Apr 18, 2023
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Ukraine-Krieg: Begrenzte Solidarität: Osteuropas Bauern begehren gegen ukrainische Getreideimporte auf

Written by Daniel Imwinkelried

Wien Seit Monaten klagen östliche EU-Staaten über die Folgen, die das Angebot von günstigem ukrainischen Getreide für ihre Landwirte hat. Jetzt haben einige Länder eigenmächtig gehandelt. Damit setzen enge Verbündete der Ukraine das von Russland angegriffene Land unter starken Druck.

Zu Wochenbeginn beschlossen die Regierungen von Polen, Ungarn und der Slowakei, keine Agrargüter aus der Ukraine mehr ins Land zu lassen. Die drei Staaten wollen die Einfuhren aus der Ukraine bis zum 30. Juni unterbinden, Polen will nicht einmal mehr den Transit zulassen.

Die Einfuhren aus der Ukraine brächten die heimischen Märkte durcheinander, klagen osteuropäische Bauern bereits seit dem Spätsommer 2022. Nun hat sich die Lage verschärft. Polens Landwirte argumentieren, die Importe aus der Ukraine hätten die Preise gedrückt.

Auch anderweitig sind die Bauern unter Druck. Ein Problem sind etwa die stark gestiegenen Zinsen. Polens Regierung hat deshalb diverse Hilfsmaßnahmen beschlossen. Das geschieht auch aus Kalkül. Im kommenden Herbst finden in Polen Wahlen statt. Die Basis der Regierungspartei PiS („Recht und Gerechtigkeit“) befindet sich in ländlichen Regionen.

Die EU-Kommission bezeichnete die Blockade der drei osteuropäischen Länder als „nicht akzeptabel“. Trotzdem erklärte am Dienstag auch Rumäniens Regierungspartei, die sozialdemokratische PSD, sie werde den Koalitionspartnern einen Importstopp vorschlagen.

Die ukrainische Regierung reagierte empört. Man verstehe, dass die polnischen Bauern in einer schwierigen Lage seien, sagte Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi. „Am schwierigsten ist die Situation aber für die ukrainischen Bauern.“

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Damit spricht der Minister unter anderem den aufwendigen Export ukrainischer Agrargüter an. Bevor Russland am 24. Februar 2022 den Großangriff auf das Nachbarland begann, führte die Ukraine Landwirtschaftserzeugnisse fast ausschließlich über die Häfen am Schwarzen Meer aus. Diese Route war dann monatelang unterbrochen, unter anderem weil Seeminen den Schiffsverkehr gefährdeten.

Seit dem 1. August 2022 sind Exporte im Rahmen des UN-Getreideabkommens aber wieder möglich. Im Februar dieses Jahres sind nach Angaben der ukrainischen Zentralbank rund 60 Prozent der Getreideausfuhren über den sogenannten Getreidekorridor des Schwarzen Meeres erfolgt; den Rest exportieren die Produzenten mit Lastwagen und der Eisenbahn über Osteuropa – und dort hat die Umlenkung der Warenströme nun zu Turbulenzen geführt.

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Verschärft hat sich die Lage in Osteuropa noch, weil seit Juni 2022 alle Einfuhrzölle auf ukrainische Importe in die EU ausgesetzt sind. Ursprünglich galt diese Erleichterung für ein Jahr, jüngst hat die EU-Kommission aber angekündigt, die Regelung bis 2024 zu verlängern. Die EU führte diese Maßnahme ein, um die wirtschaftlich taumelnde Ukraine zu stützen.

Der Export von Agrargütern ist für die Ukraine überlebenswichtig. Die Produkte bringen dem Land erstens dringend benötigte Devisen ein, um im Ausland Güter zu kaufen. Zweitens brauchen die Landwirte das Geld, um Maschinen, Dünger und Saatgut zu kaufen.

Ukraine ist groß im Agrargeschäft

Das Agrargeschäft ist eine ukrainische Domäne. Die Ausfuhren stiegen konstant, während etwa der Export von Metallen rückläufig war und die Gesamtausfuhren große Schwankungen aufwiesen. In den vergangenen Jahren entfielen über 40 Prozent der Güterexporte auf Landwirtschaftsprodukte, 2022 stieg deren Anteil sogar auf 57 Prozent.

Die Landwirtschaft dürfte langfristig ein Zankapfel bleiben. Im Juni des vergangenen Jahres erhielt die Ukraine den Status des EU-Beitrittskandidaten. Es handelt sich dabei zwar um eine eher symbolische Geste, da allen Parteien klar ist, dass die Aufnahme eines derart riesigen Landes ein komplexes Verfahren ist und auf vielfältigen Widerstand stoßen dürfte. Doch rascher als erwartet werden Konflikte offenbar.

Landwirtschaft dürfte ein Zankapfel bleiben

Die beiden Seiten, die Ukraine und die EU-Staaten, verstünden sich bei Landwirtschaftsthemen noch nicht, sagt ein ukrainischer Agrarmanager. Während im Westen die Bauernhöfe oft Familienbetriebe sind, gibt es in der Ukraine große Agrarkonzerne wie MHP, Kernel und IMC. Sie bewirtschaften Flächen von 100.000 Hektar und mehr.

Gegenüber den Bauern Westeuropas haben diese Unternehmen einen Produktivitätsvorsprung. Falls die Ukraine eines Tages tatsächlich der EU beitritt, wäre das für die Landwirtschaftspolitik des Staatenbunds einer Zerreißprobe.

Die Agrarsubventionen der EU bestehen zum Teil aus Direktzahlungen, die sich nach der Fläche richten. Viel Geld würde deshalb in die Ukraine fließen. Die EU müsste entweder ihr bereits riesiges Agrarbudget weiter erhöhen oder die Mittel für die „alten“ Mitgliedsländer kürzen.

Ein solcher Konflikt bestand bereits einmal: im Jahr 2004, als diverse osteuropäische Länder der EU beitraten. Besonders das Neumitglied Polen sorgte sich damals um die eigene Landwirtschaft. Auf Drängen der polnischen Regierung erhöhte die EU damals die Mittel für die ländliche Entwicklung.

Ungarn droht mit langer Blockade

Auch jetzt wird um die Landwirtschaft wieder gefeilscht. So drohte Ungarns Regierung damit, dass man die ukrainischen Agrarimporte über den 30. Juni hinaus blockieren werde, falls die EU keine Maßnahme ergreife, um die Landwirte des Landes zu schützen.

Verunsicherung verbreitet derweil die russische Regierung. Ein Sprecher sagte am Montag, die Aussichten für das Getreideabkommen seien nicht günstig.

Dieses war Mitte März verlängert worden, allerdings bloß um 60 Tage. 

Für die ukrainische Landwirtschaft ist das ein Problem, denn langfristige Abnahmeverträge für Getreide können unter diesen Bedingungen nicht abgeschlossen werden. Die Ukraine verdächtigte Russland, die mit der UN vereinbarte Inspektion der Getreideschiffe zu verzögern. Russland dringt seit einiger Zeit auf Erleichterungen für den eigenen Agrarsektor.

Mehr: Warum die Russland-Sanktionen am Ziel vorbeigehen



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