Apr 25, 2023
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Streit in der Bundesregierung: Spitzen der Ampelkoalition treffen sich erneut

Written by pinmin

Berlin Die letzte Marathonsitzung des Koalitionsausschusses ist kaum vier Wochen her, da steht schon das nächste Treffen bevor. Die Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP wollen sich am Mittwochabend treffen, erfuhr das Handelsblatt aus Koalitionskreisen. Mit großen Beschlüssen wird nicht gerechnet. Vielmehr wollen sich die Parteien darüber verständigen, worauf man sich bei der letzten Runde geeinigt hat.

Ende März verhandelten SPD, Grüne und FDP drei Tage lang. Doch die Ruhe nach dem Kompromiss hielt nicht lange an. Immer wieder streiten sich die Bündnispartner über dieselben Themen. Vor allem das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das den Heizungstausch regelt, ist eine beständige Quelle für Ärger.

Und während über die alten Vorhaben immer wieder neu gestritten wird, kommen weitere Konflikte hinzu, etwa bei der Start-up-Finanzierung. Die Liste an Themen, bei denen sich die Ampel verhakt, wird länger und länger. Das Handelsblatt gibt eine Übersicht über die Konfliktherde.

Vergangenen Mittwoch stimmte das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf zum Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) zu. Dieses sieht im Kern vor, dass ab 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Doch vor allem die FDP versucht, die Grünen bei dem Thema vor sich her zu treiben.

>> Lesen Sie hier: Das steht im neuen Heizungsgesetz

Deutlich wurde das zuletzt beim FDP-Bundesparteitag am Wochenende. In einem Leitantrag forderten die Liberalen „große Änderungen“ am Gebäudeenergiegesetz. Die FDP wolle eine Klimaschutzpolitik, „die die Menschen mitnimmt, anstatt die Menschen zu bevormunden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Robert Habeck

Der Wirtschaftsminister plant strikte Regeln zum Heizen, doch die Liberalen pochen auf Änderungen.


(Foto: dpa)

Die Grünen, allen voran Wirtschaftsminister Habeck, ärgern sich über die Kritik, die auch aus der SPD kommt. „Klimaschutz soll zu einem Lebensstilthema, zu einem Milieuthema, zu einem Parteithema gemacht werden“, sagte Habeck am Wochenende. Habeck tappte aber nicht in die Falle, den beleidigten Koalitionspartner zu spielen, und äußerte Verständnis für die Auseinandersetzungen. Der Schutz des Klimas werde jetzt konkret, so Habeck. „Logischerweise gibt es da nun Debatten.“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge erinnerte die FDP daran, gemeinsam im Koalitionsausschuss einen Beschluss gefasst zu haben. „Eine Partei oder Fraktion in Regierungszeiten verantwortungsvoll zu führen bedeutet, zu dem zu stehen, was man geeint hat“, sagte Dröge.

Die Liberalen lassen allerdings keinen Zweifel daran, bei den Beratungen im Bundestag weitere Änderungen anzustreben, also den Kompromiss zum Kompromiss des Kompromisses.

Start-up-Gesetz

Während die FDP bei den Klimaschutzvorhaben der Grünen bremst, stellt sich die Ökopartei nun bei liberalen Prestigeprojekten quer.

Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz will Bundesfinanzminister Christan Lindner (FDP) Start-ups fördern. Dafür will er das Modell der Mitarbeiterkapitalbeteiligung vereinfachen, das Start-ups ein gutes Argument bei der Suche nach Fachkräften gibt. Das Gesetz soll das viel kritisierte „Dry Income“-Problem lösen, bei dem Mitarbeitende ihre Firmenanteile versteuern müssen, bevor sie diese zu Geld machen können. Ein Vorhaben, das die Grünen grundsätzlich begrüßen.

Doch der Finanzminister hat in dem Gesetzentwurf auch noch einige FDP-Punkte untergebracht, die ihm die Grünen nicht durchgehen lassen wollen. „Im Gesetzentwurf verstecken sich auch Vorhaben, die den Start-ups gar nicht helfen und auf die sie selber keinerlei Wert legen“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch.

Andreas Audretsch

Der Vize-Fraktionschef der Grünen wirft der FDP vor, Vorteile für große Konzerne in das Start-up-Gesetz schreiben zu wollen.

(Foto: IMAGO/Future Image)

So will Lindner etwa den steuerlichen Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auf 5000 Euro anheben. Ein so hoher Betrag sei für Start-ups gar nicht relevant, sondern helfe nur den Großkonzernen, moniert Audretsch. „Wir wollen ein echtes Start-up-Gesetz, keine Förderung für große Konzerne durch die Hintertür.“ Die Grünen-Bundestagsfraktion will Lindners Entwurf in dieser Form deshalb nicht unterstützen und fordert Nachbesserungen.

