar 3 vorgestellt, ein großes SUV, das auf den US-Markt abzielt.
Der Polestar-CEO ist sich sicher, mit dem neuen Modell wachsen zu können: „Wir werden unseren Marktanteil in den USA deutlich steigern.“ Ab 2024 will Polestar im Volvo-Werk in South Carolina auch regional produzieren, statt die Autos aus China zu importieren. Denn die importierten Fahrzeuge fallen aktuell noch nicht unter die IRA-Steuerrabatte.
Schwelender Streit mit der EU
Es sind Schritte wie diese, die auf Bidens Agenda einzahlen. Der US-Präsident will die heimische Industrieproduktion ankurbeln, mithilfe nachhaltiger Technologien, und nimmt dafür höhere Staatsschulden in Kauf.
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Gleichzeitig belastet seine Politik jedoch das transatlantische Verhältnis. So schafft das IRA-Subventionspaket hohe Marktbarrieren für ausländische Autobauer. EU-Hersteller ohne Produktionsstätte in den USA werden teilweise von den Förderungen ausgeschlossen – und beschweren sich.
An diesem Freitag will das US-Finanzministerium, das den IRA umsetzt, die letzten offenen Regeln für die E-Auto-Anreize veröffentlichen. Vermutlich wird Biden der EU in Teilen entgegenkommen, aber nicht vollständig. So drohen strenge „Made in America“-Anforderungen in der Batterieproduktion.
Um den Streit zu befrieden, arbeiten Washington und Brüssel an einer transatlantische Rohstoff-Partnerschaft. Ziel ist ein neues Lieferketten-Netzwerk für kritische Rohstoffe, Mineralien und seltene Erden in der Batterieproduktion. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besuchte dazu jüngst Biden im Weißen Haus. Bislang gibt es keinen Vertrag, nur eine Absichtserklärung.
Die EU kritisiert immer wieder die aus ihrer Sicht protektionistischen Tendenzen der USA mit ihrem IRA.
(Foto: UPI/laif)
Dem demokratischen US-Senator Joe Manchin, bekannt für seine ausgesprochen kompromisslose Linie, gehen die Zugeständnisse an die EU schon jetzt zu weit. „Notfalls verklage ich das Finanzministerium“, sagte er am Donnerstag. Der Demokrat fürchtet, dass bei zu vielen Ausnahmen weiterhin chinesische Rohstoffe in die USA gelangten statt aus heimischer Förderung.
Wegen der knappen Mehrheiten im US-Senat kann es sich Biden kaum leisten, Mitglieder seiner Partei zu vergraulen. Manchin hat bereits zwei wichtige Biden-Personalien im Senat blockiert, aus Protest gegen die Gespräche mit der EU. Die Erfolgsübersicht vom Donnerstag ist damit auch als Signal an Bidens innerparteiliche Kritiker zu verstehen.
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