Apr 12, 2023
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Nordirland: Joe Biden drängt auf ein Ende des politischen Stillstands in Belfast

Written by Torsten Riecke

London US-Präsident Joe Biden hat die politischen Parteien in Nordirland zur Zusammenarbeit aufgerufen, um die Friedensdividende aus dem Karfreitagsabkommen von 1998 einzufahren. „Frieden und wirtschaftlicher Wohlstand gehen Hand in Hand“, sagte der Amerikaner in einer Rede an der Ulster University in Belfast. Zahlreiche US-Unternehmen warteten nur darauf, nach Nordirland zu kommen und dort zu investieren.

Biden lobte das kürzlich zwischen London und Brüssel vereinbarte Rahmenabkommen. Das sogenannte „Windsor Framework“ schaffe politische Stabilität und damit die Voraussetzungen für mehr Investitionen.

Die EU und die britische Regierung hatten sich im März auf Handelserleichterungen für Nordirland geeinigt, zugleich aber die Mitgliedschaft der Provinz im europäischen Binnenmarkt festgeschrieben. Die London-treuen Unionisten in Nordirland sind mit der Vereinbarung nicht einverstanden und blockieren seit fast einem Jahr die Bildung einer Regionalregierung in Belfast.

Der US-Präsident war am Dienstagabend zu einem politisch heiklen Kurzbesuch in Nordirland eingetroffen, um den 25. Jahrestag des Friedensabkommens von 1998 zu würdigen. Das Karfreitagsabkommen hatte den drei Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg zwischen protestantischen Unionisten und katholischen Nationalisten offiziell beendet. Der amerikanische Sonderbotschafter George Mitchell agierte damals als Vermittler zwischen den Bürgerkriegsparteien.

Der Konflikt zwischen Unionisten und Nationalisten in Nordirland hat sich seit dem Ende der sogenannten „Troubles“ auf die politische Bühne verlagert.

Trotzdem kam es am Ostermontag erneut zu Gewaltausbrüchen in Derry. Die Terrorgefahr in Nordirland wird von den Behörden als hoch eingeschätzt. Politische, kulturelle und religiöse Identität spielen bis heute eine wichtige Rolle in Nordirland.

Die Nordiren setzen darauf, dass US-Konzerne mit Milliardeninvestitionen helfen, das Wohlstandsgefälle der Provinz zum Rest Großbritanniens wettzumachen. Dass Nordirland sowohl Teil des europäischen als auch des britischen Binnenmarkts ist, gilt dabei als Standortvorteil. Zugleich wächst jedoch der Wettbewerb mit der Republik Irland im Süden, die bislang ein Magnet für US-Investitionen in Europa ist.

Druck auf nordirische Regionalpolitiker

Der US-Präsident will mit seinem Besuch auch dazu beitragen, die seit einem Jahr anhaltende Blockade im Regionalparlament von Belfast zu überwinden und die im Karfreitagsabkommen vereinbarte Machtteilung zwischen Unionisten und Nationalisten zu zementieren.

Dazu traf er sich am Mittwochvormittag mit den Führern der wichtigsten politischen Parteien in Nordirland. „Eine effektive dezentrale Regierung wird noch größere Möglichkeiten in dieser Region schaffen“, sagte Biden.

Er hoffe, dass Parlament und Regierung in Stormont bald wiederhergestellt würden. „Das ist eine Entscheidung, die Sie treffen müssen, nicht ich, aber ich hoffe, dass es geschieht“, betonte der Amerikaner, an die nordirischen Politiker gewandt.

US-Präsident Joe Biden bei seiner Rede an der Ulster University in Belfast

Joe Biden rief die politischen Parteien in Nordirland zur Zusammenarbeit auf, um den politischen Stillstand zu überwinden.

