Paris, Berlin Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ließ keinen Zweifel daran, dass sie das Ergebnis der Bürgerbefragung über ein Verbot von Elektro-Leihrollern umsetzen wird: Die Menschen in der französischen Hauptstadt hätten sich „klar“ gegen die E-Scooter ausgesprochen, sagte die Sozialistin. Fast 90 Prozent stimmten am Sonntag für die Abschaffung – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nicht einmal acht Prozent.
Am Ende entschieden also rund 100.000 Bürger über das Schicksal der „Trottinettes“, die schätzungsweise 400.000 Menschen in Paris jeden Monat nutzen – Einheimische, aber auch viele Touristen.
Die Folgen des Votums reichen weit über die Lokalpolitik hinaus: Paris galt bei der Einführung der Leihroller als Vorreiter. Wird die Stadt nun zum Vorbild für andere Metropolen, in denen der Widerstand gegen das Fortbewegungsmittel ebenfalls wächst?
Seit 2018 ist das E-Roller-Angebot in Paris stark gestiegen, zuletzt standen 15.000 von ihnen zum Ausleihen auf den Straßen. Ende August geht diese Zeit abrupt zu Ende, die Lizenzen für die drei Anbieter Tier, Lime und Dott sollen dann nicht verlängert werden.
Der Pariser Stopp trifft die Branche in einer ohnehin sehr schwierigen Zeit: Der scharfe Wettbewerb und die hohen Kosten setzen den Start-ups zu. Viele Experten sagen bereits eine Konsolidierungswelle vorher.
Verleiher befürchten Signalwirkung für andere Städte
Die Sorge der Verleiher ist nicht nur die mögliche Signalwirkung der Pariser Entscheidung für andere Metropolen – sondern auch, dass kleinere und mittlere Städte zögern könnten, die Vermietung von E-Scootern einzuführen.
Besonders hart ist das Verbot für Dott: „Paris ist unsere Leuchtturm-Stadt“, sagte Matthieu Faure, Marketingchef des französischen Start-ups. Die Hauptstadt mache 15 bis 20 Prozent des gesamten Umsatzes aus. Das Verbot sei ein Rückschritt, vor allem auch mit Blick auf das Jahr 2024, wenn Paris die Olympischen Spiele ausrichtet.
Auch für den Berliner Konkurrenten Tier ist Paris ein wichtiger Standort. Dort sind aktuell rund 5000 E-Scooter und E-Bikes von Tier unterwegs. Das Wählervotum sei sehr enttäuschend, sagte ein Firmensprecher. Paris isoliere sich damit vom Rest der Welt. Tier will nun ausschließlich auf die Vermietung von E-Bikes in Paris setzen.
Der schwedische Anbieter Voi, der selbst nicht in Paris aktiv ist, teilte mit: „Wir glauben, dass alle Beteiligten mehr hätten tun können, um die Integration in den Mobilitätsmix zu verbessern, indem sie in eine sicherere Infrastruktur, mehr Verkehrserziehung und einen besseren Rechtsrahmen investiert hätten.“
VCD: E-Scooter können zur Verkehrswende beitragen
Beim weltweiten Marktführer Lime gehört Paris zu den fünf lukrativsten Städten. Der US-Konzern hofft darauf, trotz des Wählerentscheids doch noch einen Weg für den Betrieb der weiß-grünen E-Scooter zu finden, sagt ein Firmensprecher. Man wolle mit Hidalgo über „intelligente Regelungen“ verhandeln. Das aktuelle Verbot betrifft nur Leihexemplare, die Benutzung von privaten E-Scootern soll dagegen nicht eingeschränkt werden.
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Anika Meeken vom ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland (VCD) verweist darauf, dass E-Scooter einen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen in Städten leisten können. „Grundsätzlich tragen E-Scooter dann zur Verkehrswende bei, wenn sie zum Ersatz von Pkw-Fahrten beitragen“, sagte Meeken. Hier gebe es ein hohes Verlagerungspotenzial, da 25 Prozent aller Pkw-Wege kürzer als zwei Kilometer seien.
Paris zeige allerdings, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssten. Sinnvoll könnten bestimmte Verteilerschlüssel für Scooter-Anbieter sein, damit die Roller nicht überhand nähmen. Zudem könnten Plätze gekennzeichnet werden, wo die Scooter abgestellt werden müssten und eben keine Gehwege blockierten.
Viele deutsche Städte wie Jena und Bremen setzen inzwischen auf Ausschreibungen, um den Markt zu reglementieren. Wien führt neue Regeln ein, um ein Scooter-Chaos zu vermeiden. Ein E-Scooter-Verbot ist bisher in keiner weiteren europäischen Großstadt im Gespräch.
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Die Anbieter wollen jedenfalls auf die Städte zugehen und haben zum Jahreswechsel ein entsprechendes Positionspapier verfasst. Darin heißt es beispielsweise, maximal drei Anbieter sollten in einer Stadt aktiv sein. Die meisten Experten gehen davon aus, dass das auch noch zu viele sind, um das Geschäft wirtschaftlich betreiben zu können.
Bisher hat erst Lime im vergangenen Jahr beweisen können, dass man als international tätiger Verleiher einen Bruttogewinn erzielen kann. Das Berliner Milliarden-Start-up Tier muss da erst noch hinkommen. Um Kosten zu reduzieren, entließ Tier inzwischen Hunderte Mitarbeiter.
Pariser Bürgermeisterin war für Verbot
In Paris hatte sich Hidalgo für ein Verbot der Leihroller starkgemacht. Die Bürgermeisterin beklagte ein anarchisches Fahrverhalten vieler Nutzer auf den Straßen und Bürgersteigen. Die Stadt verzeichnete vergangenes Jahr 408 Unfälle mit E-Scootern, bei denen drei Menschen starben und 459 verletzt wurden.
An der Bürgerbefragung nahmen offenbar vor allem ältere Pariser teil, die sich dann mit überwältigender Mehrheit für die Abschaffung aussprachen. Die drei Verleiher hatten mit einer Kampagne in sozialen Medien noch versucht, mehr junge Leute zur Stimmabgabe zu motivieren. Die Mehrheit der E-Scooter-Nutzer ist einer Studie zufolge zwischen 18 und 35 Jahre alt.
Die Mobilisierungsoffensive mit bezahlten Influencern auf Tiktok und anderen Plattformen blieb erfolglos. „Wir nehmen diese beispiellose Bürgerbefragung zur Kenntnis“, schrieben Tier, Lime und Dott in einer gemeinsamen Erklärung. Sie beklagten die niedrige Beteiligung: Mit mehr Wahllokalen und digitalen Möglichkeiten zur Stimmabgabe hätte man viel mehr Pariser an die Urnen holen können. Nun gehe es für die Unternehmen darum, eine Lösung für ihre rund 800 Angestellten in Paris zu finden.
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