Berlin, Washington Bei Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) müssen sich deutsche Finanzminister häufig Kritik anhören. Deutschland spare zu viel und investiere zu wenig, lautete in den vergangenen Jahren regelmäßig der Vorwurf. Doch beim derzeitigen Frühjahrstreffen ist die Stimmung eine andere.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wird die Empfehlungen des IWF mit Freude vernehmen. Der FDP-Chef kann sich bestätigt fühlen in seinem Kurs.
Tatsächlich hat der Währungsfonds seine Empfehlungen geändert. Statt die Konjunktur wie in der Pandemie mit Ausgabenprogrammen zu stützen, plädiert der IWF angesichts der hohen Inflation jetzt für mehr finanzielle Zurückhaltung. Geld- und Finanzpolitik sollten Hand in Hand arbeiten, argumentieren die Washingtoner Experten. Ansonsten würden die Regierungen die Bemühungen der Notenbanken konterkarieren, die Inflation unter Kontrolle zu bringen.
Ähnlich hat auch Lindner in den vergangenen Monaten immer wieder argumentiert, wenn er die Ampelkoalition zu Sparsamkeit mahnte. Kein Wunder, dass der Finanzminister die Empfehlungen des Währungsfonds freudig aufgreift: „Diesen Rat sollte man sehr ernst nehmen“, betonte er.
Für Lindner kommt der Ratschlag zur rechten Zeit. Seit Wochen streitet er sich mit seinen Kabinettskollegen wegen des Haushaltsentwurfs für das kommende Jahr. Die anderen Ministerien fordern insgesamt 70 Milliarden Euro zusätzlich – Geld, das der Finanzminister nicht hat, will er doch die Schuldenbremse einhalten.
Die Verhandlungen um das Geld sind innerhalb der Regierung derart festgefahren, dass Lindner die Vorlage der Etat-Eckwerte auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Diese Eckwerte sind ein erster grober Entwurf, der festlegt, wie viel Geld jedes Ministerium bekommt. Mittlerweile ist absehbar, dass er sie gar nicht mehr vorlegt, sondern weiterverhandelt, bis im Juni der komplette Haushaltsentwurf steht.
IWF mahnt Investitionen an
Lindner nutzt die Zwischenzeit, um seine Kabinettskollegen bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass es keine Spielräume im Etat gebe. Mehr Schulden oder Steuererhöhungen, um neue Ausgabenprogramme zu finanzieren, das kommt für den FDP-Chef nicht infrage. Die Zeit der reinen Verteilungspolitik in Deutschland sei vorbei, betonte Lindner in Washington. „Wir müssen jetzt wieder investieren, erneuern, strukturelle Reformen auf den Weg bringen“, sagte er.
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Trotz aller Konsolidierungsappelle mahnt auch der IWF weiterhin Investitionen an, etwa in grüne Technologien und Ausbildungsprogramme. Gerade Deutschland habe mittelfristig genug finanziellen Spielraum dafür, hieß es in Washington.
Die Investitionen könnten auch helfen, die Konjunktur zu stützen. Der IWF hat gerade seine neue Konjunkturprognose vorgelegt, danach gehört Deutschland zu den Schlusslichtern. Die IWF-Ökonomen erwarten im laufenden Jahr ein Minus von 0,1 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP).
„Deutschland wächst nicht so stark, Deutschland entwickelt sich nicht so gut wie andere“, warnte Lindner. Eine Rezession vorherzusagen hält er allerdings für zu pessimistisch. „Das deckt sich nicht mit den Erwartungen, die wir hinsichtlich der Wachstumsperspektive der deutschen Wirtschaft haben.“
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Die führenden deutschen Forschungsinstitute hatten Anfang April ein Mini-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent vorhergesagt. Ende des Monats wird die Bundesregierung ihre neue Prognose vorlegen. Sie dürfte sich zwischen den Vorhersagen des IWF und der deutschen Institute bewegen.
Der Bundesfinanzminister sieht die schwache Konjunktur als Argument für seine Forderung nach einer angebotsorientierten Finanz- und Wirtschaftspolitik. Schon vor einem Jahr hatte er ein entsprechendes Papier vorgelegt. Statt staatlicher Stützungsprogramme setzt es auf strukturelle Verbesserungen der Standortbedingungen. „Wir müssen sehr viel stärker die Wettbewerbsbedingungen unserer Wirtschaft verbessern“, sagte Lindner.
Dazu zählen für den FDP-Chef bessere Einwanderungsmöglichkeiten für qualifizierte Arbeitnehmer und mehr Investitionen in die Bildung auch „Impulse über das Steuerrecht“. Dem Finanzminister schweben zumindest punktuelle Entlastungen für Unternehmen vor. Das sehen SPD und Grüne allerdings kritisch, erst recht wenn Lindner zeitgleich betont, dass es kein Geld im Haushalt gebe.
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