Taipeh, Tokio Deutschland muss sich bei der Standortwahl des neuen europäischen Werks des taiwanesischen Chipriesen TSMC wohl weiter in Geduld üben. Zwar berichten taiwanesische Medien, dass der größte Auftragsfertiger von Halbleitern sein erstes europäisches Werk in Dresden errichten könnte.
Doch der Pressesprecher von TSMC, Michael Kramer, gibt sich bei dem Thema verschlossen. Man gehe auf die Wünsche der Kunden ein, sagt er. „Ein Teil des Wertes, den wir bieten, ist geografische Flexibilität.“ Selbst den Besuch der deutschen Forschungsministerin Stark-Watzinger, der laut taiwanesischen Regierungsvertretern gut verlaufen sei, will er nicht bestätigen. Denn noch sind einige Punkte für TSMC nicht geklärt – und das Europa-Werk würde sich nur unter bestimmten Voraussetzungen rentieren.
Eine öffentliche Ankündigung zum neuen Werk halten deshalb auch taiwanesische Expertinnen aktuell für unwahrscheinlich. Die Halbleiteranalystin bei Isaiah Research, Lucy Chen, sagt: „TSMC wird in diesem Jahr keine Entscheidung bekannt geben, sondern wahrscheinlich bis zum nächsten Jahr warten“. Joanne Chiao vom Technologieanalysten Trendforce sagt: „Ich glaube, sie befinden sich noch im Anfangsstadium der Gespräche.“ Sie kann sich sogar vorstellen, dass TSMC noch bis 2025 wartet.
Im Mittelpunkt der Gespräche stünden laut den Expertinnen die Höhe der Subventionen und die Beteiligung möglicher Partner. Laut der taiwanesischen Branchenzeitung „DigiTimes“ ist der Automobilzulieferer Bosch als Joint-Venture-Partner für das europäische Werk im Gespräch.
Bosch verfügt bereits über ein neues Chipwerk in Dresden plus Erweiterungsflächen direkt am Flughafen. „Marktspekulationen kommentieren wir generell nicht“, sagte ein Sprecher. „Wir begrüßen grundsätzlich das Interesse aller Chiphersteller, neue Kapazitäten in Deutschland zu schaffen.“ Es zeige, dass Deutschland grundsätzlich ein attraktiver Chip-Standort sei.
Doch der Einsatz für TSMC ist hoch, der Ausgang ungewiss. Die deutsche Autoindustrie drängt zwar auf TSMC, aber wenn die Subventionen nicht hoch genug sind, lohnt es sich nicht, die Fabrik zu bauen“, stellt Analystin Chen die Anlegersicht dar. Denn die Produktionskosten seien im Ausland deutlich höher als in Taiwan.
Hohe Produktionskosten schrecken TSMC und seine Investoren
Für seine 40 Milliarden Dollar teure Fabrik im US-Bundesstaat Arizona rechnet der Chiphersteller mit 50 Prozent höheren Betriebskosten als in seinen besten Werken in Taiwan. TSMC-Gründer Morris Chang hält diese Annahme sogar für optimistisch. „Vielleicht sind die Kosten doppelt so hoch“, sagte er bei einer Panel-Diskussion in Taipeh im März.
Dieses Problem haben auch andere Chipkonzerne und feilschen entsprechend hart mit Regierungen. Konkurrent Intel und die deutsche Regierung pokern seit Längerem um die Höhe der Subventionen und die Größe der Fabrik in Magdeburg. TSMC verhandele in den USA über Subventionen, während der Konzern bereits seine Fabrik baue, sagt Trendforce-Analystin Chiao.
Auch in diesem Punkt hält sich TSMC offiziell bedeckt, denn Geheimniskrämerei ist eine Tugend der Taiwaner. Im Hauptquartier in Hsinchu, einem der größten Chipcluster der Welt, dürfen die Mitarbeiter nicht einmal private Smartphones mit ins Büro bringen. Erst jetzt macht das Unternehmen ein kleines Zugeständnis: Ein Aushang im Aufzug weist darauf hin, dass Smartwatches künftig erlaubt sind, Tonaufnahmen aber unter Strafandrohung verboten bleiben.
