Apr 3, 2023
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Südosteuropa: Annäherung zwischen Türkei und Griechenland: Erdogan überrascht mit Kurswechsel

Written by Ozan Demircan


Bewachte Grenze zwischen Griechenland und der Türkei

Die Beziehungen zwischen den Nachbarn waren in der Vergangenheit geprägt von Konflikten.


(Foto: dpa)

Ankara, Athen Wenn sich die Verteidigungsminister von zwei Nato-Ländern treffen, ist das normalerweise keine große Nachricht. In diesem Fall schon, denn es handelt sich um Griechenland und die Türkei. Das Treffen von Nikos Panagiotopoulos und Hulusi Akar wird in Washington, bei der Nato und der EU aufmerksam beobachtet. Denn die Annäherung zwischen Athen und Ankara ist ein bedeutender außenpolitischer Kurswechsel des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Das Ministertreffen findet im südosttürkischen Hatay statt. Anfang Februar starben in der Region bei den verheerenden Erdbeben über 50.000 Menschen. Als eine der ersten Nationen schickte Griechenland noch am Tag der Katastrophe Rettungsmannschaften und Hilfsgüter. „Efharisto poli file“ titelte die regierungsnahe türkische Zeitung „Hürriyet“ auf Griechisch, „Vielen Dank, Freunde“.

Noch vor wenigen Wochen drohte Erdogan mit Raketenangriffen auf Athen. Jetzt schickte er überraschende diplomatische Grüße zum griechischen Nationalfeiertag am 25. März und versprach „Bemühungen um Zusammenarbeit und Weiterentwicklung unserer Beziehungen“.

Erdogan belässt es nicht nur bei freundlichen Worten. Während türkische Militärpiloten seit Jahren mehrmals in der Woche im Tiefflug über griechische Ägäisinseln donnerten, gab es im Februar und März keinen einzigen solchen Überflug – gegenüber 234 im Vorjahr. „Die Entspannung ist bemerkenswert“, sagt der griechische Verteidigungsminister Panagiotopoulos.

Die Annäherung an Athen ist Teil der türkischen Öffnung in Richtung Westen. Seit Anfang März setzt die Regierung in Ankara Teile der westlichen Sanktionen gegen Russland um, an denen sie sich zuvor nicht beteiligt hatte. Russische Fluggesellschaften, die mit amerikanischen Flugzeugtypen etwa vom Typ Boeing fliegen und damit ebenfalls unter die Sanktionen fallen, können bald eventuell nicht mehr auf türkischen Flughäfen landen.

Erdogan buhlt um Hilfe aus der EU und den USA

Auch die Zustimmung zum finnischen Nato-Beitritt zählt zu den Schritten von Staatspräsident Erdogan, die dem Westen gefallen dürften. Nach monatelangen Verhandlungen votierte das türkische Parlament Ende vergangener Woche für den Beitritt des skandinavischen Landes.

Erdogans Motive für diese Wende könnten mit einer neuen Bewertung der geopolitischen Lage zusammenhängen. Zu Beginn des Krieges konnte die Türkei von ihrer neutralen Haltung als Makler zwischen dem Westen einerseits und Russland andererseits profitieren, Einigungen wie den Getreidedeal einfädeln und ganz nebenbei auch wirtschaftlich enorm profitieren. Der Handel mit Russland hatte sich seit Kriegsbeginn verdreifacht, auch wegen erhöhter Preise.

Die USA hatten mehrfach gedroht, Strafmaßnahmen gegen türkische Unternehmen zu verhängen, sollten diese Sanktionen gegen Russland unterlaufen. Auch die EU hatte in einem ihrer Sanktionspakete gegen Russland sekundäre Sanktionen gegen Firmen angedroht, die die Vorgaben der EU umgehen.

Je länger der Krieg andauert, desto schwieriger wurde Erdogans Gratwanderung. Seine wichtigsten politischen und ökonomischen Partner liegen größtenteils westlich der Türkei. Er braucht politische Unterstützung aus dem Westen, will er bei den Wahlen im Mai das Rennen um die Präsidentschaft für sich entscheiden.

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Und die Hilfe des Westens braucht Erdogan auch beim Wiederaufbau nach der Erdbebenkatastrophe. Die Schäden belaufen sich auf rund 100 Milliarden Euro. Allein kann die Türkei den Wiederaufbau nicht stemmen.

Zudem will Erdogan von den USA neue Kampfjets und von der EU ein erweitertes Zollabkommen. Beides wären im Wahlkampf für ihn gute Nachrichten – aber ohne die Preisgabe des Handels mit Russland und eine Annäherung an Griechenland wohl nicht erreichbar.

Mit Panagiotopoulos reist am Dienstag auch der griechische Migrationsminister Mitarakis ins Katastrophengebiet in der Südosttürkei. Er trifft dort den türkischen Innenminister Süleyman Soylu. Das Thema Migration und die unterschiedliche Auslegung der EU-Flüchtlingsvereinbarung sorgen seit Jahren für Spannungen zwischen Athen und Ankara. Wenn sich aus dem Ministertreffen ein Anknüpfungspunkt für eine bessere Umsetzung des Flüchtlingsdeals ergibt, wäre das auch für die EU ein Durchbruch.

Wie tragfähig die Annäherung zwischen Athen und Ankara ist, wird sich aber erst in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Erst einmal wird in beiden Ländern gewählt: am 14. Mai in der Türkei und eine Woche darauf in Griechenland. Danach werden die Karten im Verhältnis der beiden schwierigen Nachbarn neu gemischt.

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