Apr 18, 2023
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Fragen und Antworten: So funktioniert der verschärfte CO2-Emissionshandel

Written by Christoph Herwartz


Brüssel Nicht nur Klimaschützer sind große Fans des europäischen Emissionshandels. Vor allem Ökonomen sind noch immer ganz verzückt davon, dass die EU dieses System vor knapp 20 Jahren geschaffen hat – und dass es tatsächlich funktioniert.

Denn Ökonomen interessieren sich dafür, wie sich Ziele effizient erreichen lassen – also zu möglichst geringen Kosten. Und der Emissionshandel führt dazu, dass dort CO2 eingespart wird, wo es am günstigsten ist.

Eigentlich ist es ganz einfach: Die EU vergibt an Industrieunternehmen die Rechte, CO2 auszustoßen. Ein Unternehmen, das Kohle oder Gas verbrennt, muss entsprechend viele CO2-Zertifikate vorweisen können. Von Jahr zu Jahr verknappt die EU die Zahl der Zertifikate. Im Jahr 2050 soll es gar keine mehr davon geben.

Damit ist der Ausstoß von CO2 dann verboten, und alle Unternehmen müssen klimaneutral funktionieren. Die EU zwingt die Firmen also, in neue Technologien zu investieren: in Solarzellen statt Kohlekraftwerke, in Wärmepumpen statt Ölheizungen, in grünen Wasserstoff statt Erdgas.

Jetzt kommt das Besondere am europäischen System: Unternehmen können auch mehr CO2 einsparen als vorgesehen und ihre überschüssigen CO2-Zertifikate verkaufen. Oder sie können mehr CO2 ausstoßen und sich dafür zusätzliche Zertifikate kaufen. Das ist der Emissionshandel, der in der Fachsprache „ETS“ (für „Emission Trading System“) genannt wird.

Was ist der Vorteil am europäischen Ansatz für den Klimaschutz?

Durch den Emissionshandel entsteht ein Markt für den CO2-Ausstoß, und der Preis pro Tonne passt sich durch Angebot und Nachfrage an. Das führt dazu, dass genau dort CO2 eingespart wird, wo es am günstigsten ist.

Zuerst werden also jene Anlagen abgeschaltet, die viel CO2 ausstoßen und sich zu geringen Kosten durch saubere Technik ersetzen lassen. Gleichzeitig entsteht ein starker Anreiz, Energieverschwendung zu minimieren.

Für die Wirtschaft entstehen durch den Klimaschutz enorme Kosten. Aber der Emissionshandel führt zumindest dazu, dass für dieses Geld die größtmögliche Menge an CO2 eingespart wird. Die EU setzt darauf, dass sie damit ein Vorbild für andere werden und den Klimaschutz entscheidend voranbringen kann.

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Andere Länder haben ein solches System bislang nicht. In China werden stattdessen Kohlekraftwerke auch mal auf Geheiß der Zentralregierung von heute auf morgen abgeschaltet. In den USA werden seit Kurzem saubere Technologien mit großen Summen an Staatsgeld gefördert – in der Hoffnung, dass andere Branchen irgendwann aufgeben. Beides ist deutlich weniger effizient als das europäische Modell.

Was bringt die Reform des Emissionshandels?

Die EU ist dabei, den Emissionshandel spürbar zu verschärfen. Auch Privatleute und kleine Unternehmen werden künftig für ihren CO2-Ausstoß bezahlen müssen. Das dadurch eingenommene Geld soll zum Dämmen von Wohnungen und den Kauf moderner Heizungen wie Wärmepumpen zur Verfügung stehen.

Von der Industrie werden schnellere Einsparungen verlangt als bislang. Neue Bereiche wie der Schiffsverkehr werden in das System einbezogen. Und auch auf Importe sollen CO2-Abgaben fällig werden. Die Änderungen im Einzelnen:

Privatleute und kleine Firmen müssen zahlen

Auch auf Benzin und Diesel sowie auf Heizöl und Gas wird künftig ein CO2-Preis erhoben. Dieser Preis soll niedriger sein als jener, der in der Industrie gezahlt wird, nämlich bis 2030 nicht mehr als 45 Euro pro Tonne. Damit würde Diesel um rund zehn Cent pro Liter teurer werden. Die Rede ist von einem „ETS 2“. Für deutsche Verbraucher ändert sich wenig: Hierzulande gilt bereits ein CO2-Preis, der in das europäische System überführt werden soll.

Betroffen sind auch kleine Betriebe, die vom bisherigen Emissionshandel ausgenommen sind. Relevante Kosten entstehen vor allem für solche, die für ihre Produktion Wärme benötigen, etwa Bäckereien oder andere Handwerksbetriebe.