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Doch es gibt noch einen weiteren triftigen Grund für TSMCs Schweigen zum europäischen Werk: die Investoren. Trendforce-Analystin Chiao sagt, die Chipkonjunktur sei derzeit schlecht und belaste die Bilanzen der Chiphersteller. „Ich glaube daher nicht, dass Investoren die Ankündigung neuer Fabriken zum jetzigen Zeitpunkt begrüßen würden“, sagt die Expertin.
Nach Analystenschätzungen hat die Chipsparte von Samsung im ersten Quartal 2023 hohe Verluste eingefahren, weil die Nachfrage nach Speicherchips eingebrochen ist. Der operative Konzerngewinn sackte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 96 Prozent ab. TSMC geht es zwar bei seinen Chips für Smartphones und andere Hightech-Geräte besser: Der Umsatz lag im ersten Quartal nur fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau, die Gewinnmarge sank nur leicht auf knapp über 40 Prozent. Damit blieb der Chiphersteller allerdings hinter den Erwartungen zurück.
Zudem ist der Ausblick unklar. TSMC geht davon aus, dass das sogenannte Foundry-Geschäft, die Auftragsfertigung von Chips, in diesem Jahr um vier Prozent schrumpfen wird. Zwar rechnen die Taiwaner mit einer Erholung in der zweiten Jahreshälfte in dem wichtigen Geschäftsfeld. Trendforce rechnet aber nur mit einem moderaten Wachstum. Der Wille des Konzerns, ins Ausland zu expandieren, steht dennoch außer Frage.
TSMC befindet sich in der dritten Welle der Globalisierung
TSMC befindet sich in der dritten Internationalisierungswelle. 1992 gründete das Unternehmen eine Halbleiterfabrik in den USA, die allerdings lange Zeit mit großen Problemen zu kämpfen hatte. Der Traum von einer US-Fabrik habe sich in einen Albtraum verwandelt, sagte TSMC-Gründer Chang bei einer Feier im neuen US-Werk in Arizona im Dezember.
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Um die Jahrtausendwende kamen Werke in China hinzu. Nun zwingt das starke Wachstum der Chipindustrie die Taiwaner auch ohne den Druck ihrer Großkunden, über Fabriken im Ausland nachzudenken. Denn auf der Insel mit nur 23 Millionen Einwohnern werden die Arbeitskräfte knapp. Allerdings schauen die Taiwaner genau hin, mit welchen Technologien und mit wem sie ins Ausland gehen.
In den USA ist es vor allem die Anziehungskraft des Großkunden Apple, der für seine mobilen Geräte die kleinsten Chips der Taiwaner verwendet. TSMC hat sich deshalb bereit erklärt, in Arizona nicht nur wie ursprünglich geplant Chips mit 5-Nanometer-Strukturen zu fertigen, sondern auch die kleineren 3-Nanometer-Chips.Für ein Werk in Deutschland kommt eher das japanische Modell infrage. Dort bauen die Taiwaner eine Fabrik für relativ große Chips für die japanische Elektronik- und Autoindustrie. Unterstützt wird der Konzern dabei nicht nur durch hohe Subventionen. Zwei Hauptkunden, der Elektronik- und Unterhaltungskonzern Sony und der größte Toyota-Zulieferer Denso, sind als Investoren mit dabei.
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Die Japaner bringen nicht nur Geld, sondern auch eigenes Know-how mit. Sony baut selbst Bildsensoren, und zwar direkt neben der entstehenden TSMC-Fabrik. Auch technologisch sind die Japaner für die Taiwaner interessant. „Sony ist sehr gut im dreidimensionalen Packaging von Halbleitern“, sagt Expertin Chiao. „Da können sie sich austauschen.“
Denso wiederum ist der fünftgrößte Produzent von Chips für die Automobilindustrie. Auch über den Bau einer zweiten Fabrik in Japan denkt TSMC nach. Zudem gründet der Chiphersteller Forschungszentren mit japanischen Anlagebauern und Materiallieferanten für die Halbleiterindustrie. Die Lehre daraus: Auch Deutschland wird mehr liefern müssen als nur eine große europäische Nachfrage.
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