Hamburger Hafen

Die Ampel streitet auch über Themen, die längst abgehakt schienen. Das ist etwa der Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco am Terminal Tollerort des Hamburger Hafens.

Sechs Ministerien um das Wirtschaftsressort von Robert Habeck hatten sich vergangenen Herbst gegen den Einstieg ausgesprochen. China dürfe aus ihrer Sicht keinen Zugriff auf sensible Infrastruktur in Deutschland erlangen. Das Bundeskanzleramt setzte die Beteiligung Coscos aber durch, wenn auch in leicht reduzierter Form. Das Haus des ehemaligen Ersten Bürgermeisters der Hansestadt, Olaf Scholz (SPD), hielt das für notwendig, damit Hamburg nicht weiter Marktanteile an die Häfen Rotterdam und Antwerpen verliert.

Hamburger Containerterminal Tollerort

Das Terminal gilt nun als kritische Infrastruktur, eine neue Prüfung durch das Wirtschaftsministerium steht im Raum.


(Foto: dpa)

Das Terminal Tollerort war damals nicht als kritische Infrastruktur eingestuft. Inzwischen hat die Betreiberfirma des Hamburger Hafens das Terminal aber als kritische Infrastruktur registriert – und es spricht einiges dafür, dass das schon vor dem Regierungsstreit im vergangenen Herbst hätte passieren müssen.

Daher kocht der Streit nun wieder hoch. Habecks Wirtschaftsministerium hält eine erneute Prüfung für notwendig, heißt es in Regierungskreisen. Das Kanzleramt wiederum will davon offenbar nichts wissen. Möglicherweise ist die Frage nach der erneuten Prüfung juristisch nicht klar zu beantworten, sodass ein politischer Streit unausweichlich ist. Kommt es zur erneuten Prüfung, dürfte sich der nächste Teil des Streits gleich anschließen.

Arbeitszeiterfassung

Streit gibt es innerhalb der Koalition auch über das Thema Arbeitszeiterfassung. Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts hatten für Rechtsunsicherheit in den Unternehmen gesorgt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) legte deshalb vergangene Woche einen Gesetzentwurf vor, der – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine Pflicht zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit vorsieht.

Hubertus Heil

Der Arbeitsminister will die elektronische Arbeitszeiterfassung flächendeckend einführen.


(Foto: dpa)

Nach Ansicht von Arbeitsrechtsexperten legt Heil damit die Gerichtsurteile strenger aus als nötig, da weder EuGH noch Bundesarbeitsgericht die elektronische Aufzeichnung zwingend vorschreiben.

In der FDP regt sich deshalb bereits Widerstand. Bei dem bekannt gewordenen Gesetzentwurf handele es sich um „die persönlichen Vorstellungen des Arbeitsministers, die wir kritisch prüfen“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Liberalen, Pascal Kober. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Pläne unverändert zum Gesetz würden.

Haushalt

Seit Wochen streitet Finanzminister Lindner mit den anderen Ministerien über den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr. Die Ressorts fordern milliardenschwere Zusatzausgaben, Lindner besteht auf Einhaltung der Schuldenbremse. Der Finanzminister hält ausdrücklich auch bei Sozialausgaben Einschränkungen für nötig, was SPD und Grüne ärgert.

Christian Lindner

Der Finanzminister pocht auf die strenge Einhaltung der Schuldenbremse – zum Unmut der Koalitionspartner.


(Foto: Reuters)

Der Streit dreht sich nicht nur um die zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung. Auch die jüngst im Kabinett beschlossene Pflegereform fällt so dürftig aus, dass die Grünen nachbessern wollen.

„Der Kanzler hat im Wahlkampf Respekt versprochen“, sagt die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Maria Klein-Schmeink dem Handelsblatt. „Die jetzige Pflegereform löst dieses Versprechen nicht ein.“ Auf Intervention des Finanzministers sei die Reform immer weiter abgespeckt worden – obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart ist, die Kosten für die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger und die Ausbildungsumlage aus Steuermitteln zu finanzieren.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird angelastet, dass er davon nicht mehr durchsetzen konnte und stattdessen die Versicherungsbeiträge auf ein Rekordhoch anhob. In der Koalition hat er deswegen den Ruf als „schwächster Minister“, wie ein Koalitionär beschreibt.

Im Streit über die desolaten Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen dürfte sich der Ärger wiederholen. Hier stellt man sich bereits darauf ein, dass Lauterbach die größte Last auf die Versicherten abwälzt – mit der Folge, dass die Sozialabgaben noch weiter steigen.

Mehr: „Manches ist gegenwärtig nicht finanzierbar“ – Lindner ruft Ampel zum Sparen auf



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