Berlin Die FDP fordert eine neue Personaloffensive für die Bundeswehr. Unter anderem sollen auch Ausländer der Truppe beitreten können. „In Deutschland haben wir ein großes Potenzial junger Menschen ohne deutschen Pass, die gern deutsche Staatsbürger werden würden und dafür auch etwas leisten möchten“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Müller, dem Handelsblatt.
Auf einem vierseitigen Papier mit dem Titel „Zeitenwende Personal“ listet Müller Vorschläge auf, wie die Streitkräfte als Arbeitgeber attraktiver werden können. Eine Option wären weniger Versetzungen. Auch müssten Fachkarrieren neben den üblichen militärischen Laufbahnen möglich sein.
Ende vergangenen Jahres dienten rund 183.000 Berufs- und Zeitsoldatinnen und -soldaten und freiwillig Wehrdienstleistende in den deutschen Streitkräften. Schon heute gibt es gewaltige Personalprobleme. Von den militärischen Dienstposten oberhalb der Mannschaftsdienstgrade waren knapp 16 Prozent nicht besetzt. Bei den Mannschaftslaufbahnen traf das sogar auf knapp jeden fünften Dienstposten zu.
Durch den demografischen Wandel wird sich die Situation noch verschärfen. Denn die Hauptzielgruppe für die militärische Personalgewinnung – deutsche Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 25 Jahren – wird bis zum Jahr 2050 um mehr als zwölf Prozent schrumpfen.
Die Bundeswehr stellt das vor eine besondere Herausforderung, weil sie bis 2031 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten anwachsen soll. Das ursprüngliche Ziel, diese Zahl bis 2027 zu erreichen, wurde bereits fallen gelassen.
Bewerbungen für die Bundeswehr gehen zurück
„Personal ist aktuell eine fast noch größere Herausforderung als Material“, sagte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, dem Handelsblatt. Im vergangenen Jahr seien die Bewerbungen um elf Prozent zurückgegangen. Die Einstellungen stiegen zwar um zwölf Prozent, aber die Abbrecherquote bei den Rekruten lag bei 21 Prozent. „Das ist viel zu hoch“, betonte Högl.
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Um Militärkarrieren auch für Ausländer zu öffnen, schlägt Verteidigungspolitiker Müller ein Pilotprojekt vor. Voraussetzung wäre, dass sich die Bewerber zweifelsfrei zu den Grundwerten bekennen. Nach fünfjährigem Dienst sollen sie die Aussicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Bündnispartner wie die USA oder Großbritannien hätten damit gute Erfahrungen gemacht, sagte Müller.
Bei der Unionsfraktion stoßen die Vorschläge durchaus auf Zustimmung. Er würde die Öffnung der Bundeswehr auch für ausländische Bewerber begrüßen, sagte ihr verteidigungspolitischer Sprecher Florian Hahn (CSU). „Sie kann aber nur wirken, wenn die FDP dafür sorgt, dass die Ampel nicht wie geplant das Staatsbürgerschaftsrecht ohnehin lockert.“ Denn sonst gebe es einfachere Wege zum deutschen Pass als über das Militär.
Die Offizierslaufbahn müsse aber auch flexibler für Fachfunktionen werden – gerade mit Blick auf zukünftige Herausforderungen wie die Stärkung der Cybersecurity. „Ein IT-Nerd will an die Tastatur und seinen Job machen, aber nicht die üblichen Bundeswehrverwendungen durchlaufen, die man für einen höheren Dienstposten braucht“, sagte Müller. Trotzdem sollte ihm bis zu einem gewissen Dienstgrad der Aufstieg möglich sein.
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Högl warnte davor, bei der Personalgewinnung falsche Erwartungen zu wecken, die am Ende nicht erfüllt würden. Solange etwa die Kasernen nicht in einem modernen und ordentlichen Zustand seien und nicht einmal über funktionierendes WLAN verfügten, werde es schwer, junge Leute für die Bundeswehr zu begeistern.
„Ein IT-Nerd will an die Tastatur und seinen Job machen, aber nicht die üblichen Bundeswehrverwendungen durchlaufen, die man für einen höheren Dienstposten braucht.“
(Foto: IMAGO/Christian Spicker)
Die wichtigsten Faktoren für eine attraktive Bundeswehr seien zudem die Vereinbarkeit von Familie und Dienst, Vorgesetzte, die einen modernen Führungsstil lebten, eine vernünftige persönliche Ausrüstung und Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten sowie gute Karrierechancen, betont die Wehrbeauftragte.
Nicht wenige Soldatinnen und Soldaten verließen die Bundeswehr wieder, weil sie ihren Regeldienst nicht dort verrichten könnten, wo ihr Lebensmittelpunkt liegt, schreib sie in ihrem, jüngsten Jahresbericht. Hier könnte es helfen, abgelegene Einzelstandorte zu reduzieren und stattdessen Kasernen in gut erreichbaren Regionen zu ballen. So seien Laufbahnen ohne etliche Umzüge möglich.
Rekrutierung bei der Bundeswehr stockt besonders bei den Unteroffizieren
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht vor dem Zielkonflikt, die Truppe zugleich materiell und personell besser ausstatten zu müssen. Allein der jüngste Tarifabschluss im öffentlichen Dienst wird zu Solderhöhungen führen, die den Investitionsspielraum im Haushalt einengen. Gleichzeitig muss die Bundeswehr finanziell attraktiv bleiben, wenn sie als Arbeitgeber mit der Privatwirtschaft konkurrieren will.
Laut Jahresbericht der Wehrbeauftragten sind Personalzuwächse in den vergangenen Jahren vor allem bei den Mannschaftslaufbahnen gelungen, für die keine zivilen Berufsabschlüsse erforderlich sind.
Auch Offiziersnachwuchs lässt sich ausreichend finden, weil diese Karriere mit einem Studium verbunden ist, das auch nach dem Ausscheiden aus der Truppe gute Chancen auf dem zivilen Arbeitsmarkt bietet. Schwieriger ist die Rekrutierung für den „Mittelbau“, die Unteroffizierslaufbahnen.
FDP-Verteidigungspolitiker Müller fordert deshalb eine professionellere Werbe- und Rekrutierungskampagne für die Bundeswehr, schnellstmöglich Gerät anzuschaffen, das die Soldatinnen und Soldaten zum Üben brauchen, sowie mehr Fort- und Weiterbildung, um zivile Anschlusskarrieren zu erleichtern.
Außerdem sollte die Bundeswehr ausreichend Zivilpersonal einsetzen, sodass sich die Soldatinnen und Soldaten auf die militärischen Kernaufgaben konzentrieren können.
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