Apr 17, 2023
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Horn von Afrika: Kämpfe im drittgrößten Staat Afrikas: Dem Sudan droht ein neuer Bürgerkrieg

Written by Wolfgang Drechsler


Rauchwolken über Sudans Hauptstadt Khartum

Mehr als 100 Menschen sind bei den Angriffen schon gestorben.

(Foto: ddp/abaca press)

Kapstadt Binnen weniger Stunden haben sich Sudans Hauptstadt Khartum und andere Orte in Kriegsgebiete verwandelt – mit Luftangriffen und Straßenkämpfen. Der zivile Flugbetrieb ist eingestellt, besonders am Flughafen Khartum, aber auch um den Präsidentenpalast gab es in den vergangenen Tagen schwere Gefechte. Inzwischen sind bei den Kämpfen im drittgrößten Flächenstaat Afrikas mehr als 100 Menschen gestorben.

Vier Jahre nach dem Sturz seines Langzeitdiktators Omar al-Baschir droht der Sudan damit in einen neuen Bürgerkrieg zu stürzen. Nach einer längeren Phase der Unsicherheit sind die Risse im Militär am Wochenende voll aufgebrochen: Hintergrund ist ein seit Monaten schwelender Machtkampf zwischen den Truppen zweier rivalisierender Generäle, die den Sudan seit einem Putsch im Jahr 2021 gemeinsam regiert haben. Es gibt quasi zwei Armeen, die über jeweils eigene Befehlsstrukturen verfügen.

Auf der einen Seite steht das reguläre Militär, das seit über einem halben Jahrhundert Politik und Wirtschaft beherrscht. Es wird angeführt von dem regierenden General Abdel Fattah al-Burhan, der seinerseits vom benachbarten Ägypten unterstützt wird. Auf der anderen Seite stehen die „Rapid Support Forces“ (RSF) von Mohammed Hamdan Daglo, der besser unter seinem Spitznamen „Hemeti“ bekannt ist.

Paramilitärs werden von Russland unterstützt

Der im benachbarten Tschad geborene Daglo finanziert seine paramilitärischen Truppen seit Langem mit Einnahmen aus Goldminen in der sudanesischen Westprovinz Darfur. In der Region kam es zwischen 2003 und 2008 zu jahrelangen Kämpfen zwischen der arabisch dominierten Zentralregierung und der in Darfur ansässigen schwarzafrikanischen Minderheit. Dabei starben nach Uno-Angaben rund 300.000 Menschen.

Sudanesische Armee beschießt Stellungen der Paramilitärs

Mit der Entsendung von Söldnern in den Jemen und nach Libyen hat Daglo seinen Einfluss seitdem ständig ausgebaut. Finanziert werden er und seine RSF vor allem von den Golfstaaten und Saudi-Arabien – aber auch von Russland. So pflegen die RSF enge Kontakte zu den im Sudan seit Längerem stationierten Wagner-Söldnern des Kremls. Die Russen planen angeblich einen Marinestützpunkt bei Port Sudan am Roten Meer. Dies führte zuletzt zu Spannungen mit den USA, die um ihren Einfluss in der Region bangen.

Eigentlich sollte in Kürze aus den zwei Armeen eine werden. Die paramilitärischen RSF sollten sich dafür dauerhaft in das sudanesische Militär eingliedern. RSF-Chef Daglo verlangt dafür einen Zeitraum von zehn Jahren und unterstellt seinem Rivalen al-Burhan, sich entgegen allen Absprachen an die Macht zu klammern.

Die Inflation ist auf 250 Prozent geklettert

Wer auch immer aus den Kämpfen siegreich hervorgeht, steht danach vor der Herkulesaufgabe, die ohnehin schon kaputte Wirtschaft des Sudans zu sanieren. In den vergangenen zehn Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt des Landes um rund die Hälfte geschrumpft, die Inflation ist auf rund 250 Prozent geklettert. Die desolate Lage hat viel mit der Misswirtschaft unter dem von 1989 bis 2019 regierenden al-Baschir zu tun, unter dessen Führung 70 Prozent des Haushalts in den Sicherheitsbereich flossen. Entscheidend war zudem der Wegfall der Öleinnahmen, die 2011 an den Südsudan fielen, als dieser sich vom Sudan abspaltete. Al-Baschir selbst war es nie gelungen, die Wirtschaft erfolgreich zu diversifizieren.

Dutzende Zivilisten bei Kämpfen im Sudan getötet

Die ölreichen Staaten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate haben seit dem Sturz al-Baschirs vor vier Jahren versucht, die Wirtschaft im Sudan zu modernisieren und die Stabilität des Landes zu verbessern. Auch haben beide Staaten Investitionen in Sektoren wie die Landwirtschaft getätigt, wo der Sudan theoretisch ein großes Potenzial hätte.

Wie es in dem bereits 1956 unabhängig gewordenen Land nach dem offenbar totalen Zerwürfnis zwischen den Generälen weitergehen soll, ist derzeit vollkommen offen. US-Außenminister Antony Blinken äußerte zu Wochenbeginn abermals die Hoffnung, dass der Friedensprozess weitergehe und die Spirale der Gewalt gestoppt werden könne. Die Lage vor Ort selbst ist derzeit nur schwer einzuschätzen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet am Montag, dass die reguläre Armee wegen ihrer Lufthoheit und ihrer schweren Waffen angeblich dabei sei, die Oberhand zu gewinnen.

Ebenfalls am Montagmorgen teilt RSF-Anführer Daglo via Twitter mit, einer 24-stündigen Waffenruhe zur Evakuierung von Verwundeten und Zivilisten zuzustimmen. Al-Burhan äußert sich zu einem temporären Waffenstillstand bisher nicht.
„Was jetzt passiert, war immer das Albtraum-Szenario“, sagt Alan Boswell, Sudanexperte beim Thinktank International Crisis Group. Ein langer Kampf zwischen dem sudanesischen Militär und den RSF könne das Land fragmentieren – und die ohnehin fragile Region um das Horn von Afrika weiter destabilisieren.

Mehr: Afrika-Abschied in Raten: Bundeswehr fährt Präsenz in Mali zurück



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