Berlin Nach dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Vergütung von Betriebsräten haben erste Unternehmen Arbeitnehmervertretern das Gehalt gekürzt. Die Betroffenen wehren sich dagegen vor Gericht – und erhalten nun Rückendeckung von der IG Metall und einem früheren Richter des Bundesarbeitsgerichts.
„Es wäre gut, wenn die Gewerkschaften die Betriebsratsmitglieder auf dem Weg durch die Instanzen unterstützen, bis die deutlich zu restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs korrigiert ist“, sagte Klaus Bepler, der von 2005 bis 2012 den Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts leitete, dem Handelsblatt.
Der BGH hatte im Januar die Freisprüche für vier VW-Manager aufgehoben. Ihnen wurde Untreue vorgeworfen, weil sie leitenden Arbeitnehmervertretern, darunter dem damaligen Betriebsratschef Bernd Osterloh, zwischen 2011 und 2016 unangemessen hohe Gehälter und Boni bewilligt haben sollen.
Die Karlsruher Richter kippten den in der Arbeitsgerichtsbarkeit akzeptierten Grundsatz, dass sich die Betriebsratsvergütung auch an einer „hypothetischen Karriere“ orientieren darf. Stattdessen sei die Entlohnung der Arbeitnehmervertreter „nach der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung zu bemessen“, entschied der BGH.
Am Beispiel des gelernten Industriekaufmanns Osterloh bedeutet das, dass er nur wie ein Industriekaufmann hätte bezahlt werden dürfen, obwohl er als mächtiger Betriebsratschef auf Augenhöhe mit dem Management agierte und schon damals für Vorstandsposten gehandelt wurde.
IG Metall erklärt Unterstützung für Betriebsräte
Aus Sorge, sich strafbar zu machen, kürzten VW-Vorstände nach dem BGH-Urteil Betriebsratsmitgliedern an mehreren Standorten das Gehalt. Dagegen sind nun bereits mehrere Klagen beispielsweise in Hannover und Braunschweig anhängig.
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Sollte sich die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs durchsetzen, sieht Bepler die Gefahr, dass eine aus seiner Sicht „fast vorbildlich praktizierte Betriebsverfassung nicht mehr funktionieren wird, weil sich qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr für das Betriebsratsamt interessieren“.
Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hofft auf eine Korrektur. Das BGH-Urteil bringe keine Klarheit, sagte er dem Handelsblatt. „Die IG Metall begleitet also die Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg, hier eine Klärung herzustellen.“ Betriebsräte, die sich vor Gericht gegen Gehaltskürzungen wehren, könnten wie alle Mitglieder den Rechtsschutz der Gewerkschaft in Anspruch nehmen.
Der Betriebsratsjob ist eigentlich ein unentgeltliches Ehrenamt. Doch müssen die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer natürlich ein Einkommen haben. Über die Höhe der Vergütung sagt das Betriebsverfassungsgesetz aber nichts.
Es regelt nur, dass Betriebsräte wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Die Arbeitsgerichte bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht haben aus dieser gesetzgeberischen Unschärfe bislang einen größeren Spielraum bei der Bezahlung abgeleitet als zuletzt der BGH.
Ampelkoalition will Thema nicht angehen
Bepler hofft, dass dessen Rechtsauslegung wieder korrigiert wird. Das Begünstigungsverbot aus dem Betriebsverfassungsgesetz ziele vor allem darauf, sogenannte „gelbe“ Betriebsräte zu verhindern, die eher im Sinne des Arbeitgebers als der Arbeitnehmer handeln.
Kontrollinstanz, um dies zu verhindern, sei insbesondere die zuständige Gewerkschaft. Im Falle VW habe aber weder die IG Metall noch die aus anderer Richtung für eine Kontrolle zuständige Hauptversammlung die Betriebsratsvergütung moniert. Auch hätten die Beschäftigten bei den Betriebsratswahlen die Möglichkeit, Mitglieder, von denen sie sich nicht gut vertreten fühlten, abzuwählen.
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Rechtssicherheit könnte eine gesetzliche Klarstellung bringen. Doch gemäß ihrem Koalitionsvertrag wollen SPD, Grüne und FDP das Thema nicht angehen. Auch die Arbeitgeberverbände würden sich wohl damit schwertun, einer Neuregelung der Vergütung im Betriebsverfassungsgesetz zuzustimmen, fürchtet Bepler. Denn sie hätten viele kleinere Unternehmen in ihren Reihen, die – aus seiner Sicht zu Unrecht – eine prinzipielle Verteuerung der Betriebsratsarbeit fürchten.
Der frühere Bundesarbeitsrichter sieht die Gefahr, dass nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs die Qualität der Betriebsratsarbeit leiden könnte. Besonders qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten oft das Ziel, eine ihrer Begabung entsprechende Karriere zu machen. Das ist als freigestellter Betriebsrat aber kaum noch möglich, wenn eine erfolgreiche Arbeit für die Beschäftigten oder absolvierte Weiterbildungen sich am Ende nicht auch auszahlen können.
„Es braucht für eine erfolgreiche Mitgestaltung durch die Vertreter der Beschäftigten und in deren Interesse aber besonders befähigte Betriebsratsmitglieder, weil solche sich nicht vor lauter Angst vor etwas Neuem, Fremden auf ein ,Nein‘ beschränken“, sagte Bepler. Solche Betriebsratsmitglieder seien adäquate Verhandlungspartner für das Management, die sich inhaltlich in einen Gestaltungsprozess einbringen und im Interesse der Beschäftigten daran mitwirken können.
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