Apr 20, 2023
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Haushaltspolitik: Frankreich will den Schuldenabbau beschleunigen

Written by Gregor Waschinski


Paris Frankreich steuert bei der Staatsverschuldung auf drei Billionen Euro zu. Kein europäisches Land ist in absoluten Zahlen so hoch verschuldet wie die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag die Schuldenlast der französischen Statistikbehörde Insee zufolge Ende 2022 bei 111,6 Prozent – und damit deutlich über der einst in der Europäischen Union vereinbarten 60-Prozent-Grenze.

Die französische Regierung hat nun einen Plan mit ambitionierteren Zielen bei der Haushaltskonsolidierung vorgelegt. „Wir beschleunigen die Entschuldung Frankreichs“, sagte Finanzminister Bruno Le Maire am Donnerstag in Paris. Erschwert wird die Lage allerdings durch die höhere Zinslast – und durch womöglich zu optimistische Prognosen beim Wirtschaftswachstum.

Das Haushaltsdefizit soll von aktuell knapp fünf Prozent des BIP bis 2027 auf 2,7 Prozent und damit unter die für Neuverschuldung geltende Drei-Prozent-Grenze der EU sinken. Bislang hatte Paris 2,9 Prozent im Jahr 2027 anvisiert. Die Staatsverschuldung soll dann auch 108,3 Prozent der Wirtschaftskraft betragen, vier Prozentpunkte weniger als im bisherigen mittelfristigen Finanzplan der französischen Regierung.

Le Maire sagte, dass die Krisen der vergangenen Jahre überall in Europa zu einer höheren Staatsverschuldung geführt hätten. Frankreich habe seine Bürger und Unternehmen mit hohen Ausgaben in der Pandemie sowie im Kampf gegen die Inflation und insbesondere gegen die hohen Energiepreise „geschützt“. Nun müsse aber die Schuldentragfähigkeit im Vordergrund stehen.

Der Minister betonte, dass Frankreich die fiskalpolitische Wende bereits 2022 eingeleitet habe, mit einer Begrenzung der Hilfen in der Energiekrise. Die staatliche Deckelung der Gas- und Strompreise sowie andere Maßnahmen wie Lebensmittelschecks sollen in absehbarer Zeit ganz auslaufen.

Macron sucht weitere Sparmöglichkeiten

Darüber hinaus sucht die Regierung von Präsident Emmanuel Macron nach weiteren Einsparpotenzialen. Macrons Premierministerin Élisabeth Borne bat alle Ministerien in einem am Mittwochabend verschickten Brief, mit Blick auf die Budgetverhandlungen für 2024 Möglichkeiten zu suchen, ihre Ausgaben um fünf Prozent zu senken. Die Staatsquote, also das Verhältnis zwischen den Ausgaben des Staates und der Wirtschaftsleistung des Landes, soll von derzeit 57,5 Prozent bis 2027 auf 53,5 Prozent heruntergehen.

Mit einem Sparkurs würde Macron allerdings das Risiko eingehen, die Bürger nach dem Ringen um seine Rentenreform erneut auf die Barrikaden zu treiben. Der Präsident hatte das umstrittene Gesetz trotz monatelanger Proteste und Streiks am Parlament vorbei in Kraft gesetzt. Seine Begründung: Die Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre sei angesichts der schwierigen Lage der Staatsfinanzen notwendig.

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Le Maire sagte, dass sich der Staat mit der Haushaltskonsolidierung den finanziellen Spielraum für künftige Krisen bewahre. „Wir beschleunigen lieber heute den Schuldenabbau, als morgen die Steuern zu erhöhen“, so der Minister. Zugleich machte er deutlich, dass man keine Austeritätspolitik verfolgen und weiter investieren werde.

Frankreich setzt auf höheres Wachstum

Die Strategie der Regierung beruht nicht zuletzt darauf, dass Frankreich langsam aus seinen Schulden herauswächst. Der Anteil der Staatsverschuldung am BIP soll sinken, indem die Wirtschaftsleistung gestärkt wird. Dazu sollen Steuern für Unternehmen und Bürger weiter gesenkt werden.

Seinen Berechnungen legt Paris aber eine vergleichsweise positive Erwartung beim Wirtschaftswachstum zugrunde. Dieses Jahr rechnet die Regierung mit einer Zunahme des BIP um ein Prozent, der Internationale Währungsfonds geht dagegen für 2023 in seiner kürzlich vorgestellten Frühjahrsprognose nur von 0,7 Prozent Wachstum in Frankreich aus.

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Eine zunehmende Belastung sind die steigenden Zinsen bei Staatsanleihen: Die Finanzierungskosten des französischen Staates haben 2022 bereits im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel zugenommen. Und die Zinsen steigen schneller als von der Regierung angenommen.

Im Finanzministerium in Paris rechnet man mittlerweile damit, dass die Kosten für den Schuldenabbau auf 70 Milliarden Euro im Jahr 2027 steigen werden. Das sind fast zehn Milliarden Euro mehr als in früheren Prognosen. Le Maire warnte, dass die Zinslast sich zum größten Posten im Staatshaushalt entwickeln könnte.

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Der Finanzminister sagte, dass der beschleunigte Schuldenabbau auch ein Signal an die europäischen Partner sei. Es gehe um „die Glaubwürdigkeit Frankreichs in der EU“. In Brüssel wird über eine Reform des Stabilitätspakts debattiert, nachdem die Schuldenstände vieler Mitgliedstaaten durch die Krisen der vergangenen Jahre weit über das eigentlich erlaubte Niveau gestiegen sind.

Die EU-Kommission plant maßgeschneiderte Pläne für den Schuldenabbau in jedem Land und stößt mit dieser Linie auf Zustimmung in Paris. Dagegen pocht das Bundesfinanzministerium in Berlin auf verbindlichere Vorgaben bei der Reduzierung von Haushaltsdefiziten und Staatsverschuldung.

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