Apr 17, 2023
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Brasilien: Lula empfängt Lawrow – und brüskiert die USA und Europa

Written by Alexander Busch

Salvador Es sind nicht nur die offiziellen Kommuniqués, mit denen der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva außenpolitisch die Linie seiner Regierung zeigt. Es sind auch die improvisierten Reden, die Interviews und die oftmals reine Symbolik, mit denen Lula in seiner dritten Amtszeit Außenpolitik betreibt.

So wie jetzt im Anschluss an Lulas fünftägige Reise nach China und in die Vereinigten Arabischen Emirate: Der brasilianische Präsident und die wichtigsten Minister seines Kabinetts empfingen den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Der russische Politiker begann in Brasilien seine Reise durch Lateinamerika, die er mit Besuchen bei den autoritären Regimen Venezuelas, Nicaraguas und Kubas fortsetzen wird.

Im Anschluss an das Treffen mit dem brasilianischen Amtsinhaber Mauro Vieira beteuerte Lawrow die gemeinsame Position zwischen Brasilien und Russland beim Ukrainekrieg. „Beide Staaten haben eine multipolare Weltsicht, bei der wir mehrere Länder berücksichtigen, nicht nur einige wenige“, sagte der russische Außenminister. Er bedankte sich zudem für den „Beitrag“ Brasiliens bei der Suche nach einer Lösung im Konflikt mit der Ukraine.

In den vergangenen Tagen hatte Lula auf seinen Auslandsreisen zunehmend Zweifel daran aufkommen lassen, dass Brasilien noch eine neutrale Position verfolge in den neuen geopolitischen Konflikten. Immer öfter zeigt Lula demonstrativ Verständnis für den Aggressor Russland als für das Opfer Ukraine. Er streicht seine Gemeinsamkeiten mit China heraus und brüskiert die USA – und damit verfolgt Lula eine Taktik.

Denn gerade die USA sieht Lula als Drahtzieher hinter dem Ukrainekrieg. „Es ist nötig, dass die USA aufhören, den Krieg voranzutreiben“, sagte Lula in Abu Dhabi.

Lula brüskiert die USA

Für anhaltende Empörung im Westen dürfte sorgen, dass Lula den USA und Europa vorhielt, mit ihren Waffenlieferungen zur Fortsetzung des Ukrainekriegs beizutragen, statt sich für den Frieden einzusetzen. Als potenzieller Verhandler für einen „Friedensklub“, der über ein Ende des Kriegs verhandeln soll, bringt sich Lula immer wieder selbst ins Spiel. Bislang jedoch ohne nennenswerte Reaktionen sowohl im Westen als auch in Russland oder China.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein brasilianischer Amtskollege Mauro Vieira

Lawrow sieht Gemeinsamkeiten zwischen Russland und Brasilien.

(Foto: IMAGO/Fotoarena)

Als neutralen Verhandler dürfte die Ukraine Brasilien inzwischen kaum mehr akzeptieren: So schickte Lula seinen außenpolitischen Berater Celso Amorim vor zwei Wochen nach Moskau, wo dieser von Russlands Präsident Wladimir Putin empfangen wurde. Einladungen der ukrainischen Regierung lehnte Lula bisher ab. Immer wieder deutete Brasiliens Präsident an, dass er einerseits die Nato, und damit die USA, genauso mitverantwortlich für den Krieg sehe wie die Ukraine.

Der Ukraine wie dem Westen dürfte zudem nicht gefallen, dass Brasilien seine Importe aus Russland seit 2020 auf 7,8 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht hat. Eingeführt wurden vor allem Düngemittel für die brasilianische Landwirtschaft.

Zudem wird immer deutlicher, dass der brasilianische Präsident die USA auch für weitere Probleme in der Welt verantwortlich macht – die Weltmächte China und Russland dagegen verschont er mit jeder Kritik.

>> Lesen Sie hier: Xi lehnt Beitritt Chinas zu Lulas „Friedensklub“ ab

Lula schlägt dabei einen zunehmend schärferen Ton gegenüber den USA an: Während seines Chinabesuchs sagte er, dass die BRICS-Staaten – also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – endlich den US-Dollar als Währung aufgeben sollten. Die BRICS-Bank New Development Bank will er als Alternative zum Internationalen Währungsfonds stärken, der die Entwicklungsländer mit seinen Auflagen gängeln würde.

Anti-Amerikanismus als Strategie

Auch besuchte er das IT-Unternehmen Huawei in China, um zu demonstrieren, dass Brasilien sich von niemandem vorschreiben lasse, welche Technologien man einsetze. Die USA erheben gegen chinesische IT-Hersteller wie Huawei und ZTE Spionagevorwürfe. Huawei streitet dies ab.

Der 77-jährige Lula wiederholt die traditionellen Anti-USA-Slogans der lateinamerikanischen Linken, auch um bei seinen linken Anhängern zu punkten. Zu Hilfe kommt ihm, dass sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron auf seiner Chinareise ähnlich gegenüber den USA geäußert und weder Chinas Unterstützung von Russland oder die Demokratiedefizite kritisiert hatte.

>> Lesen Sie hier: Gastkommentar – Es tobt ein Wirtschaftskrieg um eine neue Weltordnung

Lulas Strategie lässt sich damit erklären, dass der Brasilianer in seiner dritten Amtszeit eine prominente Rolle bei den BRICS und der G20 anstrebt, die er in seiner zweiten Amtszeit von 2006 bis 2010 innehatte. Doch die Gefahr ist, dass Lula Brasilien damit überhebt: Denn Brasilien ist weder das wirtschaftliche Boomland, das es damals war, noch kann es als Regionalmacht für Lateinamerika sprechen oder ist militärisch einflussreich.

Kurz: Brasilien hat nicht das geopolitische Gewicht, um als Friedensvermittler in einem weit entfernten Konflikt aufzutreten.

Oliver Stuenkel, Politikprofessor an der Fundação Getulio Vargas in São Paulo, meint, dass in der brasilianischen Regierung die Vorstellung herrsche, dass das Schlimmste, was passieren könne, die Erfolglosigkeit der Friedensinitiative sei. „Aber tatsächlich besteht das Risiko, dass Brasilien seine Beziehungen zu Europa und den Vereinigten Staaten nachhaltig schädigt“, sagt der Experte.

Mehr: Lula 100 Tage im Amt – Deutsche Industrie setzt auf Comeback Brasiliens



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