(Foto: Bloomberg)

Bereits vor dem Treffen machten Vertreter der Democratic Unionist Party (DUP) jedoch ihr Misstrauen gegenüber dem US-Präsidenten mit irischen Vorfahren deutlich: „Er ist bekannt dafür, dass er prorepublikanisch, antiunionistisch und antibritisch ist, wie wir in den Debatten über den Brexit und das Nordirland-Protokoll gesehen haben“, sagte Sammy Wilson, DUP-Fraktionsvorsitzender im britischen Unterhaus.

Er hoffe, dass Biden nicht nach Belfast komme, um den Unionisten einen Vortrag über Demokratie zu halten. Das Weiße Haus wies den Vorwurf, Biden sei „antibritisch“ und setze sich einseitig für die Wiedervereinigung Irlands ein, als „unwahr“ zurück.

Die DUP blockiert eine Regierungsbildung unter Führung der nationalistischen Partei Sinn Fein, die im vergangenen Jahr erstmals zur stärksten Kraft im Parlament von Stormont geworden war. Mit ihrer Blockade wollen die Unionisten ihre Forderungen nach engeren Bindungen an Großbritannien durchsetzen.

Insbesondere sollen alle EU-Regeln in der Provinz beseitigt werden. Das Rahmenabkommen lehnt die DUP darum ab. London sei unter dem Druck der US-Regierung eingeknickt, sagte Wilson. Der britische Premierminister Rishi Sunak hat Nachverhandlungen mit Brüssel jedoch ausgeschlossen und die DUP aufgefordert, ihre Blockade zu beenden.

Der frühere irische Premier Michael Martin fordert angesichts des Stillstands in Belfast bereits eine Reform des Karfreitagsabkommens. Sein Vorgänger Bertie Ahern sowie der frühere britische Premier Tony Blair, die 1998 das „Good Friday Agreement“ besiegelt hatten, warnten jedoch davor, Veränderungen gegen den Widerstand der Unionisten durchzudrücken.

Eine Überprüfung werde nur dann funktionieren, „wenn sie die Bevölkerungsgruppen zusammenbringt“, sagte Blair. London droht unterdessen damit, die Regierungsgeschäfte an sich zu ziehen, sollte das Regionalparlament handlungsunfähig bleiben.

Keine Fortschritte beim Freihandelsabkommen

Sunak war am Mittwochmorgen mit Biden zu politischen Gesprächen in Belfast zusammengetroffen. Das wichtigste Thema für den britischen Premier stand jedoch nicht auf der Agenda: London drängt seit dem Brexit auf ein Freihandelsabkommen mit den USA, die Bereitschaft in Washington dafür ist jedoch gering.

US-Präsident Joe Biden trifft den britischen Premierminister Rishi Sunak in Belfast

Bei den Gesprächen ging es dem Vernehmen nach vor allem um die Lage in Nordirland und den Konflikt in der Ukraine.


(Foto: dpa)

Mit seinen massiven Subventionen für grüne Technologien hat der US-Präsident nicht nur die EU, sondern auch Großbritannien vor den Kopf gestoßen. Die britische Handelsministerin Kemi Badenoch kritisierte das Vorgehen der USA kürzlich als „protektionistisch“.

Statt eines umfangreichen Freihandelsabkommens hoffen die Briten nun, dass es ihnen zumindest ähnlich wie den Japanern gelingt, neue Exportbarrieren für ihre Autoindustrie auf dem wichtigen US-Markt zu verhindern. „Wenn man die jüngste Geschichte betrachtet, ist Japan immer der Erste. Wir sollten bald folgen“, zitiert die Nachrichtenplattform Politico britische Regierungsvertreter. Konkrete Fortschritte dazu gab es in Belfast jedoch nicht.

Der US-Präsident reiste noch am Mittwochnachmittag weiter nach Dublin. In Irland will er unter anderem zusammen mit seiner Schwester Valerie und seinem Sohn Hunter den Wurzeln seiner irischen Vorfahren begegnen, bevor er am Freitag in die USA zurückkehrt.

Mehr: Politische Spannungen stellen Nordirland erneut vor eine Zerreißprobe



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