Apr 21, 2023
49 Views
Comments Off on Valdis Dombrovskis : So will die EU Putin für den Ukraine-Krieg zur Rechenschaft ziehen
0 0

Valdis Dombrovskis : So will die EU Putin für den Ukraine-Krieg zur Rechenschaft ziehen

Written by Moritz Koch

Brüssel EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis galt in Brüssel lange als ein Mann der leisen Töne, als vorsichtig abwägender Kopfmensch. Doch Russlands Krieg gegen die Ukraine hat den Letten verändert. Dombrovskis zählt zu den lautstärksten Befürwortern eines unnachgiebigen Auftretens gegenüber dem Kreml. 

Im Handelsblatt-Interview erklärt er, wie Russland für die Kriegsschäden zahlen soll und wie es um die ökonomische Widerstandskraft Europas bestellt ist.

Herr Dombrovskis, der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Regierungen jüngst aufgefordert, die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation zu unterstützen. Steht Europa eine Rückkehr zur Austeritätspolitik bevor?
Unsere ökonomischen Empfehlungen gehen in dieselbe Richtung wie die des IWF. Es ist wichtig, dass die Geldpolitik und die Fiskalpolitik Hand in Hand arbeiten, dass sie sich nicht widersprechen. Im Kampf gegen die Inflation straffen die Zentralbanken die Geldpolitik und nutzen ihren Zinshebel. Daher rät auch die EU-Kommission den Mitgliedstaaten, eine umsichtigere Haushaltspolitik zu verfolgen, Defizite zu verringern und Schulden zu tilgen. Das bedeutet auch, die Hilfsprogramme, die hohe Energiepreise abfedern sollten, schrittweise zurückzufahren, da die Energiepreise wieder sinken.

Können Europas angeschlagene Volkswirtschaften das überhaupt verkraften?
Die wirtschaftlichen Aussichten für die EU haben sich zuletzt verbessert. Wir haben eine Rezession vermieden und erwarten für dieses Jahr ein Wachstum zwischen 0,8 und 0,9 Prozent. 

Doch die Sorge wächst, dass die Welt auf einen neuen kalten Krieg zusteuert: eine Konfrontation zwischen der demokratischen Welt und autoritären Mächten wie China und Russland. Gerade Deutschland würde das hart treffen.
Es ist klar, dass wir uns in einem zunehmend zerklüfteten und konfrontativen geopolitischen Umfeld befinden. Aber es fällt mir schwer, über einen kalten Krieg nachzudenken, während ein echter Krieg in Europa tobt. Die russische Aggression gegen die Ukraine ist Thema aller unserer internationalen Gespräche.

Die russische Wirtschaft kommt bisher glimpflich davon. Was, wenn die EU-Sanktionen den Europäern mehr schaden als den Russen?
Das ist definitiv nicht der Fall. Wenn wir uns die Sanktionen ansehen, müssen wir den wirtschaftlichen Kontext beachten. Das vergangene Jahr war von extrem hohen Energiepreisen gekennzeichnet – es hätte daher ein sehr gutes Jahr für die russische Wirtschaft sein müssen. Stattdessen ist Russland in die Rezession gerutscht. Auch in diesem Jahr wird die russische Wirtschaft schrumpfen, nach Schätzungen der OECD um 2,5 Prozent. Dagegen wächst die Wirtschaft der EU, wir haben uns erfolgreich von russischer Energie entkoppelt. 

Den Kreml scheint das bisher nicht zu beeindrucken.
Moment. Die Haushaltslage verschlechtert sich rasant. In den ersten drei Monaten des Jahres war das russische Budgetdefizit so groß wie im gesamten vergangenen Jahr. Aber Russland ist ein großes Land, die Sanktionen brauchen daher Zeit, um zu wirken. Zudem waren wir, offen gestanden, recht langsam darin, Sanktionen gegen den russischen Energiesektor zu verhängen. 

Was meinen Sie konkret?
Das EU-Embargo gegen russisches Öl und der Ölpreisdeckel der G7-Staaten sind im Dezember vergangenen Jahres in Kraft getreten, der Preisdeckel auf russische Ölprodukte erst in diesem Februar. Dabei wissen wir, dass der Export von fossilen Brennstoffen Russlands wichtigste Einnahmequelle ist. Wenn wir die Energiesanktionen schneller verhängt hätten, würden wir schon jetzt stärkere Auswirkungen sehen. 

Tanker warten auf russisches Öl

Der Ölpreisdeckel der G7 zielt darauf ab, die russischen Öleinnahmen zu senken.


