Berlin Ab 1. Januar 2024 soll ein neues Zeitalter für die Bahnfahrer in Deutschland beginnen: Der bundeseigene Konzern Deutsche Bahn AG wird mit einer neuen Gesellschaft für ein hoch modernes Schienennetz sorgen.
Künftig sollen die Bahn-Töchter DB Netz AG und die für die Bahnhöfe zuständige DB Station und Service gemeinsam als „Infra-Go“ (Arbeitstitel) dafür sorgen, dass bald schon mehr Züge fahren, pünktlich, bezahlbar und getaktet. Weit mehr Menschen sollen gerne Bahn fahren und das Auto stehen lassen, Unternehmen mit Freude ihre Güter aufs Gleis setzen und nicht mehr auf den Lkw. So haben es SPD, Grüne und FDP verabredet; Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat das Projekt zur Chefsache erklärt.
Die Fusion hat die Ampelkoalition vorgegeben. Die Netzgesellschaft soll dem Eigentümer, den Steuerzahlern, kurz: dem Gemeinwohl dienen – unter dem Dach des Konzerns.
Angesichts neuer Rekordschulden und eines maroden Schienennetzes ist die Bahn bereit, sich zu ändern – aber bei Weitem nicht so, wie es sich die Koalition erhofft. Die Einigkeit von Bund und Bahn endet schnell bei der Frage, wem die neue Gesellschaft unterstellt sein soll.
Vorstand und Gewerkschaft wollen möglichst wenig ändern
Gestritten wird über die Frage, ob der Konzern seinen Einfluss auf das Netz abgibt – oder auch nur teilt. Der Bund will mitreden. Das Management lehnt ab und weiß die Arbeitnehmervertreter auf seiner Seite.
Der Vorstand redet von einem allenfalls „minimalinvasiven Eingriff“. Als „schicksalshaft“ gilt dabei das gerade begonnene zweite Quartal: Laut bahninternem Zeitplan will der Konzern bis Sommer klären, wie er künftig seine bisher getrennten Infrastrukturgesellschaften verschmelzt und steuert.
Der Bahn-Generalbevollmächtigte für die Umbaupläne, Jörg Sandvoß, hat die Belegschaft bereits beruhigt. „Wir wollen so wenig wie möglich ändern“, stellte er vor Ostern klar. Die „Finanzierungsarchitektur und das neue Bewirtschaftungssystem“ stünden im Zentrum. „Es geht nicht um Kästchen und Linien in Organigrammen.“
Doch Minister Wissing will sicherstellen, dass in Zukunft die klima- und verkehrspolitischen Ziele die Investitionen der Bahn ins Netz prägen – und dazu Einfluss nehmen. Im Ministerium ist von „schwierigen Gesprächen“ die Rede.
Der Bahn-Vorstand will, dass die DB Netz AG die DB Station und Service aufnimmt. „Ohne Wenn und Aber“ und als „Wirtschaftsunternehmen“ sollen beide Teile des Konzerns bleiben, wie Sandvoß betont.
Was sich noch ändern soll
Die Muttergesellschaft werde „einen neuen Namen“ bekommen. Was sich aus Sicht der Bahn darüber hinaus ändert? Es wird anstatt zweier nur noch einen Vorstand, einen Aufsichtsrat und einen Gesamtbetriebsrat geben.
Das Bahn-Management weiß die Arbeitnehmervertreter auf seiner Seite. Martin Burkert, Chef der Eisenbahnergewerkschaft EVG, prognostiziert allenfalls „kleinere Synergieeffekte in der Führung des Unternehmens“.
Die Erwartungen seien viel zu hoch, „da es sich nicht um eine Bahnreform handelt“. Zugleich zog Burkert die rote Linie, wonach der integrierte DB-Konzern nicht zerschlagen werden dürfe. „Das setzt voraus, dass die Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge bestehen bleiben.“
Management wie EVG wollen nach der Fusion der Sparten „Ruhe im Konzern“ haben, wie es auf beiden Seiten heißt. Das Wichtigste sei, dass der Bund genügend Geld ins Netz investiere, und zwar über Fonds, die nicht vom jährlichen Haushaltsplan abhängig sind.
Über sie soll dann wie in der Schweiz klar sein: „So viel Eisenbahn wollen wir haben“, wie Infrastruktur-Vorstand Berthold Huber sagt. Er nennt dies „einen stabilen Rahmen um die verkehrspolitischen Ziele ziehen“.
Die Bahn setzt auf die zusätzlich versprochenen 45 Milliarden Euro
Die Haushaltspolitiker im Bundestag müssen die in der Koalition verabredeten 45 Milliarden Euro allein bis 2027 noch beschließen. Offen ist vor allem, wie der Eigentümer in Zukunft wissen kann, was mit seinem Geld geschieht und wie er Einfluss nehmen kann.
Wie will er seine verkehrspolitischen Ziele beim Netzvorstand durchsetzen und den Erfolg überwachen? „Die Politik kann ihren Einfluss auf den Konzern weiter über den Aufsichtsrat wahrnehmen“, wiegelt Gewerkschafter Burkert ab. Er ist sich sicher, dass die neue Gesellschaft deshalb weiter eine AG bleibt und keine GmbH wird, wie politisch angedacht.
>> Lesen Sie hier: Rechnungsprüfer nennen Bahn „Sanierungsfall“ und raten zur Zerschlagung
„Es ist ein Kampf wie bei der Debatte um die Trennung von Netz und Betrieb der Bahn vor 30 Jahren“, heißt es im Ministerium. Schon jetzt sei klar: Der Eigentümer werde letztlich keine Handhabe haben, solange das Netz Teil des Bahnkonzerns bleibe. Eine Struktur, bei der der Eigentümer durchgreifen könne, gelinge schwerlich so schnell und sei Aufgabe für die Zeit nach dem Start. Und so geht es nur noch darum, bis zum 1. Januar 2024 die neue Gesellschaft zu starten.
Mehr: Wissing setzt beim Klimaschutz auf neue Lkw-Antriebe statt auf die Bahn
<< Den vollständigen Artikel: Eisenbahnpolitik: Bahnreform: „Wir wollen so wenig wie möglich ändern“ >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.