Apr 5, 2023
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Wirtschaftswachstum: Führende Institute warnen vor geplanten Energiesubventionen

Written by Julian Olk


Stefan Kooths (l-r) vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut

Die Ökonomen sehen einen Industriestrompreis kritisch,


(Foto: dpa)

Berlin Die vier führenden Wirtschafsforschungsinstitute in Deutschland warnen davor, Strom für die Industrie mit Staatshilfen zu vergünstigen. Das sei „hochgradig kontraproduktiv“, sagte der Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, bei der Vorstellung der gemeinsamen Konjunkturprognose des IWH, des Leibniz-Instituts RWI in Essen, des Ifo-Instituts in München und des IfW in Kiel am Mittwoch.

Subventionen, die Preissignale konterkarieren, sind nach Ansicht der Ökonomen der falsche Weg. „Die Bundesregierung sollte bei der Energiewende verstärkt auf den Preis setzen“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Die Ökonomen reagieren damit auf Planspiele der Bundesregierung für einen Industriestrompreis. Seit einigen Monaten geht ob der hohen Energiepreise die Sorge vor einer Deindustrialisierung durch das Land. Es wird befürchtet, die im internationalen Vergleich höheren Energiepreise würden dazu führen, dass Unternehmen abwandern. Die Regierung will das durch staatliche Unterstützung verhindern.

Direkte Verträge zwischen Industrieunternehmen und den Herstellern günstiger Energie aus erneuerbaren Quellen sollen helfen. Bis das großflächig möglich sein wird, dürfte es allerdings noch bis Ende des Jahrzehnts dauern.

Deshalb diskutiert Berlin einen kurzfristigen Industriestrompreis, der durch einen Preisdeckel oder Zuschüsse vergünstigt wird, ähnlich wie das aktuell angewandte Kriseninstrument der Preisbremsen.

>> Lesen Sie hier: Plan für Industriestrompreis: Große Stromverbraucher sollen dauerhaft vor Preisrisiken geschützt werden

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Wahlkampf einen Industriestrompreis von vier Cent je Kilowattstunde in Aussicht gestellt. Wegen der stark gestiegenen Preise gilt das inzwischen als unrealistisch, in der Regierungskoalition ist aber von einem subventionierten Preis um die zehn Cent die Rede.

Fehlende Preissignale könnten zu wirtschaftlicher Schrumpfung führen

Die Institute halten das für einen großen Fehler. Sie fürchten enorme gesamtwirtschaftliche Schäden, weil fehlende Preissignale die Suche nach Innovationen unattraktiver machten. Diese brauche es aber, um die Klimaziele zu erreichen. Dabei beziehen sich die Institute auf Berechnungen im Rahmen ihrer jüngsten Prognose, die sie für das Bundeswirtschaftsministerium anfertigen.

Die Institute haben errechnet, auf welchem Weg Deutschland wie gesetzlich vorgegeben seinen CO2-Ausstoß reduzieren kann. Dafür wird die deutsche Wirtschaft Energie einsparen müssen. Das ist auf zwei Wegen möglich: durch technologischen Fortschritt wie neue Maschinen, die weniger Energie verbrauchen. Oder durch direkte Einsparungen, indem die Unternehmen ihre Produktion zurückfahren. Der zweite Weg würde die Wirtschaftsleistung schmälern.

Stahlwerk in Bremen

Die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise in Deutschland lasten auf der Industrie.


(Foto: dpa)

Das Ergebnis der Berechnungen: Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, ohne das Wirtschaftswachstum zu begrenzen, muss sich der technologische Fortschritt im Energiebereich deutlich beschleunigen. In den 2000er-Jahren betrug der Fortschritt jährlich im Schnitt bloß 1,8 Prozent. Bleibt das so, müsste Deutschland bis 2030 für die Klimaziele so viel Energie auf direktem Weg sparen, dass die Wirtschaft um 14 Prozent schrumpfen würde.

  • Rechnet man die starken technologischen Fortschritte nach den Ölkrisen in den 1980er-Jahren ein, liegt der historische Energiespar-Fortschritt bei 2,7 Prozent im Jahr. Doch selbst das würde in den nächsten Jahren nicht reichen, die deutsche Wirtschaft würde dann bis 2030 um drei Prozent schrumpfen müssen.
  • Damit die deutsche Wirtschaft weiter wie in der Gemeinschaftsprognose vorhergesagt wächst, ist hingegen ein Anstieg des technologischen Fortschritts auf 3,9 Prozent jährlich nötig.
  • Die Hoffnung liegt auf den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr. Fast sieben Prozent betrug der technologische Fortschritt 2022, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Der Grund: Die enormen Preissteigerungen haben den Druck auf die Unternehmen erhöht, in energiesparende Technologie zu investieren, erklären die Ökonomen. „Man hat gesehen, dass der Preis durchaus wirksam ist“, sagt Holtemöller.

Arbeitslosengeld anstatt Unternehmenssubventionen

Die Forscher erkennen durchaus an, dass die höheren Energiepreise für einige Unternehmen drastische Folgen haben werden. Abwanderungen werde es durchaus geben und Arbeitsplätze würden dadurch verloren gehen.

Allerdings sind die Arbeitskräfte in Deutschland ohnehin knapp. Lange würden die Leute, die ihren Arbeitsplatz verlieren, nicht ohne Job bleiben. Für die Zwischenzeit stehe der Sozialstaat zur Verfügung, sagt Holtemöller: „Wir haben sehr gute soziale Sicherungssysteme, und die müssen dann halt arbeiten.“

Die Wissenschaftler machen allerdings eine Einschränkung: Es könne bestimmte Wirtschaftsbereiche geben, in denen Subventionen doch sinnvoll sein könnten, um die Unternehmen in Deutschland zu halten. Holtemöller nannte bestimmte Teile der Medikamenten- oder Energieversorgung. Welche Sektoren das im Detail betreffe, könnten aber nicht Ökonomen einschätzen, sondern müssten Mediziner, Ingenieure oder andere Experten aus den jeweiligen Bereichen bewerten.

>> Lesen Sie hier: Studie: Habecks Plan für Energieeffizienz könnte die Wirtschaft schrumpfen lassen

Etwas Luft bei der Steigerung ihres energiesparenden Fortschritts könnte den Unternehmen der Ausbau der erneuerbaren Energien verschaffen. Dann gäbe es mehr CO2-freie Energie.

Nach den Berechnungen der Institute könnte ein doppelt so schneller Ausbau von Wind-, Wasser- und Solarkraft dafür sorgen, dass ein jährlicher technologischer Fortschritt von 3,2 Prozent anstatt 3,9 Prozent reichen würde, damit Deutschland sein Klimaziel ohne schrumpfende Wirtschaft erreicht.

Mehr: Wirtschaftsweise rechnen 2023 mit 0,2 Prozent Wachstum.



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Politik

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