Berlin Wolfgang Kubicki ist viel herumkommen in den vergangenen Tagen. In 48 Stunden fuhr er 1200 Kilometer mit dem Auto und legte noch mal 1400 Kilometer mit dem Flugzeug zurück, um in Bayern und Hessen Wahlkampf für die FDP zu machen. Von Freitag bis Sonntag wird Kubicki in Berlin sein beim FDP-Bundesparteitag, wo sich der 71-Jährige erneut um den Posten als Parteivize bewirbt.
Kubicki ist einer der bekanntesten FDP-Politiker, zugleich aber auch der umstrittenste. Viele Stammwähler lieben seine polternde Art. Außerhalb der liberalen Kernklientel finden ihn viele unerträglich. Die Polarisierung führt auch innerhalb der Partei zu Diskussionen: Nützt Kubicki der Partei noch mehr, als er ihr schadet?
In der Bundestagsfraktion hat er seine Anhänger, auch unter jüngeren Abgeordneten. Zudem ist Kubicki zwischen all den jungen FDP-Nachwuchshoffnungen im Bund und in den Ländern eines der wenigen altgedienten Gesichter. Und gerade bei älteren Wählern hatte die FDP zuletzt Probleme, ohne Kubicki wäre es wohl noch schlimmer.
Doch es gibt auch Kritiker, die ihm dem Rückzug aus der Parteiführung nahelegen. Kubickis „selbstzentrierte Unseriosität überzeugt keinen einzigen Menschen von liberalen Inhalten“, monierte etwa die Vorsitzende der Jungen Liberalen (Julis), Franziska Brandmann.
Und ausgerechnet FDP-Urgestein Gerhart Baum forderte Kubicki auf, auf dem Parteitag nicht zu kandidieren, er sei „nicht die Zukunft der FDP“.
„Ich fürchte weder Tod noch Teufel“
Auf den vergangenen Parteitagen wurde Kubicki jeweils mit deutlich mehr als 90 Prozent als Parteivize bestätigt. Muss er nun ein schlechtes Wahlergebnis auf dem Parteitag fürchten? Er selbst gibt sich gänzlich unbeeindruckt. „Ich fürchte weder Tod noch Teufel“, sagte Kubicki dem Handelsblatt. „Ich trete nicht an, um Karriere zu machen.“ Er wolle der FDP in den kommenden Wahlkämpfen helfen und dazu beitragen, dass sie bei der nächsten Bundestagswahl erneut ein zweistelliges Ergebnis erzielt.
Dass Kubicki derzeit viel unterwegs ist, weil er von Parteifreunden zu Auftritten in Bayern und Hessen eingeladen wird, zeigt, wie beliebt er an der Basis ist. Im Herbst stehen in den beiden Bundesländern für die Liberalen entscheidende Landtagswahlen an. Nachdem die FDP in Berlin und Niedersachsen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, müssen nun Erfolge her.
Kubicki gilt in der Partei noch immer als Wahlkampfstütze. Es gebe nicht viele in der FDP, die ein paar Hundert Anhänger zu Veranstaltungen locken, heißt es aus der Parteispitze. Kubicki füllt Marktplätze und Säle. Dafür erträgt man auch manchen Ärger. Wenn der 71-Jährige mal wieder über die Stränge schlägt, heißt es in seiner Partei: „ein typischer Kubicki“.
Der FDP-Vize arbeitete sich zuletzt bevorzugt an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab. Dabei traf er durchaus den Nerv vieler Liberaler, die sich zunehmend am Panikmodus des Gesundheitsministers in der Coronapandemie störten. Und auch die Ampelpartner geht Kubicki gerne an, mitunter zum Leidwesen von Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner.
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„Streit ist nichts Negatives“, sagt Kubicki. Die FDP sei aber nicht Opposition in der Regierung. „Das sind die Grünen, die sich nicht an Vereinbarungen halten.“ Der grüne Koalitionspartner zieht immer wieder den Zorn Kubickis auf sich.
„Dass sich junge Liberale an mir reiben, kann ich nachvollziehen“
Vor einigen Wochen verglich er Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit dem russischen Diktator Wladimir Putin. „Putin und Habeck haben eine ähnliche Überzeugung davon, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte, besser weiß als die Menschen, was für sie gut ist“, sagte er in einer Talksendung auf einer Internetplattform. Das war selbst für Kubicki zu viel. Kurze Zeit später entschuldigte er sich bei Habeck „in aller Form“.
Juli-Chefin Brandmann hatte die Aussage als „traurigen Höhepunkt“ der Ausfälle von Kubicki kritisiert. „Wer den Wirtschaftsminister der FDP-gestützten Bundesregierung mit einem per Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrecher vergleicht, der ist des Amts als stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP nicht würdig“, sagte sie.
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Die Kritik von Brandmann und den Julis nimmt Kubicki betont gelassen. „Dass sich junge Liberale an mir reiben, kann ich nachvollziehen“, sagt er. „Wenn dadurch neue Talente bekannter werden, halte ich dafür gerne meinen Rücken hin.“
Wer ihn kritisiert, profiliert sich. So sieht Kubicki das. Es ist das Selbstbewusstsein eines Politikers, der weiß, dass seine Partei nicht auf ihn in der vordersten Reihe verzichten will. Und selbst wenn Kubicki auf dem Parteitag ein schwaches Ergebnis erhält, leiser würde er wohl kaum. Er dürfte das wohl eher als Ansporn sehen.
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