Berlin, Brüssel An diesem Dienstag rückt die Beschränkung von chinesischer Technologie im deutschen Mobilfunknetz einen Schritt näher: Die Telekommunikationsanbieter Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica sind aufgefordert, dem Bundesinnenministerium bis zum 4. April alle kritischen Komponenten made in China zu melden, die in ihren Netzen verbaut sind.
Nach der dramatischen Erfahrung des Ukrainekriegs und der folgenschweren Entscheidung, deutsche Gasspeicher in die Hand des russischen Energiekonzerns Gazprom zu legen, räumt das Innenministerium von SPD-Politikerin Nancy Faeser dem Schutz kritischer Infrastruktur höchste Bedeutung zu.
Doch nicht alle Ministerien, die an der regierungsinternen Abstimmung beteiligt sind, teilen diese Linie. Vor allem das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) widersetzt sich einem harten Vorgehen gegen die chinesischen Tech-Lieferanten Huawei und ZTE, wie das Handelsblatt von mehreren hochrangigen Regierungsquellen erfuhr. Grund ist die Sorge davor, die Ausbauziele für das superschnelle 5G-Netz zu verfehlen. Der Huawei-Streit geht damit in eine neue Runde, wenngleich er nun in einem geordneten bürokratischen Verfahren eingebettet ist.
Auf Grundlage der von den Netzbetreibern gemeldeten Komponenten will das Innenministerium voraussichtlich bis zum Sommer entscheiden, welche Bauteile ersetzt werden müssen. Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica pflegen enge Beziehungen nach China, vor allem zu Huawei. Laut Branchenschätzungen hat die Telekom 65 Prozent ihres Antennennetzes mit Technik des chinesischen Unternehmens gebaut, bei Vodafone und Telefónica sind es etwa 50 Prozent.
Einen klaren Zeitplan gibt es nicht, da das Gesetz keine Fristen vorsieht: Die Prüfung der gemeldeten Komponenten solle bis Anfang Juli abgeschlossen sein, lässt die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion wissen, die dem Handelsblatt vorliegt. Anschließend, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage, werde die Entscheidungsfindung der Bundesregierung erfolgen.
Bundesinnenministerium warnt vor starker Abhängigkeit
Intern hat sich das Innenministerium nach Handelsblatt-Informationen aber schon festgelegt: Die starke Abhängigkeit der deutschen Netzbetreiber von chinesischer Technologie könnte die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik gefährden. Daher werde das Verfahren „kritisch ausgehen“, hieß es zuletzt. Ein zentrales Kriterium sei dabei die Frage der „voraussichtlichen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“.
Das deutsche Gesetz bietet zwar theoretisch auch die Möglichkeit, das Verbauen von kritischen Komponenten bestimmter Hersteller schon im Vorfeld, also ex ante, zu verbieten. Allerdings gilt diese Option als juristisch zu leicht angreifbar. Die Angaben der Hersteller sollen nun die Bundesregierung dazu befähigen, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche Komponenten kritisch sind und welche nicht. Intern ist von einem „Ex-post“-Verfahren die Rede.
Die Bundesregierung betont, dass nach aktueller Rechtslage ein pauschaler Ausschluss einzelner Produkte oder Hersteller aus 5G-Netzen mit Ausnahme von schwerwiegenden Missbrauchsfällen nicht vorgesehen sei. Daher werde der Einsatz jeder Komponente im Einzelfall durch das Bundesinnenministerium geprüft.
Theoretisch gibt es zwei Optionen: Die Bundesregierung könnte bei einer akuten Gefahr den sofortigen Austausch von kritischen Komponenten anordnen. Oder sie könnte mit den Netzbetreibern einen schrittweisen Ausbau vereinbaren. Als realistisch gilt in Berlin nur Option zwei.
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Allerdings muss das Bundesinnenministerium die Entscheidung „im Einvernehmen“ mit den anderen beteiligten Ressorts treffen. Dazu zählen das Auswärtige Amt und das Verkehrsministerium. Wissing hat also de facto ein Vetorecht.
Deshalb werden in der Regierung nun Argumente ausgetauscht, die schon aus der Huawei-Debatte zur Zeit der Großen Koalition bekannt sind. Schon damals hieß es, dass eine Beschränkung von chinesischen Tech-Anbietern wie Huawei den Netzausbau in Deutschland gefährden würde.