(Foto: Reuters)

Lässt sich dieser Fehler korrigieren?
Wir sehen ja jetzt, da die Sanktionen erlassen sind, dass sie relativ schnell wirken. Mit jedem Monat wird sich die finanzielle Situation Russlands verschlechtern. Das wird die Fähigkeit des Kremls, Krieg zu führen, verringern.

Gerade die Bundesregierung hat Energiesanktionen gebremst – aus Angst um die Versorgungssicherheit. War diese Sorge übertrieben?
Das Versorgungsrisiko bestand vor allem für Erdgas. Auf russisches Erdgas haben wir daher auch keine Sanktionen verhängt. Es war Russland, das die Gaslieferungen gedrosselt hat, offenkundig um Europa zu erpressen. Mir geht es um die Ölsanktionen, da Öl für den russischen Staatshaushalt noch wichtiger ist als Gas.

Sollte der Preisdeckel auf russisches Öl jetzt gesenkt werden, um den Druck auf den Kreml weiter zu erhöhen?
Das sollten wir diskutieren. Als der Ölpreisdeckel eingeführt wurde, war die Idee, dass er die Marktbedingungen widerspiegeln sollte. Wir stehen einer Anpassung der Preisobergrenze daher offen gegenüber. Die Diskussion muss aber primär im Kreis der G7-Staaten geführt werden. Die EU will vollständig von russischem Öl loskommen. Unser Embargo hat schon dazu geführt, dass die Öleinfuhren aus Russland um 90 Prozent zurückgegangen sind.

>> Lesen Sie auch: Wie Xi die Schwäche Putins für Chinas Wirtschaft nutzt

Die Ukraine hat angesichts neuer russischer Kriegsgräuel ihre Forderung erneuert, russisches Vermögen zu konfiszieren. Ist die EU dazu bereit?
Die Weltbank schätzt die Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine auf 411 Milliarden Dollar. Das ist eine gewaltige Summe, die eine außerordentliche finanzielle Kraftanstrengung der demokratischen Welt erfordert, und besonders der EU. Daher ist es natürlich wichtig, dass wir das Prinzip beachten, wonach der Aggressor bezahlen muss. Russland als Aggressor ist völkerrechtlich zu Reparationszahlungen an die Ukraine verpflichtet.

… wird diese aber kaum freiwillig leisten.
Wir werden sehen. Aus diesem Grund müssen wir uns jedenfalls die eingefrorenen russischen Vermögen, einschließlich der Zentralbankreserven, anschauen. Die juristische Prüfung, was möglich ist, läuft. Außerdem haben sich die EU-Staaten im zehnten Sanktionspaket gegen Russland verpflichtet, Auskunft über die von ihnen eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu geben. Damit werden wir einen Überblick bekommen, was sich auf dem Territorium der EU befindet.

Die EU hat sich von Russland entkoppelt, aber es ist nicht leicht, neue Partner zu finden. Sie haben der US-Regierung jüngst einen grünen Handelspakt vorgeschlagen. Wie war die Reaktion?
Die Überzeugungsarbeit läuft, wir hoffen auf eine Einigung. Die angestrebte Allianz für kritische Rohstoffe und die Gespräche über eine Vereinbarung zu nachhaltig produziertem Stahl und Aluminium könnten Bausteine eines grünen transatlantischen Wirtschaftsraums sein. Ziel ist es, neue Handelsbarrieren zu vermeiden und bestehende abzubauen. Dabei geht es auch darum, die negativen Folgen des amerikanischen Inflation Reduction Act zu minimieren. 

Ein wichtiger Teil der EU-Handelsagenda ist das Abkommen mit den Mercosur-Staaten in Lateinamerika. Gerade die deutsche Wirtschaft knüpft starke Hoffnungen daran. Wird es bis zum EU-Lateinamerika-Gipfel im Juli einen Durchbruch geben?
Das ist das Ziel, und daher sprechen wir mit unseren Partnern in den Mercosur-Ländern über ein Zusatzprotokoll zur Nachhaltigkeit. Kürzlich habe ich mich mit dem neuen brasilianischen Handelsminister ausgetauscht. Wir sollten die Gelegenheit nutzen, die Ergebnisse, die wir erzielen konnten, festzuzurren.
Herr Dombrovskis, herzlichen Dank für das Interview.

Mehr: Moskau droht deutlich wie nie mit Ende des Getreideabkommens



<< Den vollständigen Artikel: Valdis Dombrovskis : So will die EU Putin für den Ukraine-Krieg zur Rechenschaft ziehen >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.