Apr 27, 2023
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Klima-Maut: Bund belastet Verbraucher mit Extra-Maut in Höhe von mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr

Written by Daniel Delhaes

Berlin Mehr als sieben Milliarden Euro extra pro Jahr will der Bund künftig mit der Lkw-Maut einnehmen. Das geht aus dem Entwurf für ein geändertes Bundesfernstraßenmautgesetz hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. Statt der bisherigen 8,5 Milliarden Euro sollen allein ab 2024 mehr als 15 Milliarden Euro pro Jahr durch die Straßenbenutzungsgebühr in die Staatskasse fließen.

Mit der geplanten Regelung macht die Ampelkoalition von der europarechtlichen Möglichkeit Gebrauch, die Lkw-Maut um eine Klimakomponente zu ergänzen. „Künftig wird der Lkw-Mautsatz neben den Teilsätzen für Infrastrukturkosten und externe Kosten für Luftverschmutzung und Lärmbelastung auch einen Teilsatz für Kosten für verkehrsbedingte Kohlenstoffdioxid-Emissionen beinhalten“, heißt es im Entwurf.

Die Maut-Aufschlag beträgt 200 Euro je freigesetzte Tonne Kohlendioxid und ist damit der höchstmögliche Wert, den die EU-Verordnung zulässt.

Bis 2027 will der Staat so zusätzlich 31 Milliarden Euro von Spediteuren kassieren, abzüglich der Kosten bleiben 27 Milliarden. Zudem werden künftig auch Fahrzeuge mit einem Gewicht von 3,5 bis 7,5 Tonnen mautpflichtig. Die rund zwei Millionen Fahrzeuge in dieser Gewichtsklasse sollen mit rund einer Milliarde Euro im Jahr zum Aufkommen beitragen.

Ausnehmen will das Ministerium sogenannte „Handwerkerfahrzeuge“, die weniger als 7,5 Tonnen wiegen und von denen laut Entwurf eine Million auf den Straßen fahren. In den kommenden vier Jahren will der Bund so Zusatzeinnahmen mit einem „Durchschnittswert“ von 7,62 Milliarden Euro verbuchen.

Es fehlen emissionsfreie Lastwagen

Den Betrag werden wohl letztlich die Verbraucher aufbringen müssen, da die Spediteure die zusätzliche Klimamaut an die Auftraggeber, etwa den Einzelhandel, weitergeben wollen. Entsprechende Ankündigungen haben bereits die Branchenverbände gemacht. Daher rechnen sie mit steigenden Verbraucherpreisen.

Im Gesetzentwurf indes weist das Bundesverkehrsministerium darauf hin, dass „die Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau marginal ausfallen“. Nach Informationen des Handelsblatts hat eine Kurzstudie im Auftrag des Ministeriums ergeben, dass die Transportkosten nur zwei Prozent des Produktwerts ausmachen und die Maut selbst einen Anteil von weniger als zehn Prozent an den Transportkosten hat. Entsprechend belaufe sich die Preissteigerung auf „circa 0,1 Prozentpunkte“.

Verkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner (v.l.)

Das Verkehrsministerium arbeitet an einer Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes.


(Foto: Reuters)

„Eine Größenordnung von jährlich 7,62 Milliarden Euro mit dem Etikett ‚marginal‘ zu versehen erinnert mich ehrlich gesagt an die viel zitierten ‚Peanuts‘“, sagte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), dem Handelsblatt. „Es bleibt abzuwarten, ob die Handels- und Industrieunternehmen den nächsten Frachtpreisverhandlungen ebenso entspannt entgegensehen, wenn sich die Transportkosten für die Straßengüterverkehrsunternehmen durch die Quasi-Mautverdoppelung um ein knappes Zehntel erhöht haben werden.“

Die prognostizierten Mauteinnahmen aus der Klimamaut steigen laut Gesetzentwurf parallel zur bisherigen Maut in den nächsten Jahren. Dies deutet darauf hin, dass das Ministerium selbst nicht damit rechnet, dass Spediteure auf emissionsfreie Fahrzeuge umsteigen werden.

Diese sind zwar bis 2026 von der Mautpflicht befreit. Allerdings gibt es derzeit so gut wie keine Fahrzeuge, die mit einer Batterie oder mit einer Brennstoffzelle betrieben werden. Auch sind sie wesentlich teurer als die modernsten Dieselfahrzeuge.

Entsprechend kritisierten die Speditions- und Logistikverbände die geplante Mauterhöhung. Angesichts des fehlenden Angebots sorge der Preis nicht dafür, dass in klimafreundliche Fahrzeuge investiert werde, wie dies bisher der Fall gewesen sei. Auch fehle die Ladeinfrastruktur für schwere Lastwagen.

Bisher variierten die Mautsätze je Lkw entsprechend der jeweiligen Euro-Norm. Dies sorgte dafür, dass die Fuhrunternehmen in moderne Fahrzeuge investierten. Auf die Bahn auszuweichen sei auch keine Lösung. „Die fährt selber kapazitätsmäßig am Anschlag“, sagte Engelhardt. „Die Bürgerinnen und Bürger werden also mit 7,62 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich zur bereits bestehenden Inflation belastet – für nichts.“

In der Tat hatte auch die FDP mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing dieses Argument vorgebracht und entsprechend für eine gestaffelt eingeführte Klimamaut plädiert. Allerdings überwog zuletzt das Argument von Finanzminister Christian Lindner, angesichts der Schuldenbremse zusätzliches Geld zu organisieren, um in die teils marode Infrastruktur investieren zu können.

Das Geld fließt ins marode Schienennetz

Die zusätzlichen Einnahmen aus der Lkw-Maut sollen nicht – wie in der Vergangenheit bei der Maut üblich – in die Straßen investiert werden, sondern zu 80 Prozent der Bahn zugutekommen. Darauf hatten sich SPD, Grüne und FDP auf ihrem Koalitionsgipfel im März verständigt, um das in Teilen desolate Schienennetz zu sanieren.

In den kommenden vier Jahren sollen 45 Milliarden Euro extra ins Schienennetz fließen. Über die zu schließende Lücke soll in den Haushaltsberatungen entschieden werden.

Auch datenschutzrechtlich soll es eine Neuerung geben: Waren die Mautdaten, die Fahrzeugdaten bis hin zu Fahrten umfassen, bisher für Dritte tabu, so will sie der Bund künftig zumindest pseudonymisiert nutzen, „zum Beispiel für die Belegungserfassung von Lkw-Stellplätzen“, wie es als ein möglicher Anwendungsfall in dem Gesetz heißt.

Um das derzeitige elektronische Mautsystem zu erweitern, stellt die verstaatlichte Toll Collect GmbH dem Bund 59 Millionen Euro in Rechnung und laufende Kosten von sechs Millionen Euro jährlich. Es entstehen 332 neue Stellen beim Bundesamt für Logistik und Mobilität, die für die Kontrollfahrten auf den Bundesstraßen zuständig sind. In der Behörde fallen laut Entwurf einmalige Kosten von rund 33 Millionen und laufende Kosten von 31 Millionen Euro an.

Die Verbände hatten nur 24 Stunden Zeit, um Stellung zu nehmen, bis Donnerstag. Der Gesetzentwurf soll am 10. Mai vom Kabinett beschlossen werden, ist allerdings noch nicht mit den Bundesländern sowie innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, wie es im Ministerium hieß.

Mehr: Deutsche Bahn bekommt neue Schienennetzgesellschaft – „Wir wollen so wenig wie möglich ändern“



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