Auch Teile des grün geführten Wirtschaftsministeriums sehen Restriktionen für Huawei- oder ZTE-Produkte kritisch und fürchten hohe Kosten und Verzögerungen beim Netzausbau. So heißt es in einem vertraulichen Papier des Hauses von Vizekanzler Robert Habeck an den Bundestag: „Sofern umfangreiche Umrüstungen aufgrund getroffener Untersagungen oder Anordnungen erforderlich werden, ist von erheblichen Auswirkungen auf den Betrieb der Mobilfunknetze und die Erfüllung von Versorgungsauflagen auszugehen.“
Die Hausleitung um Habeck, die für eine stärkere Abgrenzung von China steht, teilt diese Auffassung ausdrücklich nicht – der Ärger über das Vorpreschen der Beamten ist entsprechend groß.
Auch im Auswärtigen Amt sieht man eine Zusammenarbeit mit chinesischen Anbietern kritisch. „Wir wissen, dass bestimmte Unternehmen, darunter auch ZTE und Huawei, rechtlichen Verpflichtungen in China unterliegen, die sie zur Zusammenarbeit mit chinesischen Sicherheitsbehörden und insbesondere zur Weitergabe von Daten verpflichten“, erklärte ein hochrangiger Diplomat.
Chinesische Regierung hat Verbindungen zu Huawei
Im Auswärtigen Amt sieht man eine neue Situation. So habe man beobachtet, dass „eine ganze Reihe unserer wichtigsten Partner ihre Sicht auf die Sicherheit der 5G-Netze geändert und härtere Regelungen erlassen haben“. Zudem habe sich die Cybersicherheitslage insgesamt „erheblich verschlechtert“, was auch mit dem veränderten Verhalten Chinas zu tun habe.
Sowohl ZTE als auch Huawei stünden auf verschiedenen Ebenen unter Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), heißt es in der Regierungsantwort auf die Kleine Anfrage der Unionsfraktion. Als eine dieser Einflussmöglichkeiten nennt die Regierung sogenannte Parteizellen, also Organisationseinheiten der KPCh innerhalb von Unternehmen.
Das chinesische Gesellschaftsrechtsgesetz berechtige die Partei dazu, solche Zellen zur Ausübung von Parteiaktivitäten in Unternehmen einzurichten. Tatsächlich schreibt das chinesische Gesetz Parteizellen für alle Unternehmen in der Volksrepublik vor, in denen drei oder mehr Parteimitglieder arbeiten. „Hierdurch verfügt die KPCh rechtlich und tatsächlich über die Möglichkeit, durch Einwirkung auf die Geschäftsführung und Unternehmenspolitik die Erfüllung politischer Zielvorgaben effektiv sicherzustellen“, heißt es in der Regierungsantwort. Dass die Zellen Einfluss auf Geschäftsentscheidungen nehmen können, hatte das Handelsblatt am Beispiel eines deutschen Unternehmens jüngst gezeigt.
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Auch Huawei und ZTE unterhalten nach Kenntnis der Bundesregierung einen solchen KPCh-Parteiarm. Sowohl Huawei-Gründer Ren Zhengfei als auch Verwaltungsratschef Liang Hua seien zudem Mitglieder der Partei.
Am Ende wird es bei der Entscheidung, wie viel chinesische Technik im deutschen Netz noch sicher ist, auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) ankommen. Der erscheint bisher vor allem darum bemüht, die Diskussion von sich fernzuhalten. „Die Frage, wie kann man sicherstellen, dass unsere Infrastrukturen vor Missbrauch geschützt sind, dass wir nicht abhängig sind, ist Teil bereits gesetzlich regulierter staatlicher Handlungsmechanismen auf Behördenebene“, sagte Scholz zuletzt in Brüssel.
Dabei ist völlig klar: Die Entscheidung darüber, Chinas Tech-Champion Huawei die Vertrauenswürdigkeit zu entziehen, ist keine Verwaltungsangelegenheit, sie ist hochpolitisch – und wird Konsequenzen für die deutsch-chinesischen Beziehungen haben.
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