Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dringt auf eine rasche Digitalisierung von Behörden und Unternehmen.
(Foto: Dietmar Gust, Euroforum)
Berlin Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat an Führungskräfte appelliert, sich stärker für die Digitalisierung einzusetzen und dabei die Vorteile für die Beschäftigten in den Vordergrund zu rücken. Es bringe nichts, „mit heruntergelassenen Mundwinkeln“ von der Digitalisierung als reinem „Modetrend“ zu sprechen, sagte Buschmann auf dem GovTech-Gipfel des Handelsblatts am Dienstag in Berlin.
In Wahrheit gehe es darum, durch Digitalisierung das Leben der Leute besser zu machen, erklärte der 45-Jährige. Niemand solle angesichts eines weltweiten Kampfs um Talente bei einem gleichzeitigen Schrumpfen der Belegschaften im Burnout landen. Denn die Aufgaben würden nicht weniger, sagte der Minister. Daher komme man nicht umhin, so Buschmann wörtlich, „sich von Scheißdreck zu trennen“.
Das Wort habe er von seinem Parteikollegen, Digitalminister Volker Wissing. Der komme aus Rheinland-Pfalz, wo man Aufgaben als „Scheißdreck“ bezeichne, die für das menschliche Gehirn eigentlich viel zu schade seien.
„Deshalb ist Digitalisierung etwas, das wir nicht als Belastung empfinden sollten“, unterstrich der gebürtige Gelsenkirchener. Dadurch würde die Arbeit vielmehr angenehmer und interessanter, „weil wir uns von Scheißdreck trennen, das macht der Computer“.
Der Minister, der Rechtswissenschaften in Bonn studiert und bis 2009 als Anwalt in Düsseldorf gearbeitet hat, trat zugleich der oft geäußerten Sorge entgegen, durch die zunehmende Digitalisierung würde irgendwann die Arbeit ausgehen. Das werde nicht passieren. „Im Gegenteil, wir sind darauf angewiesen, dass gute Leute das Wertvollste, was sie haben, zwischen den Ohren, ihr Gehirn, für kreative, für wichtige, hochkomplexe Dinge einsetzen.“ Das müsse der Staat auch gewährleisten. Deshalb müsse er digitaler werden.
Buschmann verwies auf Fortschritte in seinem Ministerium. Als er ins Amt gekommen sei, habe er eine zu „100 Prozent papiergetriebene Behörde vorgefunden“, sagte er. Inzwischen sei das Ministerium komplett auf E-Akte umgestellt und könne ohne Papier auskommen. „Sie merken schon, Digitalisierung ist für mich mehr als ein Punkt auf einem Sprechzettel“, so Buschmann. Auch deshalb hilft nun sein Haus anderen Ministerien bei der Einführung der elektronischen Verwaltungsakte.
Elektronisches Anwaltspostfach war ein „totales Horrorprojekt“
Buschmann sieht auch den Justizbereich in Sachen Digitalisierung auf einem guten Weg – auch wenn es hier und da noch nicht rundlaufe. Die Einführung des sogenannten elektronischen Anwaltspostfachs zum Beispiel sei ein „totales Horrorprojekt“ gewesen, erklärte der Minister.
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Das Postfach ist eine Art E-Mail-Programm mit geschlossenem Nutzerkreis, über das vor allem Gerichte und Anwälte kommunizieren. Das Projekt sei so etwas wie der „BER der Anwaltschaft“ gewesen und habe häufig nicht funktioniert. Buschmann war bei diesem Vorhaben noch nicht Justizminister.
Doch auch er musste in seinem Amt schon Kritik einstecken. „Wir hatten vor ein paar Monaten eine ganz schwierige Situation mit den Landesjustizministern“, sagte Buschmann. „Sie haben mich alle gemeinsam beschimpft.“
Anlass für den Disput war, dass Buschmann den Ländern für die kommenden Jahre 200 Millionen Euro für Projekte zur Digitalisierung ihrer Justizbehörden in Aussicht gestellt hatte. Weitere Mittel – etwa für zusätzliche Stellen – waren jedoch nicht Teil des Angebots.
Aus Sicht der Länder war das nicht ausreichend. Sie verlangten von der Koalition aus SPD, Grünen und FDP, den im Koalitionsvertrag zugesagten „Rechtsstaatspakt 2.0“ ohne Abstriche umzusetzen. Der Streit zog sich monatelang hin. Ende März schließlich verständigte man sich auf eine gemeinsame Strategie für die Digitalisierung der Justiz.
Buschmann will den Zivilprozess digitalisieren
Buschmann sprach von einem „reinigenden Gewitter“ und zeigte sich zufrieden, dass das Thema nun „Chefsache“ sei und einmal im Jahr auf der Justizministerkonferenz von Bund und Ländern einen Schwerpunkt bilde.
Der Minister sieht auch den sogenannten „Digitalcheck“ als wichtige Maßnahme. Der führt dazu, dass bei neuen Gesetzentwürfen und Verordnungen der Bundesregierung automatisch geschaut wird, ob bei dem jeweiligen Vorhaben eine digitale Umsetzung mitbedacht wurde.
Für einen bedeutenden Digitalisierungsschritt hält der Minister auch die Möglichkeit, eine Hauptversammlung ohne persönliche Anwesenheit der Aktionäre abzuhalten. Dieses Format wurde zu Beginn der Coronapandemie eingeführt. Die jährlichen Aktionärstreffen, bei denen üblicherweise Tausende Menschen zusammenkommen, um über die Dividendenausschüttung, Kapitalmaßnahmen und die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat abzustimmen, durften online stattfinden. Im vergangenen Sommer machte der Bundestag die Sonderregelung dann mit gewissen Änderungen dauerhaft möglich.
Buschmann will auch den Zivilprozess digitalisieren. Mit spezieller Konferenztechnik sollen künftig Videoverhandlungen sowie Videobeweisaufnahmen und damit eine schnellere und kostengünstigere Verfahrensführung ermöglicht werden. Buschmann sieht darin einen wichtigen Beitrag zu der angestrebten Modernisierung und Digitalisierung der Justiz.
Der Minister ist sich aber auch bewusst, dass sich so etwas nicht von heute auf morgen flächendeckend durchsetzen lässt. Denn, so sagt er, Digitalisierung „ist natürlich ein dickes Brett“. Und das gelte auch für die Justiz.
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