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Für kleine deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb ist die Einführung eine gute Nachricht: Sie mindert den Nachteil, den sie gegenüber der Konkurrenz haben. Der deutsche CO2-Preis wird allerdings etwas oberhalb des europäischen Preises liegen.

Sozialfonds unterstützt die ökologische Transformation

Die Belastungen bedürftiger Verbraucher will die EU durch einen Klima-Sozialfonds abfedern, durch den sich die energetische Sanierung von Sozialbauten und die Anschaffung effizienter Heizungen fördern lassen.

Dieser Fonds soll über die Jahre 2026 bis 2032 mit 86,7 Milliarden Euro gefüllt werden. Die Einnahmen dafür stammen vor allem aus dem ETS 2 und aus den nationalen Haushalten.

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Auf die Industrie kommen durch Emissionshandel hohe Kosten zu

Ziel des Emissionshandels ist es, den Klimaschaden zu reduzieren. Damit dies schneller geschieht, werden die CO2-Zertifikate deutlich schneller verknappt, als es bislang vorgesehen war. Bis zum Jahr 2030 dürfen die betroffenen Branchen nur noch 62 Prozent der Menge CO2 ausstoßen, die im Jahr 2005 emittiert wurde. Dies wird erreicht, indem 117 Millionen Zertifikate gestrichen werden und die Zahl ausgegebener Zertifikate jährlich um 4,3 und später um 4,4 Prozent reduziert wird. Der Preis des CO2-Ausstoßes wird dadurch steigen und die Umrüstung auf saubere Technologien sich schneller rechnen.

Einige Branchen profitieren bislang davon, dass sie CO2-Ausstoßrechte frei zugeteilt bekommen. Diese Zuteilungen sollen für die meisten Branchen über die kommenden Jahre deutlich reduziert werden und bis 2034 auslaufen. Das wird vor allem die Kosten für Stahl und Aluminium deutlich erhöhen.

Die wichtigsten Bereiche der Chemiebranche und auch die Hersteller von Keramik, Papier und Glas bekommen vorerst weiterhin kostenlos Emissionszertifikate zugeteilt. Bis 2030 soll es ein Konzept geben, wie auch sie für die von ihnen verursachten Klimagase zahlen müssen.

EU-Grenzausgleich: CO2-Preis für Importe geplant

Auch wer Waren im Ausland produziert und dann nach Europa verkauft, soll einen CO2-Preis zahlen. Dies betrifft genau jene Güter, für die die freien Zuteilungen in der EU wegfallen: Stahl, Aluminium, Dünger, Zement, Strom und Wasserstoff. Die Höhe dieses CO2-Grenzausgleichs soll den Kosten der Emissionszertifikate in der EU entsprechen. In der Fachsprache heißt das Instrument „Cbam“ (für „Carbon Border Adjustment Mechanism“).

Ziel sind ein fairer Wettbewerb innerhalb der EU und ein Verhindern von „Carbon Leakage“, also der Abwanderung CO2-intensiver Industrie ins Ausland. Die europäische Wirtschaft fürchtet durch die Reform dennoch Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Konkurrenten.

Wenn etwa ein europäisches und ein türkisches Unternehmen Stahl in die USA liefern, muss das türkische Unternehmen keine CO2-Zertifikate kaufen, das europäische aber sehr wohl. Die europäischen Stahl- und Aluminiumhersteller forderten deshalb weiterhin eine freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten für Exporte.

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Diese Forderung wird nicht erfüllt, weil sie wahrscheinlich dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) widerspricht. Stattdessen sollen die betroffenen Branchen nun besonders intensiv mit staatlichem Geld bei ihren Investitionen in saubere Technologien unterstützt werden. Die Mittel dafür kommen aus dem Emissionshandel. Zufrieden ist die Wirtschaft mit dieser Lösung nicht.

Obwohl die EU auf Exportsubventionen verzichtete, haben Handelspartner wie die USA bereits klargemacht, den neuen EU-Grenzausgleich als unfreundlichen Akt zu betrachten. Denn ihre Unternehmen müssten künftig bei Importen in den USA den neuen Grenzausgleich zahlen. Manche Beobachter halten Klagen vor der WTO gegen das Instrument für wahrscheinlich.

EU-Emissionshandel deckt internationalen Schiffsverkehr ab

Die Emissionen von Schiffen, die an europäischen Häfen anlegen, müssen künftig ebenfalls über Emissionszertifikate abgedeckt werden. Dies wird Im- und Exporte teurer machen und Reedern einen Anreiz bieten, vom sehr klimaschädlichen Schiffsdiesel auf saubere Antriebe umzurüsten. Hafenstädte versprechen sich davon auch eine bessere Luftqualität.

Mehr: Die EU stärkt die Hoffnung auf eine Rettung des Klimas – ein Kommentar



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