Apr 9, 2023
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Ukraine: Warum Selenski zögert, russlandtreue Mönche aus dem Land zu werfen

Written by Ivo Mijnssen

Wien An normalen Tagen ist das Höhlenkloster „Lawra“ in Kiew ein ruhiger Ort. Neben schwarz gekleideten Mönchen und Gläubigen verirren sich höchstens ein paar Touristen auf das weitläufige Gelände dieses Unesco-Weltkulturerbes. 

Doch kürzlich kam es in dieser Wiege der ostslawischen Orthodoxie zu lauten Protesten verschiedener Gruppen. Die „ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats“ gilt als Verbündete des Kremls. Einige Ukrainer fordern darum den Rauswurf der Mönche aus der Ukraine, andere wollen genau das verhindern. 

Anlass war eine Durchsuchung des Geheimdienstes SBU. Die Sicherheitskräfte gingen gegen den umstrittenen Klostervorsteher Abt Pawel vor. Vorgeworfen wird ihm „Schürung interreligiöser Feindschaft“ und „Rechtfertigung von Russlands Aggression“. Dann stellte ihn ein Gericht in Kiew für 60 Tage unter Hausarrest. 

Diesen muss er außerhalb des Klosters absitzen, da die Behörden die Präsenz seiner Kirche im Höhlenkloster als illegitim betrachten. Den Pachtvertrag für deren oberen Teil, der zu einem staatlichen Freilichtmuseum gehört, beendeten sie Ende letzten Jahres. 

Den unteren Teil kontrolliert die Kirche seit 35 Jahren. Rechtlich ist sie aber Mieterin, ohne zu bezahlen. Diesen Vertrag hat der Staat zu Ende März gekündigt. 

Pawel und seine Geistlichen betrachten die Entscheidung als politisch motiviert und weigern sich, das Gelände zu verlassen. Der ukrainische Staat verzichtet bisher darauf, die Ausweisung mit Gewalt durchzusetzen, um den Vorwürfen der religiösen Verfolgung keinen Auftrieb zu verleihen. 

Kloster Lawra in Kiew

Umstrittenes religiöses Zentrum mitten in der Hauptstadt.

(Foto: imago/Panthermedia)

Rechtlich steht das Vorgehen zudem auf eher schwachen Füßen. Geht das Verfahren den korrekten Instanzenweg durch die notorisch überlasteten Gerichte, können sich die Mönche ausrechnen, dass sie noch Jahre auf dem Gelände bleiben können. 

Dass es sich aber um eine hochpolitische Frage handelt, bestreitet in der Ukraine grundsätzlich kaum jemand: Es geht darum, ob das Land den Verbleib einer Kirche, die sich erst unter dem Eindruck von Wladimir Putins Angriff im letzten Jahr vorsichtig von ihren Patronen in Moskau distanziert hat, im symbolischen Zentrum der Hauptstadt tolerieren will. 

>> Lesen Sie hier: Polen sagt Selenski bei dessen Staatsbesuch weitere Hilfe zu

Der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko gründete 2018 eine alternative Kirche für die ukrainischen Christen. Neben der „ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats“ gibt es nun auch die „orthodoxe Kirche der Ukraine“, die der Regierung in Kiew nahesteht. Sie würde das Gelände des Höhlenklosters gerne übernehmen 

Poroschenkos Nachfolger Wolodimir Selenski will die Kreml-nahe Kirche nun verbieten lassen. Er belegte führende Kirchenmänner mit Sanktionen. 

Louis Vuitton und Patek Philippe 

Zu ihnen gehört auch Abt Pawel, der vielen Ukrainern als Inbegriff aller Übel des Moskauer Patriarchats gilt: Über Jahre sonnte er sich im Glanz Putins, der ihn mit einem Orden auszeichnete. Als Pawel am Wochenende auftrat, um sich gegen die Ausweisung aufzulehnen, trug er nicht nur einen Louis-Vuitton-Schal, sondern auch eine Patek-Philippe-Uhr im Wert von fast 40.000 Euro. 

In einem vom SBU veröffentlichten Telefongespräch hatte der Abt Freude über die Besetzung Chersons geäußert und den Angriff auf die Ukraine als „Krieg zwischen Amerika und Russland bis zum letzten Ukrainer“ bezeichnet. 

>> Lesen Sie hier: Kirche und Krieg: Christen beklagen Repressionen unter Selenski

Allerdings sind nicht alle Vertreter der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats so verhasst wie Pawel. Und viele Ukrainer fühlen sich der Kirche weiter zugehörig. Gerade im Osten des Landes bleibt sie relevant. 

Weihnachten der neuen orthodoxe Kirche der Ukraine

Im Januar 2023 konnte die von Poroschenko gegründete Kirche erstmals das Kloster für eine Weihnachtsmesse nutzen.

(Foto: dpa)

Ein zu hartes Vorgehen gegen die Kirche birgt deshalb auch das Risiko, gewisse Bevölkerungsschichten Russland zuzutreiben. Trotz Kriegs und politischen Drucks sind die Gläubigen bisher auch nicht in Massen zur von Poroschenko gegründeten orthodoxen Kirche der Ukraine übergetreten. 

Der Kulturminister hat in der Vergangenheit angedeutet, dass eine Entfernung Pawels aus der Führung des Höhlenklosters einen Kompromiss darstellen könnte, der eine Ausweisung der gesamten Kirche verhindern könnte. 

Es wäre ein gesichtswahrender Ausweg aus einer Situation, in der beide Seiten viel zu verlieren haben. Noch hat sich die ukrainische Regierung dazu aber nicht durchringen können. 

Mehr: Zerstört, geplündert, russifiziert: Wie der Krieg ukrainische Kulturgüter trifft.



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