Apr 24, 2023
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Sudan: Evakuierungsmissionen fast abgeschlossen – doch der Konflikt im Sudan steht erst am Anfang

Written by Wolfgang Drechsler

Kapstadt Die Evakuierungsmissionen ausländischer Armeen aus dem Sudan sind fast abgeschlossen: Am Montagmorgen ist etwa eine dritte Bundeswehrmaschine mit etwa 100 deutschen Staatsbürgern und Angehörigen weiterer Nationen in Jordanien gelandet. Die ersten Evakuierten erreichten derweil am Montag Berlin. Seit Beginn des Einsatzes am Sonntag hat allein die Bundeswehr nach eigenen Angaben mehr als 300 Menschen aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum in Sicherheit gebracht.

Die USA und Großbritannien haben ihre eigenen Evakuierungen bereits am frühen Sonntag erfolgreich abgeschlossen. Hubschrauber seien von der US-Militärbasis im nahe gelegenen Dschibuti in die Hauptstadt des Sudans geflogen, um das Botschaftspersonal zu evakuieren, sagte ein Vertreter des US-Militärs. Der Einsatz sei reibungslos verlaufen, hieß es. Auch bei der Bundeswehr hätten die Evakuierungen „gut funktioniert“, hieß es aus Kreisen der Einsatzführung.

Seit zehn Tagen bekämpfen sich die reguläre sudanesische Armee und die Rapid Support Forces (RSF), eine mächtige rivalisierende Miliz, im Sudan. Der Konflikt droht die politischen und wirtschaftlichen Fortschritte seit dem Sturz des langjährigen Diktators Omar al Bashir zu zerstören. In der Hauptstadt Khartum ist die Lebensmittelversorgung zusammengebrochen, Strom- und Mobilfunknetz funktionieren nur unregelmäßig. Nicht nur Ausländer verlassen das Land, auch Zehntausende Sudanesen fliehen vor den Kämpfen.

Im Sudan kämpfen der De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der RSF. Eigentlich hätten die RSF der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen. Beim Machtkampf zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes sind nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) mindestens 427 Menschen getötet und 3700 verletzt worden.

Die Kämpfe haben die Evakuierungen der Bundeswehr über einen Militärflugplatz nördlich der Hauptstadt nötig gemacht, da der zivile Airport im Zentrum von Khartum liegt – mitten im Kampfgebiet der beiden verfeindeten Militärgruppen. Für den Weg dorthin mussten jedoch einige der evakuierten Deutschen ohne Begleitschutz quer durch die Stadt fahren. Die Flucht wurde dadurch erschwert, dass es in Khartum durch den Zusammenfluss von Weißem und Blauem Nil viele Brücken gibt, die von den militärischen Gruppen leicht zu kontrollieren sind.

Gefährliche Flucht über Land

Nach einer Woche anhaltender Gefechte hatten einige Ausländer in Khartum die Chance einer Rettung per Luftbrücke offenbar als derart gering betrachtet, dass sie am Wochenende eine Flucht über den gefährlichen Landweg riskierten – eine rund 800 Kilometer lange Fahrt in die Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer. Es ist eine gefährliche Route, weil die Straße anfangs durch eine von der RSF kontrollierte Gegend führt.

Saudischen Bürgern war die Flucht nach Port Sudan bereits Ende letzter Woche gelungen. Nach Angaben des saudischen Fernsehsenders Al-Arabia brachten fünf saudische Schiffe mehr als 150 Menschen am Wochenende von dort nach Saudi-Arabien, das als einer der Hauptunterstützer des Sudans gilt.

>> Lesen Sie hier: Sudan: Angst vor einem Flächenbrand

In der Hauptstadt Khartum hat sich die Versorgungslage seit dem Beginn der Kämpfe dramatisch verschlechtert. Es fehlen Wasser und Lebensmittel. Stromabschaltungen und der zeitweilige Ausfall des Mobilfunksystems behindern die Kommunikation. In der Folge fliehen nun auch immer mehr Sudanesen aus der Stadt.

Menschen fliehen vor den Kämpfen in Khartoum

Eine Flucht für Einheimische aus der umkämpften Hauptstadt wird immer teuerer.


(Foto: Reuters)

Allerdings sind die Transportmöglichkeiten beschränkt und teuer; die wenigen verfügbaren Fahrer verlangen zum Teil astronomische Preise, berichteten Augenzeugen. Daneben haben sich die Kosten von Lebensmitteln nach Angaben von Anwohnern verdoppelt. Ein weiteres Zentrum der Kämpfe befindet sich im Ballungsraum von Khartum und der Nachbarstadt Omdurman, in der mehr als acht Millionen Menschen leben.

Die neuerliche Notlage dürfte den Sudan nach dem Niedergang während der 30-jährigen Diktatur von Omar al Bashir und der Unsicherheit in den Jahren seit dessen Sturz noch weiter zurückwerfen. Bereits heute gehört der Sudan zu den ärmsten Ländern der Welt. Auf dem Human-Development-Index der UN befindet sich das Land auf Rang 172 von 191. Das Schlusslicht bildete der 2011 abgefallene Südsudan.

Angst vor einem Bürgerkrieg

Ein Warnsignal ist vor allem, dass die Auslandsschulden sich schätzungsweise wieder auf fast 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen. Dabei hatte der Sudan erst vor zwei Jahren wegen seiner demokratischen Fortschritte von einer Entschuldungskampagne profitiert.

>> Lesen Sie hier: Kämpfe im Sudan: Streitkräfte sagen erneut Waffenstillstand zu

All dies ist durch die jüngsten Ereignisse nun gefährdet. Dazu kommt, dass die Wirtschaft von Familien dominiert wird, die eng mit dem Militär und dem Sicherheitsapparat vernetzt sind. Schon allein deshalb hätten Regime und Miliz bei einer freiwilligen Machtaufgabe viel zu verlieren.

Ähnliches gilt auch für die Politik. Bislang konnten die Generäle die Gefahr einer internationalen Strafverfolgung für ihre Verbrechen im Dafur-Konflikt durch ihr gemeinsames, aber nun zerbrochenes Bündnis abwenden. In der sudanesischen Provinz Dafur kam es zwischen 2003 und 2008 zu Kämpfen zwischen der arabisch dominierten Zentralregierung und der dortigen schwarzafrikanischen Minderheit. Dies dürfte sich ändern, weil der Sicherheitsapparat des Sudans kein einheitlicher Block ist. Armee, Geheimdienst und die Milizen der RSF verfolgen sehr unterschiedliche Interessen.

Bereits vor 18 Monaten hatte deshalb der Sudan-Experte Magdi al-Gizouli von der Forschungsorganisation Rift Valley Institute gewarnt, dass ein Auseinanderbrechen der Allianz zwischen Regime und Miliz weitreichende Folgen haben könnte. In einem solchen Fall sei es möglich, dass die Lage im Sudan binnen kurzer Zeit in einen Bürgerkrieg an mehreren Fronten abgleiten könnte, sagte al-Gizouli.

Mehr: Erste Evakuierte aus dem Sudan in Deutschland gelandet.



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