Peking, Seoul, Kariuzawa Endlich wieder unter Freunden. Annalena Baerbock wirkt sichtlich gelöst, als sie am Sonntag im japanischen Kariuzawa gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen zum traditionellen Auftaktfoto zum Start des G7-Außenministertreffens läuft. Die Sonne strahlt, lächelnd unterhält sie sich mit US-Außenminister Antony Blinken. Geige spielende japanische Kinder untermalen die Szenerie mit fröhlichen Liedern.
Der japanische Ferienort ist die letzte Station für die Grünen-Politikerin auf ihrer sechstägigen Asienreise. Hinter der deutschen Außenministerin liegen zwei Tage mit schwierigen Gesprächen in China. Am Samstag hatte sie sich zudem mit ihrem südkoreanischen Amtskollegen Park Jin in Seoul getroffen. Neben den neuesten nordkoreanischen Raketentests dominierte auch dort ein Thema alles: Chinas Rolle in der Weltpolitik.
Das international zunehmend offensive Verhalten der chinesischen Staatsführung bereitet Staatsführungen weltweit Sorgen. Auch beim Außenministertreffen werden sich die Gespräche vor allem um Russland und die Volksrepublik drehen.
China hat sich unter Staats- und Parteichef Xi Jinping in den vergangenen Jahren massiv verändert – die Staatsführung tritt im Inneren repressiver und nach außen aggressiver auf. Erst kurz vor Baerbocks Reise nach China am Donnerstag hatte das chinesische Militär umfangreiche See- und Luftblockaden um Taiwan geübt.
In der Volksrepublik wurde die Außenministerin zwar hochrangig empfangen, aber die Gespräche waren rau. Mit ihrem Amtskollegen Qin Gang hatte sie sich am Freitag in Peking einen regelrechten Schlagabtausch vor der Weltpresse geliefert. Sie warnte, dass es im Taiwankonflikt nicht zur Eskalation kommen dürfe, und mahnte, die Menschenrechte zu achten; Qin verbat sich seinerseits den „Lehrmeister aus dem Westen“.
Baerbock durchlebt nun das, was sie im Bundestagswahlkampf 2021 als Kanzlerkandidatin der Grünen angekündigt hatte: China mit „Dialog und Härte“ zu begegnen. Sie scheut keine klaren Worte. Zugleich ist sie besorgt wegen der teilweise großen Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China.
Wenn es nach ihr ginge, würde sich Deutschland lieber früher als später unabhängig machen. Baerbock sieht Parallelen zu Russland. Sie war eine der wenigen deutschen Politiker, die schon vor dem russischen Angriffskrieg die Gaspipeline Nord Stream 2 abgelehnt hatte. „Fehler sollte man nicht zweimal machen“, sagte Baerbock in Peking.
Die chinesische Staatsführung sieht die Außenministerin als Hardlinerin in den Beziehungen, während sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als pragmatisch einschätzt. Die Analyse ist überzogen, denn Scholz hat sich bei seiner Reise nach China im November, aber auch an anderen Orten inhaltlich ähnlich kritisch geäußert.
Offen ist dennoch, wie sich die Koalition mit einer neuen Chinapolitik abschließend positionieren wird. So fordert der konservative Flügel der SPD eine pragmatische Politik von Baerbock. Fest steht allein: Das Motto „Wandel durch Handel“ gilt als gescheitert.
Sorgen bereitet die bevorstehende Kurskorrektur in der Chinapolitik nicht nur der chinesischen Staatsführung. Auch der deutschen Wirtschaft schwant nichts Gutes. Sie fürchtet, dass in den nächsten Jahren Geschäfte in der Volksrepublik politisch immer weiter begrenzt werden.
Bereits bei der Reise des Kanzlers warnten Dax-Vorstandschefs öffentlich davor, sich von China zu entkoppeln. Forschungsinstitute malten mit Kostenprognosen Horrorszenarien auf. Seitdem betont die Bundesregierung, dass es ihr nicht um eine komplette Abkehr von China geht.
In der Werkshalle sieht die Ministerin die Probleme
Für Baerbock lag der Schwerpunkt ihrer Chinareise darauf, mit den Unternehmen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Gleich ihr erster Termin führte sie zum deutschen Mittelständler Flender.
In riesigen Hallen stellt das Unternehmen in der Hafenstadt Tianjin nahe Peking Turbinen für Windräder her. Große Maschinen brummten dumpf, es roch nach Schmiermittel. Ein Manager erklärte Baerbock die Produktion. Die Außenministerin hörte zu und hakte immer wieder nach: Wie viele Komponenten kommen aus China, ließen sie sich ersetzen? Sind auch sicherheitskritische Elemente verbaut?
Flender hat gerade eine fast 10.000 Quadratmeter große Halle fertiggestellt, in der es die neue Generation Offshore-Windräder bauen will: Systeme, die jeweils bis zu 20 Megawatt Strom produzieren können. Kräne an den Decken können bis zu 300 Tonnen anheben. Derart riesige Kolosse sind nicht für den Export vorgesehen, sondern für den chinesischen Markt. Die Transportkosten allein wären viel zu hoch.
>>Lesen Sie hier, wie sich das Verhältnis zwischen Peking und Berlin verändert hat.
So ähnlich wie Flender geht es vielen deutschen Unternehmen. Ihr Geschäft ist eng mit dem chinesischen Markt verbunden. Entschiede die Bundesregierung, den Zutritt zu verwehren: Es wäre ein großes Problem.
Baerbock sieht dies mit Sorge. Die chinesische Staatsführung nutzt seit Jahren gezielt wirtschaftliche Abhängigkeiten, um politische Ziele durchzusetzen. Die Ministerin würde dies gern ändern.
Doch weiß sie auch, dass ihre Möglichkeiten begrenzt sind. Am deutlichsten wurde es 2022, als Bundeskanzler Olaf Scholz den Verkauf eines Anteils an einem Hamburger Hafenterminal an die chinesische Reederei Cosco gegen den Rat eines großen Teils seines Kabinetts durchsetzte.
Auch Baerbock war dagegen. Als es anders kam, beschwerte sie sich, einen größeren Koalitionskrach riskierte sie aber nicht. Dieser Tage steht die Frage wieder auf der Tagesordnung der Koalition.
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