Wien Es klingt verlockend, was Andreas Babler den Österreichern in Aussicht stellt, falls er der Chef der Sozialdemokraten (SPÖ) und schließlich gar Bundeskanzler werden sollte. Er verspricht die 32- statt die 40-Stunden-Woche, und das ohne Lohnabstriche.
Weniger arbeiten, dafür mehr Zeit für Familie und Hobbys – damit will der Bürgermeister der Industriestadt Traiskirchen aus der seit Montag laufenden Mitgliederbefragung der SPÖ als Sieger hervorgehen.
Rund 148.000 Parteimitglieder können bis zum 10. Mai abstimmen, wer die Sozialdemokraten künftig führen soll. Für die SPÖ sind es entscheidende Wochen. Denn die Befragung findet nur statt, weil es in der Partei einen Personalstreit gibt, der eigentlich ein Richtungskampf ist. Wie soll sich die SPÖ positionieren in einem Land, in dem es dem Großteil der stimmberechtigten Bevölkerung gut geht und die Vorsorge umfassend ist?
Außer Babler wollen zwei weitere Politiker die SPÖ in die Parlamentswahlen führen, die spätestens im Herbst 2024 stattfinden werden. Sie stehen symbolisch für die ideologischen Richtungen der Sozialdemokratie.
Die derzeitige Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner zählt zum linksbürgerlichen Flügel, Kritiker hängen der Epidemiologin deshalb gern das Etikett der Salonsozialistin an. Hans Peter Doskozil, der Landeshauptmann des Burgenlands, hat sich in Fragen der Sicherheit als ehemaliger Polizeidirektor eher rechts positioniert, sozialpolitisch verfolgt er dagegen linke Anliegen.
So hat er im Burgenland einen Mindestlohn von 2000 Euro netto eingeführt, was für Österreich ein eher hoher Betrag ist. Zwischen Doskozils und Rendi-Wagner gibt es seit Jahren Streit. Nun will Doskozil die Vorsitzende wohl stürzen.
Babler hingegen wirkt wie ein teils authentischer, teils naiver Weltverbesserer. Er will in der SPÖ das Feuer neu entfachen. „Die Protestbewegung ist unsere DNA“, sagt er.
Auf diesem Gebiet hat die SPÖ am Wochenende allerdings Konkurrenz erhalten. Bei den Wahlen im Bundesland Salzburg ist die Kommunistische Partei (KPÖ) auf einen Stimmenanteil von 11,7 Prozent gekommen, in der Hauptstadt Salzburg erreichte sie mehr als 21 Prozent.
Zuvor hatte sie einen Anteil von etwa 0,4 Prozent. Für rund die Hälfte des Zugewinns sind ehemalige Wähler der SPÖ und der Grünen verantwortlich. Sie treibt vor allem eine Sorge um: die hohen Immobilienpreise und Mieten in dem Land. Das Erstarken einer linken Kraft in Salzburg ist ein Beweis dafür, wie dringend die SPÖ ihren Konflikt lösen muss.
Könnte die SPÖ Partner finden?
Wer immer aus dem Rennen als Sieger hervorgehen wird – die Frage wird sein, ob der neue Präsident oder die neue Präsidentin so viele Österreicher begeistern wird, dass die SPÖ mit einem Partner oder in einer Dreierkoalition eine Regierung bilden kann.
Vorbehalte bestehen gegenüber allen drei Kandidaten. Einen Wähleranteil von mehr als die derzeitigen 25 Prozent bekommt die SPÖ wohl nur, wenn es ihr gelingt, Wähler rechts der Mitte anzusprechen oder jene, die für die rechtspopulistische FPÖ gestimmt haben.
Die Freiheitlichen kommen in Umfragen auf einen Stimmenanteil von um 30 Prozent. Die hohe Inflation, die Nachwehen der Pandemie und die Immigration haben im Land die Unzufriedenheit geschürt. Die SPÖ wird laut Meinungsforschern derzeit von etwa einem Viertel der Wähler unterstützt und liegt gleichauf mit der konservativen Kanzlerpartei ÖVP.
Die Leute, die gegenüber dem Establishment „angefressen“ seien, sollen die SPÖ statt die FPÖ wählen, sagt der 50-jährige Babler. „Ein gesundes Mittagessen für jedes Kind“, Preisgrenzen bei Mieten oder Gratisstrom bis 60 Prozent des Durchschnittverbrauchs: Mit solchen plakativen Forderungen will der Politiker die Stimmbürger abholen.
Diese Punkte sind den Politikern wichtig
Wirtschaftsfreundliche Wähler schreckt Babler damit allerdings ab. Zumal er Einwände gegen seinen Vorschlag der Arbeitszeitreduktion beiseiteschiebt. „Finanzierbar ist alles“, sagt er. Um die Folgen der Coronapandemie abzufedern, habe der Staat schließlich auch 47 Milliarden Euro mit der Gießkanne verteilt.
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Auch Doskozils Politik ist eher kostspielig. Ob Wohnen, Pflege, Verkehr oder Kinderbetreuung – für viele Themen hat er im Burgenland staatliche Lösungen initiiert. Kritiker sagen, er verdränge so private Anbieter.
Der Landeshauptmann entgegnet, der Staat könne einen besseren Service bieten als private Investoren und erst noch verhindern, dass diese mit öffentlichen Dienstleistungen das große Geld machten.
Programmatisch hat Rendi-Wagner in diesem Spannungsfeld einen schweren Stand, da sie weniger populistisch ist. Sie tritt für moderne linke Anliegen wie Ganztagsschulen oder einen Energiewendefonds ein; ihr Programm ist aber weniger umfassend fürsorglich als die Programme von Doskozil und Babler.
Streit auch nach Mitgliederbefragung möglich
In der SPÖ hofft man, dass die Mitgliederbefragung den Richtungsstreit beendet und die Verlierer das Ergebnis akzeptieren werden. „Unsere Partei befindet sich in einer kritischen Situation“, sagt der 34-jährige Chef des niederösterreichischen Parteiteils, Sven Hergovich.
Alle warten nun gespannt, ob der Befreiungsschlag gelingt. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung ist nicht bindend, sondern soll nur ein Stimmungsbild vermitteln. Am Schluss wird der Parteitag am 3. Juni den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin wählen.
Die Streitigkeiten in der Partei könnten also weitergehen, vor allem wenn die Befragung keinen eindeutigen Sieger hervorbringt. Es sei wichtig, in der SPÖ einen Bogen über die verschiedenen Strömungen zu spannen, sagte Doskozil am Wochenende im ORF. „Ob das gelingt, wird man sehen.“
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